41. Never be in vain

20 2 0
                                        

Dumpf starrte Katrina auf die Stelle, an der Erik vor wenigen Augenblicken verschwunden war. Der Schmerz, den sie ob seiner grausamen Zurückweisung empfand, drohte übermächtig zu werden und sie völlig für sich zu vereinnahmen.

Sie war so nah dran gewesen ihn zu erreichen, ihn daran zu erinnern, dass sie beide zusammen gehörten. Als er sie in seinen Armen gehalten und ihren Kuss leidenschaftlich erwidert hatte, hatte sie genau gespürt, dass sie ihm keineswegs gleichgültig war. Im Gegenteil. Er hatte sich in jenem Moment ebenso nach ihr verzehrt, wie sie sich nach ihm.

Warum nur konnte er ihr nicht endlich Vertrauen schenken und an ihre Liebe glauben? Wieso klammerte er sich mit aller Macht an den absurden Gedanken, dass sie ihn mit ihrem Tun verraten hatte? Sie hatte ihm stets nur helfen wollen! War er einfach zu blind um das zu erkennen?

Es war schier zum Verzweifeln und am liebsten wäre sie davon gelaufen, fort an einen dunklen, einsamen Ort, um sich allein dem gewaltigen Schmerz hinzugeben, der in ihrem Inneren tobte und drohte ihr das Herz zu brechen. Wozu sich weiter quälen und hoffen, wenn er sich ohnehin bereits gegen sie und ihre Liebe entschieden hatte?

Nein.
Das durfte sie nicht einmal denken. Sie durfte jetzt nicht aufgeben, nicht, wo sie genau gespürt hatte, dass da noch etwas in ihm war. Etwas dass bereit war ihr zu verzeihen und ihr zu glauben. Es war keinem geholfen, wenn sie nun in Selbstmitleid versank und sich ihrem Kummer hingab.

Sie musste etwas unternehmen. Noch war es nicht zu spät ihm nachzueilen und ihn von der Aufrichtigkeit ihrer Worte zu überzeugen. Sie hatte nichts mehr zu verlieren.

Katrina versuche sich aus dem Griff des Vicomte zu befreien, doch er hegte offenbar nicht die geringste Absicht sie los zu lassen. Während die Musik wieder einsetzte und die Gäste des Maskenballs sich allmählich aus ihrer Starre lösten und ihre Gespräche und Plaudereien wieder aufnahmen, wuchs Katrinas Zorn ins Unermessliche. Was bildete dieser arrogante Kerl sich ein sie einfach gegen ihren Willen festzuhalten? Dazu hatte er kein Recht!

„Lassen Sie mich auf der Stelle los!“ fauchte sie und funkelte ihn voller Verachtung an.

Mit kühler Herablassung erwiderte er ihren Blick. „Auf keinen Fall, Mademoiselle. Nicht bevor Sie uns ein paar Fragen beantwortet haben!“

Katrina gab einen erstickten Laut von sich, die Augen hinter der edlen Maske weit aufgerissen. Erst jetzt bemerkte sie, dass Monsieur Firmin und Monsieur André mit grimmiger Miene hinter ihr standen und sie genauestens beobachteten. Auf einmal wurde ihr klar, in was für Schwierigkeiten sie steckte.
Sämtliche Anwesenden waren Zeuge davon geworden wie sie erklärt hatte, dass sie und das gefürchtete Phantom der Oper zusammen gehörten. Alle hatten ihre Liebeserklärung mitangehört und gesehen wie sie schmachvoll zurück gewiesen worden war.

Dass dieses Verhalten unweigerlich Fragen nach sich zog, hätte sie bedenken müssen, ehe sie handelte. Aber ursprünglich war sie von einem anderen Ausgang der ganzen Situation ausgegangen. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass sie allein auf dem Maskenball zurückblieb, während Erik in sein unterirdisches Reich entschwand.

So ein verdammter Mist! Die drei Männer, allen voran der Vicomte de Chagny, schienen wild entschlossen Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, koste es, was es wolle. Sie fluchte unterdrückt und fragte sich wo der Perser steckte, wenn man ihn einmal brauchte.

„Den Teufel werde ich tun!“ zeterte sie aufgebracht und versuchte nach dem Vicomte zu treten, was ihm ein wütendes Knurren entlockte. „Und jetzt lassen Sie mich los! Sie haben keinerlei Recht mich festzuhalten!“ Wutentbrannt funkelte sie ihn an, ihre blau-grauen Augen schienen ihn förmlich zu versengen.

Da trat Christine vor und legte ihre kleine Hand auf seinen Arm. „Raoul, sie hat Recht. Das dürfen wir nicht“, wandte sie fast schüchtern ein und blickte ihn beschwörend an, was ihr einen verblüfften Blick von Katrina eintrug. Nie hätte diese damit gerechnet, dass die junge Sängerin ihr versuchte beizustehen.

No backward glancesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt