Erik hatte hinter einem seiner zahlreichen Gucklöcher gestanden, welches ihm einen guten Blick in das Büro der Operndirektoren gewährte, und alles mitangehört.
Ursprünglich hatte er hier Posten bezogen, weil er wissen wollte wie die beiden Herren der Direktion dieses Mal auf seine Forderungen reagierten. Würden sie sich seinem Willen fügen und die Oper unter seinen Bedingungen aufführen? Oder würden sie sich weigern und damit seinen Zorn auf sich ziehen?
Doch dann war die Tür aufgegangen und er war mehr als überrascht gewesen, als Monsieur Firmin und Monsieur André, gemeinsam mit diesem unsäglichen Vicomte de Chagny, Katrina in den Raum zerrten. Sie schien sehr wütend zu sein und funkelte die Männer durch die rote Maske hindurch trotzig an, als sie sich widerwillig auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch sinken ließ.
Angespannt hatte Erik sich vorgebeugt und jede Kleinigkeit ihrer Erscheinung begierig in sich aufgenommen. Sie sah einfach nur atemberaubend aus in dem Kostüm, das dafür geschaffen war einen Mann um den Verstand zu bringen. Gerade er war ihren kaum verhüllten Reizen gegenüber alles andere als immun, er begehrte sie so sehr, dass es beinahe schon körperlich schmerzte. Er konnte nichts dagegen tun, dass er sich nach ihr verzehrte, dass er sich danach sehnte sie in seine Arme zu schließen und für immer zu halten.
Mit ihrem süßen Kuss vor aller Augen und ihrem Geständnis hatte sie den Entschluss seinen Plan bis zum bitteren Ende in die Tat umzusetzen gefährlich ins Wanken gebracht.
Und nicht nur das. Seine Zweifel, ob er in seinem unermesslichen Zorn richtig gehandelt hatte, waren mit aller Macht zurückkehrt und ließen ihm seitdem keine Ruhe mehr.Schweigend und mit unergründlicher Miene war er im Verborgenen Zeuge davon geworden, wie sie sich vehement weigerte ihn zu verraten. Die Erkenntnis, dass sie sich nach allen, was er ihr angetan hatte, immer noch so loyal verhielt und ihn um jeden Preis zu schützen suchte, versetzte ihm einen schmerzhaften Stich. Würde sie auch so handeln, wenn alles tatsächlich nur eine Lüge wäre? Wenn er mit seinen Anschuldigungen recht hätte, dann wäre sie doch überhaupt nicht auf dem Maskenball erschienen und hätte auf so offene und ehrliche Weise versucht ihn zurück zu gewinnen. Oder doch?
Er schob diese aufwühlenden Gedanken hastig beiseite und hatte sich wieder darauf konzentriert, was im Büro vor sich ging. Als der Vicomte Katrina die Maske vom Gesicht riss, entfuhr ihm ein wütendes Knurren und am liebsten wäre er aus seinem Versteck gestürzt, um diesem impertinenten Lackaffen für sein frevelhaftes Verhalten zu bestrafen. Mit Mühe hatte er sich zügeln können und beließ es dabei mit geballten Fäusten hinter der Wand zu verharren und das Geschehen weiter zu beobachten.
Katrina hatte den Überraschungsmoment nach ihrer unfreiwilligen Demaskierung genutzt, um auf zu springen und zur Tür hinaus zu eilen. Aus einem Impuls heraus, warf Erik seine letzte Rauchkugel unbemerkt durch das Guckloch in den Raum, so dass die Anwesenden ausreichend abgelenkt waren. Das sollte Katrina genügend Zeit verschaffen, um verschwinden zu können.
Als er nun mit ausgreifenden Schritten hinab in sein Reich stieg, versuchte er sich einzureden, dass er ihr nur geholfen hatte, damit sie nicht doch irgendwann innerhalb dieses Verhöres schwach wurde und Dinge über ihn verriet, die unbedingt geheim bleiben mussten. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass er sich etwas vor machte. Sie hätte niemals etwas preisgegeben, das widersprach ihrem Ehrgefühl. Und außerdem, liebte sie ihn...
Er stöhnte auf, als er an diese ehrlichen Worte zurück dachte, wie sie ihn angesehen hatte, der Blick voll bitter süßer Hoffnung, aber auch voller Angst. Und dann dieser Kuss! Wie sie ihre sanften Lippen auf die seinen gepresst hatte, so vertrauensvoll, so zärtlich, hatte sich bis tief in seine Seele gebrannt. Er würde nie vergessen, wie es sich angefühlt hatte. In dem Moment hatte die Mauer, die er seinem Herzen im Zorn aufgezwungen hatte, zu bröckeln begonnen.
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No backward glances
Fiksi PenggemarEin Mann, gezeichnet von einem grausamen Schicksal, gefangen in unendlicher Einsamkeit. Eine Frau, die alles zu tun bereit ist, um ihn aus diesem Elend zu befreien und ihm den Weg ins Licht zu weisen. Göttliche Einmischung, die alles durcheinander w...