Atemlos weidete Katrina sich an dem unbeschreiblichen Anblick, den Erik bot. Er sah einfach hinreißend aus.
Die rote Uniformjacke mit der vergoldeten doppelten Knopfreihe und denselben verschlungenen Ornamenten am Kragen und den Aufschlägen der Ärmel, die auch ihr Kostüm zierten, stand ihm hervorragend. Gemeinsam mit dem langen roten Umhang, der an seiner rechten Schulter befestigt war und in einer kleinen Schleppe endete, verlieh sie ihm etwas Vornehmes und zugleich unsagbar Machtvolles. Um seinen Hals war ein in ordentlichen Falten gelegtes Halstuch geschlungen, das zusammen mit schwarzen Handschuhen und kniehohen Stiefeln sein elegantes Erscheinungsbild abrundete.
An seinem Gürtel baumelte ein Degen, ohne jeden Zweifel ein echter, der ihn noch bedrohlicher erscheinen ließ. Die Totenschädelmaske verdeckte sein Gesicht fast vollständig. Einzig seine empfindsame Mundpartie blieb frei.
Katrina fühlte sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen, wie die Motte zum Licht. Sie hätte nichts lieber getan, als zu ihm zu eilen und sich in seine Umarmung zu flüchten.
Sünde und Tod. Für immer vereint.
Doch der kalte Blick seiner Augen, den er über die Menge schweifen ließ, und der verächtliche Zug um seinen Mund, hielten sie davon ab. Ganz gleich wie schwer es ihr fiel, jetzt war noch nicht der richtige Zeitpunkt, um ihm gegenüber zu treten. Sie musste sich noch etwas gedulden.
Gebannt verfolgte sie wie er nun begann die Treppe hinab zu schreiten, langsam und bedrohlich, den Moment voll auskostend. Die Darsteller des Ensembles wichen furchtsam vor ihm zurück und machten ihm Platz.
Als er mit seiner dunklen, melodiösen Stimme zu sprechen begann, lief eine wohlige Gänsehaut über ihren Rücken. Sie konnte nichts dagegen tun, sie liebte den Klang seiner Stimme. „Habe ich Sie erschreckt, Messieurs? Haben Sie wirklich gedacht Sie wären mich endgültig los?“
Er lachte leise und blieb auf dem mittleren Absatz der breiten Treppe stehen. „Mitnichten! Ich war lange fort, das ist wahr, doch dafür gibt es einen guten Grund. Ich habe Ihnen eine Oper geschrieben. Hier bringe ich das vollendete Werk!“
Er hob seine linke Hand und zeigte der Menge die braune Mappe aus feinstem Leder, in der die Noten seines Meisterwerkes ruhten. „Don Juan, der Sieger!“ verkündete er und warf das Ergebnis seines künstlerischen Schaffens mit einer triumphierenden Geste vor die Füße der beiden Operndirektoren. Dann zog er in einer fließenden Bewegung seinen Degen, der kalt im sanften Lichtschein der Kerzen glänzte.
Entsetztes Keuchen ertönte, während Erik die tödlich schimmernde Klinge für einen kurzen Moment beinahe schon liebevoll betrachtete.
Katrinas Kehle war wie zugeschnürt als sie mit ansah wie er sich nun dem als Sultan verkleideten Piangi und der Carlotta, deren rotes Haar von einem kunstvollen Turban gekrönt wurde, zuwandte. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, wie der Vicomte Christine allein stehen ließ und davon eilte, um seinen Degen zu holen.
„Ich erwarte, dass meine Oper in einer Woche Premiere feiert. Doch bevor die Proben beginnen können, gebe ich noch ein paar Anweisungen, die es unter allen Umständen zu befolgen gilt.“ befahl Erik streng. Von da, wo sie stand, war das gefährliche Funkeln in seinen Augen gut zu sehen.
Bedrohlich schritt er auf Carlotta zu, die ihn mit offenem Mund angstvoll entgegen blickte. Er richtete die Spitze des Degens auf ihren Turban, woraufhin sie einen erstickten Laut von sich gab. „Lehrt die Carlotta endlich richtig auf der Bühne zu agieren. Es ist erbärmlich ihr dabei zu sehen zu müssen, wie sie immer nur steif im Kreis herum stolziert“, sagte er verächtlich und schnitt mit einer schnellen Bewegung eine der wippenden Federn von ihrer Kopfbedeckung.
Carlotta riss vor Schreck die Augen weit auf und wich zurück. Piangi drängte sich entschlossen nach vorne, wurde aber von der Spitze des Degens aufgehalten, die sich leicht in seinen dicken Bauch bohrte. Er erstarrte jäh und schluckte trocken. Katrina konnte erkennen wie sich winzige Schweißperlen auf seiner Stirn zu bilden begannen.
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No backward glances
FanfictionEin Mann, gezeichnet von einem grausamen Schicksal, gefangen in unendlicher Einsamkeit. Eine Frau, die alles zu tun bereit ist, um ihn aus diesem Elend zu befreien und ihm den Weg ins Licht zu weisen. Göttliche Einmischung, die alles durcheinander w...
