3. Stranger than you dreamt it

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Katrina hatte das Gefühl sie würde rasend schnell in die Tiefe stürzen. Um sie herum herrschte pechschwarze Finsternis und sie fühlte sich merkwürdig substanzlos, so als wäre sie ein Geist.

Sie konnte weder sehen, noch hören, noch sich bewegen, noch schreien. Dabei hätte sie nichts lieber getan als das, um dem maßlosen Entsetzen, welches sie ergriffen hatte, ein Ventil zu geben.

Es war als hätte sie aufgehört zu existieren und würde nun auf ewig in diesem endlosen Schwarz nach unten fallen ohne Aussicht darauf jemals anzukommen. Ein furchtbarer Gedanke, der sie mit tiefem Grauen erfüllte.

Doch es kam anders.

Mit einem Schlag kehrten ihre Sinne zurück und die unterschiedlichsten Eindrücke strömten erbarmungslos auf sie ein. Das grelle Licht blendete sie und da war eine Fülle von Gerüchen, die sie in nie gekannter Intensität wahrnahm. Sie vernahm das Tropfen von Wasser, so laut, als wäre es direkt neben ihr, und hörte Schritte, die weit entfernt und nah zu gleich schienen. Ihr Körper fühlte sich immer noch so sonderbar leicht an und sie bekam das ungute Gefühl, dass ihr irgendein wichtiges Detail gerade entging.

Doch noch ehe sie sich mit diesem Gedanken näher auseinandersetzen konnte, schlug völlig überraschend eine Welle übel riechenden Wassers über ihr zusammen. Verzweifelt versuchte sie sich wieder an die Oberfläche zu kämpfen, aber es gelang ihr nicht egal wie sehr sie sich bemühte. Dabei schien diese so nah.

In blinder Panik ruderte sie mit ihren Pfoten hin und her, um nicht hier und jetzt im kalten Nass zu ertrinken.

Moment mal!

Pfoten?

In jähem Entsetzen vergaß sie einen Augenblick weiter zu strampeln, zu groß war der Schock, als sie die unglaubliche Wahrheit zu begreifen begann.

Sie war im Körper eines Tieres! Deswegen fühlte sie sich so komisch. Sie war nicht sie selbst, ihre Seele war offenbar im Körper einer Katze eingesperrt.

Maßloses Entsetzen packte sie. Oh Gott, was hatten Nyx und Melpomene nur getan?

Plötzlich wurde sie von zwei starken Händen aus dem Wasser gezogen und schützend an eine eindeutig männliche Brust gedrückt. Katrina würgte und hustete, wenn man denn die Laute, die sie von sich gab, überhaupt als Husten bezeichnen konnte. Sie zitterte am ganzen Leib und versuchte nach oben zu blicken, um ihren Retter ins Gesicht zu sehen.

Doch bevor sie Gelegenheit dazu hatte, wurde sie auch schon vorsichtig in einen Umhang gewickelt, so dass ihr die Sicht nach oben versperrt war. Sie gab einen unzufriedenen Laut von sich und versuchte sich frei zu strampeln.

„Ayesha ,du kleine Kratzbürste, lass das! Ich will dich nur eben trocken reiben, damit du mir nicht krank wirst." Beim Klang der vollen, weichen Stimme, die sie sanft tadelte, erstarrte Katrina jäh.

Willenlos ließ sie sich von dem Mann, der sie aus dem Wasser gefischt hatte, davon tragen, denn sie hatte ihn am Klang seiner Stimme erkannt.

Er war es. Der Engel der Nacht. Der Mann, der sie bereits vor Jahren mit seiner Musik betört hatte.

Nein, das konnte nicht sein. Das konnte sie nicht glauben!

Aber es war wahr. Sie war tatsächlich bei ihm. Beim legendären Phantom der Oper.

Bei Erik.

Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt und gehofft ihm einmal so nahe zu sein wie jetzt in diesem Moment.

Aber doch nicht als Katze, verdammt! Was für eine grausame Ironie des Schicksals, das sie im Körper von Ayesha steckte, der kleinen Siamkatze, der er damals das Leben gerettet hatte.

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