Eriks Augen weiteten sich voller Unglauben, als er den Sinn ihrer Worte erfasste. Er klammerte sich Halt suchend an ihre Hände und starrte sie an, unfähig auch nur eine Silbe hervor zu bringen.
Hatte er richtig gehört? Hatte sie ihn tatsächlich darum gebeten den Moment auszukosten und seinem Verlangen freien Lauf zu lassen?
Unmöglich! Keine Frau hatte ihn je freiwillig berührt, geschweige denn zugelassen, dass er sich ihr auch nur ansatzweise näherte. Und diese Frau wollte sich willentlich auf ihn einlassen? Auf den Mann, der sich schon sein ganzes Leben nach den zärtlichen Berührungen einer Frau sehnte?
Das konnte nicht sein. Er wagte nicht zu hoffen, dass sie es ernst meinte.
Und doch konnte er keine Spur des Zweifels in ihren schönen blau-grauen Augen erkennen. Voll banger Hoffnung erwiderte sie seinen forschenden Blick, angespannt darauf wartend was er entgegnen würde. Die Aufrichtigkeit ihrer Worte spiegelte sich in ihren Augen wider. Er konnte das gleiche brennende Verlangen in ihnen lesen, das auch sein Innerstes verzehrte.
Mit einem Mal fühlte sich seine Kehle wie zugeschnürt an. Das Blut pulsierte heiß durch seine Adern, forderte ihn auf einfach zu zustimmen und den süßen Verlockungen nachzugeben, die sie ihm so bereitwillig anbot.
Hatte er sich oben auf dem Dach der Oper nicht selbst gesagt, dass er für den Moment jede Minute mit ihr genießen wollte? Dass alle Antworten auf die Fragen, die zwischen ihnen standen, warten konnten?
Mit jeder Sekunde, die verstrich und die er schwieg, wurde ihr Blick ängstlicher. Sie fürchtete tatsächlich, dass er sie zurückweisen könnte.
Diese Erkenntnis schürte eine unglaubliche Hoffnung in ihm, die er schon lange für immer verloren geglaubt hatte. Die Hoffnung auf ein Leben voller Liebe.
Er begann unter der Wucht der Emotionen, die auf ihn einströmten, unkontrolliert am ganzen Körper zu zittern. All das, wovon er nicht einmal zu träumen gewagt hatte, war zum Greifen nahe.
„Erik!" Nur am Rande vernahm er Katrinas erschrockenen Ausruf, zu sehr gefangen in seiner Gefühlswelt, den Blick starr nach unten gerichtet.. Er wäre ein Narr, wenn er ernsthaft erwägen würde das kostbare Geschenk, das sie ihm machen wollte, abzulehnen. Welcher Mann bei Verstand könnte bei so einem Angebot schon nein sagen?
Und doch gab es eine Sache, die er vorher wissen musste.
Er atmete tief durch, ehe er sich fasste und hoch in ihre Augen sah, die ihn voller Sorge musterten. „Geht es dir gut?" fragte sie leise, fast schon zögerlich.
Sie war so atemberaubend schön wie sie da saß und ihn betrachtete. Ihre Haut schimmerte sanft im Licht der Kerzen, ihre Brust hob und senkte sich sacht unter ihren Atemzügen. Nicht einmal Christine hatte er so verzweifelt begehrt wie diese Frau. Katrina war alles, was er brauchte, die Erfüllung all seiner Wünsche.
„Würdest du mir einen Gefallen tun?" Seine Stimme hatte einen rauen Klang, als er er ihr diese Frage stellte.
„Natürlich, alles, was du willst." Sie schenkte ihm ein Lächeln, das ihn bis ins Mark traf und ein warmes Glühen in seinem Herzen entzündete.
Er hoffte so sehr, dass er sich nicht täuschte und das all das, was aus ihren Augen sprach, seinem nachfolgendem Handeln standhielt.
„Sieh mich an", bat er leise und tat etwas, dass er in Anwesenheit eines anderen Menschen noch nie getan hatte. Er ergriff mit beiden Händen das kühle Porzellan der Halbmaske und nahm sie mit quälender Langsamkeit ab, Katrinas Gesicht nicht eine Sekunde aus den Augen lassend.
Voller Angst wartete er darauf, dass der Ausdruck in ihren Augen sich veränderte, dass sie ihn voll Abscheu und Entsetzen betrachtete, wenn sie sein grausam entstelltes Gesicht erblickte. Doch nichts dergleichen geschah.
