28. Nothing to lose

46 3 0
                                    

Die Stunden bis zum Abend verstrichen unendlich langsam. Katrina befand sich die ganze Zeit in einem Zustand konstanter Unruhe. Sie konnte sich nicht entspannen und tigerte immer wieder auf und ab, den dumpfen Schmerz in ihrer linken Pfote entschlossen ignorierend. Die Gedanken an das schwere Gespräch, welches unmittelbar bevorstand, quälten sie und ließen ihr keine Ruhe.

Sie bereute es zutiefst, dass sie Erik am Morgen in so überstürzter Hast hatte verlassen müssen ohne sich auch nur mit einer Silbe zu erklären. Das war unsagbar dumm gewesen und sie wünschte sie hätte anders gehandelt.

Der unsichere Blick in seinen Augen, die Verwirrung und Verletzlichkeit, die sich in ihnen widerspiegelte, hatte ihr schier das Herz zerrissen, doch sie hatte keine andere Wahl gehabt Um nichts in der Welt wollte sie, dass er mit ansah wie sie sich in Ayesha verwandelte.

Dann hätte sie bis zum Abend keine Möglichkeit gehabt ihm alles zu erklären, wie denn auch in der Gestalt der zierlichen Katze, ihrer Stimme beraubt, unfähig zu sprechen? Das wäre unerträglich gewesen und sie mochte sich nicht ausmalen, was er dann gedacht und gefühlt hätte.

Nein, sich vor seinen Augen zu verwandeln kam einfach nicht in Frage. Es war definitiv besser, wenn sie ihn schonend auf die unbegreifliche Tatsache vorbereitete, dass ihre Seele durch einen unglücklichen Zufall an die Seele seiner Katze gebunden war.

Aufgrund ihrer Unachtsamkeit hätte er vorhin ohnehin beinahe die Wahrheit selbst erraten. Ihr wäre fast ihr kleines Herz stehen geblieben, als er sie mit diesem langen, prüfenden Blick angesehen hatte, so als wollte er ergründen ob seine ungeheuerliche Vermutung tatsächlich möglich sein konnte.

Ein Glück, dass sie sich schnell von ihrem Schreck erholt und ein für eine Katze völlig typisches Verhalten an den Tag gelegt hatte. Ihre Reaktion hatte sein Misstrauen augenblicklich wieder zerstreut und sein nervöses Auflachen bewies ihr, dass er den Gedanken als absurd ab tat. Sein rationaler Verstand konnte das Offensichtliche einfach nicht als wahr hinnehmen, weswegen diese Kleinigkeit bereits ausgereicht hatte, ihn diese Idee wieder verwerfen zu lassen.

Einen Moment lang war sie erleichtert gewesen, doch dann hatte sich seine Miene jäh verdüstert und er war wortlos zurück in das große Gewölbe gegangen ohne einen weiteren Gedanken an Ayesha zu verschwenden.

Nun saß er schon seit Stunden an der Orgel und komponierte wie ein Besessener, die Welt um sich herum vergessend, eins mit der Musik, die er Note für Note erschuf.

Katrina hatte sogleich erkannt, was für ein Werk dort gerade entstand und ihr sträubte sich das Nackenfell, bei der bezwingenden Magie, die dem ganzen inne wohnte. Er arbeitete an seiner Oper „Don Juan", die zweifelsohne ein Meisterwerk werden würde.

Sie hatte „The point of no return" nie intensiver gehört als in jenem Tag. Die Noten schlichen sich erbarmungslos in ihren Geist, nahmen ihn gefangen und bohrten sich tief in ihre Seele, nicht gewillt sie wieder los zu lassen. In ihnen kam so viel Leidenschaft, so viel Begehren zum Ausdruck, dass es ihr schlichtweg die Luft zum atmen nahm.

Am ganzen Leib zitternd schleppte sie sich schließlich zu ihrem Schlafplatz und kuschelte sich erschöpft in das große, weiche Kissen. Es dauerte lange bis der Schlaf sie übermannte und ihr Augenblicke des seligen Vergessens bescherte.

~~~

Sie erwachte kurz vor Anbruch der Dunkelheit. Auf Samtpfoten tapste sie leise aus dem Raum. Die Musik war verstummt und Erik lag auf dem Bett, offenbar in tiefem Schlummer versunken. Sie wollte ihn nicht wecken. Geschwind huschte sie in die versteckte Höhle, in der ihre Sachen lagen, und wartete ungeduldig auf den Moment der Verwandlung.

Als sie ihre menschliche Gestalt wieder hatte, kleidete sie sich mit bebenden Fingern an. Dann straffte sie sich und atmete einmal tief durch, ehe sie zurück ins Gewölbe ging.

No backward glancesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt