нαρρч пεш чεαя﹗

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(Louis)

Die kalten Straßen waren noch menschenleer, es war ja auch erst zehn Uhr. Meine Füße hinterließen feuchte Fußabdrücke im Asphalt, während ich auf einem Gehweg herumschlenderte.

In fast allen Häusern brannte Licht, aus den Meisten hörte man schallendes Lachen oder freundschaftliche Gespräche. Die Kinder spielten wie verrückt herum, der Hund oder die Katze lagen auf dem Boden und die Eltern tranken Sekt. Alles in einem: Alle waren glücklich.

Naja, zumindest fast alle. Völlig einsam und mit hängenden Schultern ließ ich mich auf meiner Decke nieder und schlang sie mir um den Oberkörper. Es war kalt. Der Schnee schmolz langsam, doch die feuchte, eiskalte Luft ließ meinen Körper erzittern.

Zwei Mädchen liefen an mir vorbei, sie konnten nicht älter als sechzehn sein. Ihr Lachen regte mich an, ich wollte auch lachen können. Ich wollte den Grund wissen, warum sie lachten. Als ich mich räusperte, blickten sie zu mir und kamen verunsichert zu meinem Platz.

"Darf ich fragen, warum ihr gelacht habt, oder ist das geheim?" Mit einem verschmitzten, aufgesetzten Lächeln sah ich sie an und blickte in die eisblauen Augen der Linken. Sie waren so blau wie der Ozean, doch so kalt wie Eis.

"Es ist Silvester, du Pedopenner! Und was geht dich das eigentlich an?!" Ihre Worte waren so voller Hass und Abneigung getränkt. Ich schluckte. Die Worte trafen mich mitten im Herz.

Was konnte ich denn dafür, dass mich meine Eltern herausgeworfen hatten? Was konnte ich dafür, dass ich schwul war?!

Mit einem letzten Pff gingen die Mädchen an mir vorbei und würdigten mich keines Blickes mehr.

Ich ballte die Hände zu Fäusten, mein Selbstbewusstsein schwand mit jeder Sekunde, in der ich an meine Vergangenheit dachte. Sie waren alles für mich gewesen, waren meine Familie. Und was taten sie? Verachteten, schlugen und beleidigten mich immer wieder aufs Neue. Und ich war nicht darauf eingegangen, oder hatte mich auch nur ansatzweise gewehrt.

Eine kleine, einzelne Träne lief meine Wange hinab. Ich war allein. So alleine wie ein alter Mann mit grauen Haaren, der schon jeden Scheiß erlebt hatte. Ich war ein Loser, ein Schwuchtel. Ein Penner.

Aus der einzelnen Träne wurden immer mehr, immer mehr floss aus meinen Augenwinkeln und durchnässte meine Decke, die mittlerweile auf den Boden gerutscht war. Aber es war mir egal.

Es war mir egal, dass ich kein Zuhause hatte, dass alle glücklich waren, dass ich alleine und ohne Familie war.

Ein Beben durchfuhr meinen dürren Körper, ich schluckte den riesigen Kloß in meiner Kehle hinunter.

Ohne es zu wollen, fiel mein Blick zur Seite, dort lag eine Schachtel. Ich wusste genau, was darin war. Aber sollte ich es tun? Sollte ich es wieder versuchen? Es sprach ja eigentlich nichts dagegen, niemand würde mich vermissen.

Automatisch und ohne jegliche Vernunft glitt meine Hand zu der Schachtel und öffnete sie. Ich nahm mir die Rasierklinge.

Im schwachen Schein der Straßenlaterne schimmerte sie matt und reflektierte das Licht. Ich war fasziniert von ihr. Wie konnte ein Metall, so scharf und kalt wie ein Messer, Menschen von ihr abhängig machen? Wie konnte sie all den Schmerz und die Sorgen verschwinden lassen?

Und wie konnte sie einen Menschen in eine andere Welt katapultieren, in der es nur diesen Schmerz gab?

Ich legte die Klinge an meinen Arm und drückte sie an meine Haut. Eine leichte Gänsehaut überzog die Stelle, an die sich das kühle Metall schmiegte. Mit einem kleinen Ruck zog ich sie zu mir und zog einmal scharf die Luft ein. Es tat so gut. 

Zouis One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt