(Zayn)
Ich stand an der Brücke und sah ihn fallen. Ich konnte nicht rufen, konnte nichts tun. Wie er dagestanden war, so verzweifelt und gebrochen. Die Schultern hingen hinab und sein Kopf war in den Nacken gelegt, als ob er ihn nicht mehr tragen könnte. Tränen bildeten sich in meinen Augen und ich schluckte. Ich hatte gesehen, wie er das Bild in der Hand hatte. Wie er darauf gesehen hatte und Tränen gefallen waren. Er war dann auch gefallen. Er hat mich alleine gelassen.
Mein Atem zitterte, meine Augen wurden wässrig und ich berührte das eiskalte Geländer. Das Wasser verschwamm wegen den Tränen, die jetzt unablässig an meinen Wangen hinunter flossen. Es hat Lou verschluckt, also muss es auch mich verschlucken. Die Wörter brannten sich in meine Gedanken und das Vorhaben, ihm zu folgen, wurde stärker. Ich griff in meine Jackentasche und nahm mit zitternden Fingern das Foto zur Hand. Auch ich hatte immer eins dabei - das, das auch Lou hatte. Wir lachten darauf und waren glücklich. Ganz anders als jetzt. Ich schwang mich mit einem Bein über das Geländer und danach mit dem anderen. Nur meine Hände hielten mich jetzt von meinem Tun ab. Ich schloss die Augen und dachte noch ein letztes Mal über alles nach. Über mein Leben, meine Zeit mit Louis. Unsere Gemeinsamkeiten und die Liebe. Wie sich alles wenden konnte. Von heute auf morgen.
Als wäre ein Schalter umgelegt worden, wurde ich ruhig und eine tiefe innere Ruhe erfüllte mein Herz. Ich wusste: ich werde bald wieder bei Louis sein. Dann werde ich ihn wieder lieben können - richtig lieben. Denn ich wusste: er liebt mich auch noch. Langsam ließ ich mit beiden Händen die Brüstung los, meine Arme baumelten in der Luft und ich nahm das Bild in meine beiden Hände. Ich lächelte. Alles verschwamm ein aller letztes Mal, bevor ich mich fallen ließ. Ich fühlte mich für einen Moment frei, wie ein Vogel. Ich konnte fliegen, wusste jedoch nicht, wohin. Zumindest mein Verstand. Mein Herz sagte eindeutig: Zu Louis! Und das tat ich dann auch. Als ich auf der Wasseroberfläche aufkam, war es so, als tauche ich in eine andere Welt ein. Sie war warm, geborgen und man fühlte sich vollkommen.
Flügel wuchsen aus meinem Rücken und ich bereitete sie aus, ließ ihre ganze Länge schwingen und hob ab. Es war ein unglaubliches Gefühl zu fliegen. Ich wusste nicht, wohin ich flog, aber automatisch, als hätte ich noch nie etwas anderes getan, flog ich in eine Richtung. Und als ich aufsah, erkannte ich, warum. Da stand Lou. Lächelnd, auch er hatte Flügel am Rücken. Ich flog auf ihn zu - er flog auf mich zu. Wir fielen uns in die Arme, meine Tränen versiegten und die Freude gewann.
"Ich liebe dich so, Lou!", flüsterte ich in seine Haare. "Ich dich auch, Zayn! Ich dich auch!" Und damit fing ein neues Leben an. Ein neues zweites Leben. Das Leben nach dem Tod, nur, dass es viel schöner als das wirkliche Leben war. Denn im wirklichen Leben war nur die harte Realität und hier - im Himmel - gab es keine Realität. Denn hier konnte ich Louis bedingungslos lieben und das blieb für immer. Forever.
