Keiner vor und nach mir

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POV. Isabella
Alessandro's Blick war verschleiert und richtete sich auf irgendeinen Punkt in der Luft. Ein Fremder würde denken, dass es ihm gleichgültig war, was er erzählte, doch ich wusste es besser.
Es war wie eine Mauer, die er um sich gezogen hatte und dass er mich einen Blick dahinter werfen ließ, bedeutete mir mehr, als alles andere. Es klingt übertrieben, doch es war so.

Erneut wischte ich mir mit den Händen über die Wangen, um die Tränen wegzuwischen. Ich war schon immer recht emotional veranlagt und solche Sachen zu hören, traf bei mir mitten ins Herz.

Sanft legte Alessandro seinen Arm um mich, und zog mich an seine Brust, wo ich mich ein wenig entspannte und es schließe schaffte, meine Stimme wieder zu finden.

„Es tut mir so unendlich Leid, dass du so etwas durchmachen musstest. Das hast du nicht verdient."  Tränen sammelten sich in meinen Augen und meine Stimme brach.
Diese Geschichte war grausam und ich würde nicht einmal meinen schlimmsten Feind ein solches Schicksal wünschen.

Alessandro atmete tief ein, wodurch seine muskulöse Brust leicht gegen meinen Kopf drückte.
„Es muss dir nicht Leid tun. Du kannst doch nichts dafür." versuchte er mich zu trösten, wobei ich mir ziemlich bescheuert vorkam. Eigentlich sollte ich ihn trösten und nicht andersrum.
Immerhin habe ich nicht meine Schwester ermordet werden sehen, mit dem Wisse, dass mein eigener Vater dafür verantwortlich war. Ok ich habe keine Schwester, doch das war jetzt nicht der Punkt.

„Es tut mir aber leid, weil du so etwas grausames nicht verdient hast. Das hat keiner und ich kann mir nicht einmal ausmalen, wie schlimm das sein muss." Ich atmete tief ein und aus, bevor ich etwas leiser und mehr für mich selbst murmelte „und dann komme ich noch und jammere dir die Ohren mit meinen Problemen und meiner Familie voll."

Scham breitete sich in mir aus und ich fühlte mich wie der grausamste Mensch auf Erden.

„Du jammerst mir doch nicht die Ohren mit deinen Problemen voll. Wenn ich ehrlich bin, dann bin ich selbst erleichtert, dass du damit zu mir kommst und mich dir helfen lässt." beruhigte er mich ein bisschen, bevor er fortfuhr. „Das mit meiner Schwester liegt an dem Leben, was ich führe und davor mein Vater führte. In dieser Welt ist ein Leben nichts weiter, als ein Druckmittel und wird beendet, wenn es einem nichts mehr bringt.
Auch ich bringe Leute um und zögere auch nie, bevor ich den Abzug drücke.

Ich befreite mich aus seinem Griff und schaute Alessandro fassungslos in die Augen. „Aber das ist doch etwas komplett anderes! Du tötest keine Unschuldigen, sondern nur welche, die ebenfalls in Kriminellen Organisationen stecken oder so. Wahrscheinlich rettest du mehr Leben, als du nimmst."

„Das mag vielleicht sein, doch es rechtfertigt es immer noch nicht, einer Person das Leben so leichtfertig zu nehmen."

Grimmig starrte er auf den dunklen Holzboden, während er seine Zähne aufeinander presste.

Vorsichtig hob ich meine Hand und berührte sanft seine Schulter. Meine Tränen waren versiegt und meine Stimme nahm wieder einen festeren Ton an.

„Wag es jetzt nicht, dir die Schuld an alledem zu geben. Du hast getan was du konntest um sie zu retten und ich danke Gott, dass du trotzdem noch lebst.
Du tötest vielleicht Menschen, doch bestimmt nicht zum Spaß oder weil sie nichts getan haben." 
Verzweifelt umschloss ich sein Gesicht mit meinen Händen und drehte es in meine Richtung, bevor ich ihm tief in die traurigen Augen sah und er mein Gesicht sorgfältig zu musterte.

„Sie hatte recht." sagte er schließlich und strich mir sanft über die verklebte Wange.
Verwirrt schaute ich ihn an. „Wer hatte womit recht?"

„Meine Schwester. Damals hatte sie mir immer gesagt, dass ich eines Tages eine finden würde, die mich glücklich machet und in die ich mich verlieben würde." Er lächelte und sein Blick wurde so weich, dass ich drohte zu schmelzen.

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