22. The light of your deepest devotion

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Erik trat mit einem Ausdruck der Besorgnis in den Augen zu Katrinas am Boden zusammengekauerter Gestalt. Sie war verletzt. Er fluchte unterdrückt, als er sah wie die zarte Haut ihrer Wange sich zu verfärben begann. Buquet hatte sie voller Brutalität geschlagen und dafür hätte er diesen Bastard mit Freuden noch ein zweites Mal aufknüpfen mögen.

Sein Herz zog sich mitleidig zusammen, als er den unsicheren Blick bemerkte, mit dem sie zu ihm hoch sah. Offenbar hatte das Ganze sie sehr mitgenommen, denn so still und verletzlich hatte er sie bisher noch nie erlebt.

Er reichte ihr die Hand und half ihr wieder auf die Füße. Ein warmes Kribbeln breitete sich in ihm aus, als ihre schmalen Finger vertrauensvoll die seinen umfassten. Angst hatte sie keine vor ihm und das obwohl sie gerade mit angesehen hatte wie er einem Menschen das Leben genommen hatte. Sie schenkte ihm sogar ein zaghaftes Lächeln, was seinen Puls jäh in die Höhe trieb.

Er rief sich hastig zur Räson. Sie mussten schleunigst hier weg, ehe man nachsah, wer für den Tod des Bühnenarbeiters verantwortlich war. Danach konnte er immer noch schauen ob sie weitere Verletzungen davon getragen hatte und sich mit dem Grund ihrer Anwesenheit hier oben beschäftigen.

„Komm, wir müssen gehen", sagte er leise und führte sie sicheren Schrittes fort durch verschlungene Geheimgänge und über zahllose Treppen, bis sie schließlich das Dach der Oper erreicht hatten. Er hatte das Gefühl, dass es ihr gut tun würde die kühle Nachtluft auf der Haut zu spüren.

Es hatte zu schneien begonnen und zarte Schneeflocken wirbelten vom Himmel herab, als sie hinaus ins Freie traten. Sie legten sich auf Katrinas Haare, ihre Wangen und Wimpern, wo sie durch die Wärme, die ihr Körper abstrahlte, nach und nach schmolzen. Es sah bezaubernd aus.

Als sie ihn mit einem zärtlichen Ausdruck in den Augen ansah, hielt er unwillkürlich den Atem an. „Danke", hauchte sie und drückte seine Finger sanft, welche die ihren noch immer umschlungen hielten, unfähig sie los zu lassen.

„Gern geschehen", murmelte er, gebannt von ihrem liebevollen Blick, der ihm bis ins Innerste seiner Seele zu blicken schien.

Diese Frau war ein einziges Rätsel. So furchtlos, betörend und ihm offensichtlich sehr zugetan. Er verstand nicht, was sie dazu brachte ihm derartige Gefühle entgegen zu bringen. Und doch konnte er nicht mehr länger leugnen, dass sie sich stark zu ihm hingezogen fühlte und ihre Leidenschaft für ihn tatsächlich ehrlicher Natur war. Ihre Augen konnten nicht lügen, sie offenbarten alles. Er las in ihnen die gleiche Sehnsucht, die auch sein Herz seit ihrem ersten Aufeinandertreffen gefangen hielt.

Konnte das tatsächlich sein? Durfte er ernsthaft hoffen, dass sie es von Anfang an ernst gemeint hatte und keineswegs irgendwelche durchtriebenen Spielchen mit ihm spielte wie er zunächst angenommen hatte?

Er wusste nach wie vor nicht ob er ihr vertrauen konnte. Die Angst davor erneut enttäuscht zu werden, war einfach zu groß. Was wenn er sich irrte? Schließlich kannte er sie überhaupt nicht. Plötzlich war sie wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatte sein Leben durcheinander gewirbelt mit ihren Botschaften und ihrem mutigen Wesen. Doch wer war sie wirklich? Woher kam sie?

Das Geräusch rasch näher kommender Schritte riss ihn schließlich abrupt aus seinen Gedanken. Eilig zog er Katrina in den Schatten der großen Apollo Statue und gebot ihr mit einem Finger an den Lippen sich ganz ruhig zu verhalten. Sie nickte kaum merklich und drängte sich dicht an ihn, ein Umstand, der ihn süße Qualen ausstehen ließ. Es war atemberaubend sie so nah bei sich zu haben.

Die Tür ging auf und zwei Personen betraten das Dach der Oper. Erik erstarrte, als er die beiden erkannte. Es waren Christine und der Vicomte de Chagny.

Als Katrina ihre Hand suchend in die seine schob und ihre Finger vertraulich mit den seinen verschränkte, warf er ihr einen überraschten Blick zu. In ihren Augen stand ein Ausdruck von Bedauern und Ernsthaftigkeit, den er nicht verstand. Doch er war ihr dankbar für die zarte Geste und drückte ihre Finger sanft, ehe er sein Augenmerk wieder auf Christine und Raoul richtete.

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