32. There will be no escape

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Katrina seufzte schwer, als sie in die kleine Höhle huschte, in der sie sich für gewöhnlich für ihre Verwandlung zurückzog. Flink begann sie sich zu entkleiden und legte ihre Sachen fein säuberlich zusammen gelegt in die Ecke.

Dann hockte sie sich mit angewinkelten Knien auf die kalte Erde und wartete, zitternd vor Kälte. Sie fühlte sich elend. So elend wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Verzweifelt wünschte sie sich, dass sie sich damals anders entschieden und Erik alles gesagt hätte. Doch sie war schwach geworden und hatte die Chance ungenutzt verstreichen lassen, nur zu dankbar für den Aufschub, den er ihr so großzügig gewährte.

Wenn sie ihm jetzt alles offenbarte, und das musste sie, daran führte kein Weg vorbei nach allem, was sie über seine Pläne wusste, dann war es ganz allein ihre Schuld, wenn sie ihn dadurch für immer verlor. Das hatte sie dann ihrer eigenen Dummheit und Schwäche zu zu schreiben.

Ein trostloses Schluchzen entrang sich ihrer Kehle bei dem Gedanken daran und sie barg ihr Gesicht in den Händen, ihrer wachsenden Verzweiflung freien Lauf lassend.

Der einsetzende Schmerz der Verwandlung traf sie dieses Mal mit einer solchen Heftigkeit, dass sie laut aufstöhnte vor Qual und sich zusammen krümmte.
Als sie hörte, wie sich ihr daraufhin jemand näherte, riss sie erschrocken die Augen auf und starrte hoch in das besorgte Gesicht von Nadir.

Maßloses Entsetzen packte sie. Nein! Das durfte nicht sein! Er musste ihr heimlich gefolgt sein und sie war so sehr mit ihren Sorgen beschäftigt gewesen, dass sie es nicht einmal bemerkt hatte!

Er musste gehen! Sofort! Sonst würde er die Wahrheit mit eigenen Augen sehen und alles verderben. Wenn er Erik alles erzählte... Wenn er ihr zuvor kam... Nein, das durfte einfach nicht geschehen!

Sein Blick war voller Sorge, als er sich nun neben sie kniete und sie mit einem Ausdruck der Hilflosigkeit betrachtete, unsicher was er tun sollte. „Katrina! Bei Allah! Was ist mit Ihnen? Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ Zögernd streckte er die Hand nach ihr aus, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne, weil er nicht wusste wohin damit.

„Gehen Sie! Lassen Sie mich allein!“ presste sie zwischen den Zähnen hervor und unterdrückte ein weiteres Stöhnen.

„Ich kann Sie doch nicht allein lassen, wo sie ganz offensichtlich starke Schmerzen haben!“ entgegnete er beinahe schon entrüstet darüber, dass sie etwas Derartiges überhaupt vorschlug. „Soll ich vielleicht Erik holen?“ fragte er dann nach einem Moment des Zögerns und machte Anstalten sich zu erheben.

„Nein!“ Katrina packte seinen Arm und hielt ihn zurück. Tränen liefen über ihre blassen Wangen, während sie ihn flehend ansah. „Gehen... Sie... einfach... Bitte...“ Ihre Stimme brach. Sie ließ ihn los und betete inbrünstig, dass er sich erhob und verschwand, ehe es zu spät war.

Unverständnis lag in seinem Blick und er wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als die Welle des Lichts über sie hinweg rollte und die Verwandlung sich endgültig vollzog.

Katrina sah wie sich seine Augen in grenzenlosem Entsetzen weiteten, als er beobachtete wie sie sich förmlich in Luft aufzulösen schien und statt ihrer der kleine Körper Ayeshas zurückblieb. Schockiert starrte er die Siamkatze an, Stück für Stück nach hinten zurück weichend, Unglauben im Blick.

„Das... das ist... unmöglich!“ stammelte er fassungslos, sie nicht aus den Augen lassend.

Voller Verzweiflung erwiderte sie seinen Blick und musste dadurch wohl so menschlich ausgesehen haben, dass er sich schließlich vorbeugte und sie genau musterte.
„Ka... Katrina? Sind Sie es... wirklich?“

Als sie zögernd nickte, weiteten sich seine Augen und er sah so entsetzt aus, wie sie sich fühlte.
„Unfassbar“, hauchte er.

Katrina starrte ihn mit wachsender Angst an. Wie würde er nun reagieren, jetzt da er ihr Geheimnis kannte? Würde er sich auf direktem Weg zu Erik begeben und ihm alles berichten?

Wenn er das tat, dann war alles vorbei. Dann hätte sie den Mann, dem ihr Herz gehörte, auf jeden Fall für immer verloren.

Sie schoss gequält die Augen und senkte den Kopf. Ihr Schicksal und das des Phantom der Opers lagen nun in den Händen des Persers. Was würde er tun?

Lange Zeit geschah nichts. Er saß einfach nur da und betrachtete sie. Katrina hätte alles dafür gegeben, zu ihm sprechen, ihm alles erklären zu können. Doch sie war bis zum Einbruch der Nacht zum Schweigen verdonnert. Und so verharrte sie regungslos und hoffte, er würde sich nicht dazu entschließen zu Erik zu gehen.

Als Nadir sich schließlich bedächtig aufrappelte und sich den Staub von seinem orientalischen Gewand klopfte, zitterte sie am ganzen Leib vor Anspannung. Bang starrte sie hoch in sein Gesicht, das keinerlei Rückschlüsse darauf zuließ, was er dachte oder zu tun beabsichtigte. Scheinbar gelassen erwiderte er ihren Blick.

Dann holte er einmal tief Luft, ehe er zu sprechen begann: „Ich kann nicht fassen, dass ich das sage und doch erscheint es mir richtig so. Bitte machen Sie sich keine Sorge, Katrina. Ich werde kein Wort hierüber an Erik verlieren. Allerdings verlange ich im Gegenzug dafür, dass Sie sich mir augenblicklich erklären, wenn Sie Ihre menschliche Gestalt wieder haben. Ich nehme an, das geschieht mit Einbruch der Dunkelheit, da Sie ja nur in der Nacht Zeit mit Erik verbringen können?“

Katrina miaute zur Bestätigung einmal leise, woraufhin er zusammen zuckte. Er lachte kurz nervös und fuhr sich in einer fahrigen Geste durch das Haar. „Nun gut. Ich werde jetzt nach Hause gehen und erwarte Sie dann heute Abend dort. Besser wir sprechen an einem Ort über dieses...“ Er zögerte einen Moment, so als würde er nach den richtigen Worten suchen. „Dieses... Ereignis, wo Erik es unter keinen Umständen mitbekommen kann.“

Katrina nickte schwach und zeigte ihm so, dass sie verstanden hatte und seiner Aufforderung Folge leisten würde.

Als er sich umdrehte und ging, folgte sie ihm auf Samtpfoten, nicht gewillt ihn auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Falls er sein Wort brach und doch zu Erik ging, würde sie es gleich wissen und könnte so noch einschreiten, um zu retten, was zu retten war.

Aber sein Weg führte ihn nicht zu Erik. Er verließ die Katakomben ohne Umwege durch eine schmale Tür, die in den Hinterhof der Oper führte und begab sich dann nach Hause.

Katrina folgte ihm im stetig heller werdenden Licht des frisch begonnenen Tages.







tbc

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