Ruhig saß sie da und sah ihn einfach nur an, ganz so wie er sie gebeten hatte, nicht die geringste Spur von Ekel oder Ablehnung in ihrem Blick. Da war nichts weiter als Mitgefühl und Liebe in ihren Augen zu lesen.
Erik keuchte auf, als er begriff, was das bedeutete. Seine Finger verkrampften sich um das Porzellan der Maske und dumpf starrte er auf sie hinab, ohne sie wirklich wahrzunehmen.
Plötzlich schoben sich schmale Hände in sein Blickfeld, die behutsam seine Finger von der Maske lösten und sie auf den kleinen Beistelltisch neben dem Sessel legten.
Ein Schauern ging durch seinen Körper, als Katrina ganz zart sein Gesicht umfing. Unendlich sanft liebkoste sie seine Haut, strich über das vernarbte und unansehnliche Gewebe ohne das geringste Anzeichen von Scheu.
„Erik", sagte sie zärtlich und in diesem einem Wort, seinem Namen, lag alles, was er wissen musste.
Pure unverfälschte Freude durchströmte ihn und ein nie geahntes Glücksgefühl nahm von ihm Besitz. Sie akzeptierte ihn so wie er war, den Mann hinter der Maske, das Wesen der Dunkelheit, das stets verborgen in der Finsternis gehaust hatte. Allein. Sie war sein Licht, seine Hoffnung und mit jedem Moment, der verging, schwand seine Einsamkeit ein Stück mehr.
Mehr brauchte er nicht zum glücklich sein. Überwältigt von seinen Gefühlen zog er sie zu sich auf den Schemel. Mit einem erleichterten Seufzen sank sie in seine Umarmung und schmiegte sich eng an ihn. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Haar und sog tief den süßen Duft ein, den es verströmte.
„Heißt das nun, dass du meiner Bitte nachkommst?" fragte sie neckend und zupfte verspielt an seinem Halstuch.
„Was glaubst du?" murmelte er in ihr Haar und genoss einfach nur das unbeschreibliche Gefühl sie zu halten.
Sie lachte leise. „Ich glaube dir gefällt es mich im Unklaren zu lassen. Was nebenbei bemerkt nicht besonders nett ist."
Nun war es an ihm zu lachen. Sie war einfach entzückend, egal was sie tat oder sagte.
Es war befreiend ganz er selbst sein zu dürfen und sich nicht verstellen zu müssen. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich angenommen. Und das lag allein an ihr.
„Du solltest öfter lachen. Mir gefällt wie es klingt", meinte sie und strich betörend langsam über seine Brust. Auf einmal war da nichts Spielerisches und Neckendes mehr. Nur reines, sinnliches Verlangen.
Sogleich beschleunigte sich seine Atmung und sein Blut dröhnte ihm laut in den Ohren. Erik meinte die Hitze ihrer Berührung förmlich durch die Schichten an Stoff spüren zu können, die seine nackte Haut von ihren Fingern trennten. Diese verführerische kleine Hexe wusste ganz genau wie sie ihn dazu brachte schwach zu werden.
„Oh, Katrina!" stöhnte er und drehte ihren Kopf so, dass er sie küssen konnte. Leidenschaftlich nahm er ihre Lippen in Besitz und ließ seine Hände verlangend über ihren Rücken gleiten. Sie drängte sich an ihn, nicht minder erregt als er, und erwiderte seinen Kuss verlangend.
Der Drang ihr ganz nah zu sein drohte übermächtig zu werden. Er musste sie spüren.
Haut an Haut.
Sofort.
Ohne seine Lippen von den ihren zu lösen erhob er sich und zog sie mit sich nach oben. Sie schlang die Arme um seinen Hals und vertiefte den Kuss mit einem leisen Stöhnen.
Heiß zuckte die Lust durch seine Glieder, forderte ihn auf nachzugeben und sich zu nehmen, was er so sehnsüchtig begehrte. Er war nicht in der Lage diesem erotischen Ansturm auf seine Sinne länger standzuhalten.
Erik löste sich von ihr, ergriff ihre rechte Hand und führte sie mit dunklem, vor Begehren brennendem Blick in sein Schlafgemach.
Die weiße Maske lag vergessen auf dem kleinen Beistelltisch.
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No backward glances
Fiksi PenggemarEin Mann, gezeichnet von einem grausamen Schicksal, gefangen in unendlicher Einsamkeit. Eine Frau, die alles zu tun bereit ist, um ihn aus diesem Elend zu befreien und ihm den Weg ins Licht zu weisen. Göttliche Einmischung, die alles durcheinander w...
