43. Strength to fight

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Katrina und Nadir war es gelungen in überstürzter Hast das Opernhaus zu verlassen ohne vom Vicomte de Chagny oder den beiden Operndirektoren aufgehalten zu werden. Der Perser hatte nicht viele Fragen gestellt und sich lediglich kurz und knapp von Katrina alles Wichtige erzählen lassen, während sie aus dem Gebäude flohen.

Nun eilten sie schnellen Schrittes durch die belebten Straßen von Paris, vorbei an ausgelassenen, fröhlichen Menschen, die das neue Jahr überschwänglich begrüßten. Sie hatten sich bewusst gegen die Kutsche entschieden aus Angst, dass das zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde und sie dadurch Gefahr liefen, doch noch gefasst zu werden. Zu Fuß waren sie einfach schneller.

Doch bereits nach wenigen Metern, die sie im Freien zurückgelegt hatten, bereute Katrina diesen Entschluss. Es hatte zu schneien begonnen und ein eisiger Wind pfiff durch die Straßen. Große weiße Flocken wirbelten umher und legten sich auf die bloße Haut ihrer Arme, durchnässten den Stoff ihres Kleides und nahmen ihr die Sicht. Sie fror erbärmlich und wünschte dieses wundervolle Kostüm hätte wenigstens einen Umhang gehabt. Sie hauchte warmen Atem auf ihre eiskalten Finger und rieb sie aneinander, um sich ein wenig aufzuwärmen. Doch das nützte nicht viel.

Nadir warf ihr einen besorgten Seitenblick zu. „Sie frieren“, stellte er fest und blieb stehen. „Warten Sie, ich gebe Ihnen meine Jacke.“ Er zog die Jacke seines Kostüms aus und reichte sie ihr, ehe sie protestieren konnte.

Dankbar nahm Katrina sie entgegen und legte sie sich um die Schultern. „Vielen Dank“ sagte sie und schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln, das er erwiderte.

Schweigend setzten sie ihren Weg zu Nadirs Haus im dichten Schneetreiben fort. Schließlich hatten sie ihr Ziel erreicht und beeilten sich ins Warme zu kommen. Der Perser organisierte mehrere dicke Decken und orderte bei seinem Bediensteten Tee, ehe er sich zu Katrina ins Wohnzimmer gesellte, wo sie sich zitternd auf dem Sessel vor dem Kamin zusammengekauert hatte. Fürsorglich reichte er ihr zwei der Decken, in die sie sich so gleich fest einwickelte.

Dann nahm er auf der Chaiselongue Platz und starrte seufzend in das anheimelnd knisternde Feuer. Katrina tat es ihm nach, während ihr allmählich wieder wärmer wurde. In ihren Augen stand ein trauriger Ausdruck, als sie beobachtete wie die Flammen nach und nach die Holzscheite verzehrten. Sie seufzte niedergeschlagen.

Dieser verdammte Vicomte! Wenn dieser Schönling sich nicht eingemischt hätte, dann wäre sie Erik gefolgt und hätte es vielleicht schon wieder geschafft ihn zurück zu gewinnen. Es hatte nicht mehr viel gefehlt sein Herz zu erweichen und ihn an die Liebe zu ihr zu erinnern, die verborgen unter all dem Zorn und dem Hass schlummerte. Das hatte sie deutlich gespürt, in jenem wundervollen Moment, als sie sich küssten, die Menge um sich herum vergessend.

Und nun? Nun saß sie hier bei Eriks bestem Freund und sehnte sich schmerzlich nach dem Mann, bei dem sie eigentlich sein wollte.

Der Tee wurde serviert und dankbar nahm Katrina die zierliche Tasse aus Porzellan entgegen. Das wohl riechende Aroma stieg ihr in die Nase und tief atmete sie es ein, während sie die Tasse mit beiden Händen umschloss. Sie nahm einen kleinen Schluck und ließ die warme Flüssigkeit langsam durch ihre Kehle rinnen. Ein warmes Gefühl breitete sich daraufhin in ihrem Körper aus, was ihr ein wohliges Seufzen entlockte.

„Ist es jetzt besser?“ wollte Nadir wissen.

Sie nickte und sah ihn an, ein schwaches Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. „Ja, danke.“

Nadir schüttelte leicht den Kopf, ehe er sich selbst eine Tasse Tee einschenkte. „Ich kann immer noch nicht fassen, dass Erik Sie nach Ihrem unglaublich mutigen Geständnis erneut von sich gestoßen hat. Ich war mir so sicher, dass Sie ihn spätestens mit dem Kuss von der Aufrichtigkeit Ihrer Worte überzeugt hatten!“

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