Katrina drehte sich fasziniert vor dem Spiegel in ihrem Zimmer und begutachtete das fertige Kostüm der Aminta, das Nadir nach ihren Vorstellungen hatte anfertigen lassen. Es passte wie angegossen und betonte ihre Vorzüge auf sehr sinnliche Art und Weise.
Der leicht ausgestellte Rock war aus goldfarbenen glänzendem Stoff gefertigt und schmiegte sich eng an ihre schlanken Beine. Eine schwarze Corsage umschloss ihren Oberkörper wie eine zweite Haut und war oben mit weißer Spitze abgesetzt, die ihren Ausschnitt verlockend umspielte. Die kurzen Ärmel rutschten ihr immer wieder verführerisch über die Schultern, wenn sie sich bewegte, und lenkten den Blick auf ihre bloße Haut.
Katrina lächelte zufrieden. Wenn das Eriks Verlangen nach ihr nicht weckte, dann wusste sie auch nicht.
Geschwind bürstete sie sich die schwarzen Locken, bis sie in sanften Wellen ihr Gesicht umrahmten. Sie steckte eine rote Rosenblüte hinter ihr linkes Ohr und warf dann einen letzten Blick in den Spiegel. Jetzt sah sie beinahe so aus wie Christine im Film, nur mit dem kleinen Unterschied, dass sie ihr Kostüm weitaus atemberaubender fand. Hoffentlich sah Erik das auch so.
Sie seufzte einmal schwer, ehe sie den schwarzen warmen Umhang anlegte und sich die Kapuze vorsichtig über das Haar zog, so dass niemand mehr sah wer sie war und was sie trug. Dann eilte sie die Treppen hinunter, an deren Ende sie bereits von Nadir erwartet wurde.
Schweigend verließen sie das Haus und begaben sich raschen Schrittes zur Pariser Oper, in der an diesem Abend die Premiere von Eriks Oper >Don Juan< gefeiert werden sollte. Sie schlichen sich unbemerkt in den Hinterhof, was sich schwieriger als gedacht gestaltete, da überall Polizisten herum schwirrten, die in das Opernhaus strömten und es auch von außen umstellten. Lautlos und ungesehen gelangten sie schließlich durch einen gut verborgenen Eingang in das Innere des Gebäudes.
Nadir entzündete geschwind eine Laterne, deren schwaches Licht unheimliche Schatten an den kalten Stein warf. Dann blickte er Katrina an. „Alles Gute, meine Liebe. Ich weiß, dass Sie es schaffen werden.“
„Danke Daroga. Für alles! Sie waren so gut zu mir und das, wo Sie mich kaum kennen. Das werde ich Ihnen nie vergessen.“ Sanft küsste sie ihn auf die Wange, woraufhin er verlegen beiseite blickte.
„Schon gut“, murmelte er. „Ich habe Ihnen gern geholfen. Sie sind wirklich eine beeindruckende Frau. Genau das, was Erik braucht, um sein Glück zu finden.“
Katrina lächelte. „Das ist wahr. Und er wird es heute Nacht zurück erlangen, das verspreche ich Ihnen!“Sie schenkten sich noch ein letztes Lächeln, ehe Katrina sich abwandte und hinter der nächsten Biegung des dunklen Ganges verschwand. Ihr Weg führte sie über viele Pfade und verschlungene Gänge tief hinab ins Herz der Oper. Sie verlangsamte ihre Schritte, als sie ihr Ziel beinahe erreicht hatte und lauschte angestrengt in die Dunkelheit.
Ein erleichtertes Lächeln huschte um ihre Mundwinkel, als sie jemanden leise schluchzen hörte. Gut, Christine war also da, ganz wie sie gehofft hatte. Durch ein kleines Guckloch in der Wand konnte sie ihre am Boden kniende Gestalt ausmachen. Sie hatte eine Kerze für ihren verstorbenen Vater entzündet und hielt den Blick gesenkt, ihn stumm um Beistand anflehend.
Katrina seufzte einmal bei dem jämmerlichen Anblick, den sie bot. Armes Ding, sie war viel zu zart und verletzlich um den Köder zu spielen. Es war ein Unding, dass der Vicomte sie überredet hatte in die Rolle der Verräterin zu schlüpfen. Und dennoch sie hätte sich weigern können es zu tun. Wenn sie nur gewollt hätte, wenn sie nur nicht so schwach wäre, hätte sie protestieren können.
Gerade als Katrina in den Kapellenraum schlüpfen wollte, um sich Christine zu zeigen und mit ihr zu sprechen, vernahm sie den Klang von Schritten, welche die Steintreppe zur Kapelle hinab kamen. Sie verharrte regungslos in ihrem Versteck und beobachtete wie der Vicomte de Chagny den Raum betrat.
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No backward glances
FanfictionEin Mann, gezeichnet von einem grausamen Schicksal, gefangen in unendlicher Einsamkeit. Eine Frau, die alles zu tun bereit ist, um ihn aus diesem Elend zu befreien und ihm den Weg ins Licht zu weisen. Göttliche Einmischung, die alles durcheinander w...