45. Dare to believe

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Katrina verschlief den Rest der Nacht. Es war ein traumloser, tiefer Schlaf und als sie kurz vor Morgengrauen erwachte, fühlte sie sich schon wesentlich besser als am Abend zuvor. Es war also wirklich nur eine kleine Unpässlichkeit gewesen und nichts Ernstes. Ein Glück.

Sie ließ die Verwandlung zu Ayesha über sich ergehen und sprang dann im Körper der kleinen Katze auf die Fensterbank um nachzudenken. Lange verharrte sie regungslos dort und starrte einfach nur nach draußen.

Vor ihrem inneren Auge sah sie die Szene der >Don Juan< Aufführung deutlich vor sich und sie überlegte wie es ihr wohl gelingen würde, am besten einzuschreiten und Erik im entscheidenden Moment für sich zu gewinnen. Ihr Herz protestierte bei dem Gedanken daran, dass er „The point of no return“, dieses hoch erotische Lied, gemeinsam mit Christine vortrug und so dachte sie darüber nach wie sie sich selbst in die Aufführung schmuggeln könnte. Es musste einfach möglich sein, denn sie war sich sicher, wenn sie dieses Lied auf der Bühne zusammen mit Erik sang, konnte sie ihn daran erinnern, wie viel er ihr bedeutete, wie sehr sie ihn liebte.

Allmählich begann sich eine konkrete Idee in ihrem Geist zu formen. Sie war riskant und beinhaltete viele unsichere Faktoren, aber Katrina war dennoch der Meinung, dass es funktionieren könnte. Sie musste darauf vertrauen und durfte sich nicht ihren Zweifeln hingeben, dann würde es schon werden.

Ungeduldig wartete sie darauf, dass es wieder Abend wurde und sie Nadir in ihren Plan einweihen konnte. Sie würde seine Hilfe benötigen, um alles erforderliche vorzubereiten.

Endlich war es soweit, die Dunkelheit brach herein und mit ihr erlangte sie wieder ihre menschliche Gestalt wieder. Hastig schlüpfte sie in ihr schwarzes Kleid und eilte die Treppe hinunter.

Auf dem Gesicht des Persers zeichnete sich ein Lächeln ab, als er sah wie sie mit geröteten Wangen, glänzenden Augen und voller Elan in sein Wohnzimmer schritt. „Wie schön, dass es Ihnen wieder besser geht, meine Liebe.“

Katrina strich sich eine widerspenstige Haarsträhne hinter das Ohr, ehe sie sich auf der Chaiselongue nieder ließ. „Danke sehr! Ich bin auch sehr erleichtert, dass sich das ganze lediglich als harmlose Unpässlichkeit entpuppt hat.“

„Das ist aber nicht der Grund, warum Sie hier so herein stürzen, oder täusche ich mich da?“ Fragend blickte er sie an, ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

Katrina schüttelte lachend den Kopf. „Nein, keineswegs. Ich glaube, ich weiß, was ich tun muss, um Erik endgültig zu überzeugen, dass er und ich einfach zusammen gehören.“

Nadir hob erstaunt eine Augenbraue und beugte sich interessiert vor. „Na, dann lassen Sie mal hören“, forderte er sie auf.

Das ließ Katrina sich nicht zweimal sagen und so weihte sie ihn in ihr Vorhaben ein. Der Perser schien zunächst überrascht, dass sie sich dafür entschieden hatte bis zur Aufführung der Oper zu warten, räumte dann aber ein, dass es so wahrscheinlich am besten war.

Katrina erbat sich Papier, Feder und Tinte und begann dann das Kostüm der Aminta, welches sie an jenem Abend tragen wollte, detailliert zu beschreiben, so dass eine Schneiderin es nach ihren Vorstellungen anfertigen konnte. Nadir versprach es gleich am nächsten Morgen in Auftrag zu geben, so dass es rechtzeitig vorher fertig war.

Sie saßen beinahe die ganze Nacht zusammen und feilten an dem Plan, versuchten alle möglichen Schwierigkeiten zu bedenken und Lösungen zu finden.
Katrina war zuversichtlich. Nach jenem Abend war Erik wieder der ihre.

~~~

Erik verbrachte die Tage vor der Premiere seiner Oper in einem Zustand wachsender Rastlosigkeit. Er beobachtete heimlich die Proben, war jedoch ganz und gar nicht zufrieden mit der Leistung sämtlicher Beteiligten, so dass er sich gezwungen sah weitere Drohbriefe zu verfassen und diese durch Madama Giry überbringen zu lassen.

Selbst Christine, die hätte brillieren müssen in der Rolle der Aminta, klang merkwürdig farblos und dünn. Es war kein Vergleich zu Katrinas Interpretation seines Stückes. Sie hatte dem Lied die nötige Leidenschaft verliehen, jede Silbe, die ihre süßen Lippen verlassen hatte, die pure Verführung.

Oh Katrina! Er vermisste sie schmerzlich und dass nicht nur, weil sie die einzige zu sein schien, die seine Musik wirklich verstand. Ihm fehlte einfach alles: ihr Geruch, die Art wie sie lächelte, das Strahlen ihrer blau-grauen Augen, wenn sie ihm etwas erzählte, ihr furchtloses und liebevolles Wesen.

Mehr als einmal stand er kurz davor zu ihr zu gehen, um sie inständig um Verzeihung zu bitten für sein unentschuldbares Verhalten. Doch er hielt sich zurück, die Worte der Muse der Tragödie klangen ihm noch zu deutlich in den Ohren. Er musste darauf vertrauen, dass alles gut werden würde, wenn die Zeit gekommen war.

Wenn es ihm nur nicht so unsagbar schwer fallen würde...

Zwei Tage vor der Aufführung belauschte er die beiden Operndirektoren und den Vicomte de Chagny wie sie einen Plan ersonnen, um das Phantom der Oper ein für alle Mal zur Strecke zu bringen.

Erik schnaubte belustigt. Es war ihm völlig gleichgültig, dass sie Christine als Köder einzusetzen gedachten. Als ob er derart dumm wäre, darauf hereinzufallen nach allem, was geschehen war. Enttäuschend, dass die drei Herren ihm nicht etwas mehr Verstand zu trauten.

Und selbst wenn sie das ganze Opernhaus mit Polizisten umstellen lassen würden, so wäre er ihnen stets einen Schritt voraus. Er hatte immer einen Fluchtweg, den er nehmen konnte, wenn die Situation es erforderte. Das würde an jenem Abend auch nicht anders sein.

Törichte Narren!

Sie würden schon bald wissen, dass man ein Phantom nicht ungestraft erzürnen durfte. Denn natürlich durfte der krönende Abschluss seiner Oper nicht fehlen. Das, was ihm dabei vorschwebte, war nicht nur das perfekte Ablenkungsmanöver, damit er unbehelligt entschwinden konnte, wenn er es wünschte, nein, es würde auch seinen Drang nach Rache befriedigen und seinen Widersachern einen empfindlichen Schlag versetzen, von dem sie sich so schnell nicht wieder erholen würden.

Doch die Voraussetzung dafür, dass er diesen letzten Schritt tatsächlich wagte und es so weit kommen ließ, war, dass Katrina wieder bei ihm weilte.

Ohne sie war er nichts. Ohne sie wollte er nicht mehr sein. Er brauchte sie genauso dringend wie die Luft zum atmen, sehnte sich danach wieder ihre Stimme zu hören und ihre weichen Lippen auf den seinen zu spüren.

Er hoffte so sehr, dass Melpomene die Wahrheit gesprochen hatte und sich alles zum Guten wenden würde. Denn sonst wusste er nicht, was er tun würde...








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