33. Can't live in a fairytale of lies anymore

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Das Haus des Persers lag in einer der vornehmeren Wohngegenden von Paris. Staunend blickte Katrina an der ordentlich getünchten Fassade des schmucken Häuschens hinauf. Es war recht hübsch anzusehen, besaß einen gepflegten kleinen Vorgarten und elegante Rundbogenfenster. Offensichtlich sorgte Erik sehr gut für seinen Freund als Gegenleistung für dessen Dienste als Einkäufer.

Nadir betrat sein Haus und ließ die Tür einen Spalt breit offen, ihr einen fragenden Blick zuwerfend. Selbstverständlich war ihm nicht verborgen geblieben, dass sie ihm folgte und da sie nicht die geringste Lust verspürte bei den herrschenden frostigen Temperaturen dieses Wintertages den ganzen Tag draußen auszuharren, nahm sie seine Einladung dankbar an. Flink huschte sie an ihm vorbei ins Warme und sah sich um.

Die Einrichtung war zweifellos sehr geschmackvoll mit klaren orientalischen Akzenten hier und da. Alles in allem sehr zeitlos und stilvoll. Ihr gefiel es gut, denn es spiegelte sehr genau die Persönlichkeit des Persers wider und sagte viel über ihn aus.

Während Nadir die Treppe nach oben verschwand, näherte sie sich zögernd dem behaglich prasselnden Feuer des Kamins im Wohnbereich. Ihre Pfoten tapsten vorsichtig über einen kostbaren Perserteppich und schließlich sprang sie anmutig auf einen Sessel, der nahe der Feuerstelle stand. Sie rollte sich zusammen und ließ den Kopf auf ihre Vorderpfoten sinken, trübsinnig vor sich hin brütend.

Sie konnte nur hoffen, dass Erik Ayeshas Abwesenheit nicht allzu viel Bedeutung zumaß. Sie wollte nicht, dass er sich um sie sorgte, befürchtete aber zugleich, dass er es tun würde. Schließlich war die kleine Siamkatze ihm sehr wichtig.
Der Laut, der ihr entwich, sollte ein Seufzen sein, klang aber wie ein jämmerliches Maunzen.

Wie hatte sie nur in diese ausweglose Situation geraten können? Melpomene und Nyx hatten sie ausgewählt, damit sie Erik zu seinem Glück verhalf. Und nun? Nun sah es so aus, als würde sie ihn weitaus tiefer ins Unglück stürzen, als Christine es je vermocht hatte.

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Den ganzen Tag verbrachte sie so im Sessel, sich selbst Vorwürfe machend und verzweifelt nach einer Lösung suchend. Wenn sie zwischendurch kurz ein döste, dann wachte sie schon recht bald wieder auf, gepeinigt von schrecklichen Alpträumen, die an ihren ohnehin schon strapazierten Nerven zerrten.

Nadir ließ sich den ganzen Tag nicht mehr blicken. Hin und wieder huschte ein dürrer Bursche ins Zimmer, der nach dem Feuer sah, doch er ignorierte sie und tat so, als wäre sie nicht da, weswegen Katrina ihm keine weitere Beachtung schenkte.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kam Nadir ins Wohnzimmer und legte schweigend ein schlichtes graues Kleid und Untergewänder auf die Chaiselongue, ehe er sich wieder zurückzog. Katrina war ihm sehr dankbar für diese freundliche Geste, denn es wäre sehr erniedrigend gewesen ihm ohne einen Faden Stoff am Leib gegenüber treten zu müssen.

Nachdem die Verwandlung abgeschlossen war, schlüpfte sie rasch in die Gewänder und zog das Kleid an, ehe sie vorsichtig die Tür öffnete und hinaus spähte.

Nadir saß mit unergründlicher Miene in der Diele auf einem Stuhl und blickte hoch, als er sie hörte.

„Ich wäre dann soweit, Daroga", meinte sie leise.

Er nickte und erhob sich. Gemeinsam betraten sie das Wohnzimmer. Nachdem Nadir die Tür geschlossen hatte, setzte er sich in einen der Sessel, während Katrina auf der Chaiselongue Platz genommen hatte.

Nervös starrte sie auf ihre Finger, die sich in den Stoff des Kleides krallten. Eine drückende Stille hatte sich zwischen ihnen ausgebreitet und verstärkte das mulmige Gefühl, das sie gefangen hielt. Wo sollte sie nur beginnen? Schließlich tat sie einen zittrigen Atemzug und sah hoch in die Augen des Persers, die sie geduldig musterten.

No backward glancesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt