39. Fools to rush in

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Katrina hielt den Atem an, während sie sich in der imposanten Eingangshalle der Oper umsah. Der mit edlem Marmor geflieste Boden war blank geschrubbt und glänzte so sehr, dass man sich darin spiegeln konnte. Die goldenen Statuen, welche die elegante Marmortreppe säumten, waren ebenfalls poliert worden und reflektieren das Licht der unzähligen Kerzen, die mit ihrem sanften Schein, neben den Gaslampen an den Wänden und den Kristalllüstern an der Decke, den Raum erhellten. Vereinzelt standen teure Blumenarrangements an den mächtigen Säulen und unterstrichen den prunkvollen Auftritt noch.

Alles in allem fand Katrina es wahrlich beeindruckend und sie konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich hier war. Es sah fast genauso aus wie im Film und kam ihr dadurch ungemein vertraut vor. Ein merkwürdiges Gefühl.

Auch die verkleideten Menschen, die überall in Grüppchen herumstanden, schwatzten und lachten oder auf der weitläufigen Fläche vor der Treppe im Tanz über die Fliesen wirbelten, machten einen sonderbar vertrauten Eindruck. Es war beinahe so als hätte sie diese Szenerie schon etliche Male erlebt.

Sie ließ ihren Blick über die verschiedenen Kostüme schweifen und konnte sich nicht satt sehen an den unterschiedlichen Ausführungen und fantasievollen Masken. Es gab Harlekine, Nymphen, Schäferinnen, Zigeunerinnen, Pik-Dame und Pik-König und ein Herr schien sich sogar als die Zeit selbst verkleidet zu haben. Der Ideenreichtum und die Vielfalt waren erstaunlich, wenngleich die Farbwahl eher gedeckt war und dezenter ausfiel, als sie erwartet hatte.

Sie in ihrem roten Kostüm stach vermutlich sehr aus der Masse heraus, ein Gedanke, der ihr nicht sonderlich behagte. Man würde sich an sie erinnern. Und auch wenn niemand ihr Gesicht hinter der  Maske erahnen konnte, machte sie dieser Gedanke irgendwie nervös.

Ihr Blick wanderte weiter und blieb an Monsieur Reyer hängen, der oben auf der mittleren Empore stand und von dort aus für die musikalische Untermalung des Abends sorgte. Sein Orchester hatte sich mit ihren Instrumenten hinter ihm platziert und spielte gerade einen langsamen Walzer.

„Hier, nehmen Sie.“

Katrina zuckte erschrocken zusammen, als jemand sie von der Seite ansprach und ihr ein Glas Champagner in die Hand drückte. Es war Nadir, dessen Abwesenheit sie in ihrer Faszination nicht einmal bemerkt hatte.

„Danke“, murmelte sie und nippte an dem perlenden Getränk. Es schmeckte köstlich, half aber in keinster Weise ihre Nerven zu beruhigen.

„Ich halte es für das beste, wenn wir uns trennen. Sie mischen sich unter die Gäste und schauen, was sie aufschnappen können, während ich mich derweil darum bemühe herauszufinden wo unser Freund sich zum jetzigen Zeitpunkt aufhält“, meinte Nadir leise.

„Aber...“ Katrina wollte protestieren, doch der Perser kam ihr dazwischen.

„Keine Sorge. Ich verliere Sie schon nicht aus den Augen. In dem auffälligen Kleid, das sie tragen, dürfte das wohl kaum möglich sein.“

Sie lachte trocken. „Wie wahr.“

Er schenkte ihr ein letztes aufmunterndes Lächeln, ehe er sich abwandte und in der Menge verschwand.

Katrina seufzte einmal, ehe sie tat wie ihr geheißen. Sie begann umher zu schlendern und den Gesprächen der Leute zu lauschen.

Als sie die beiden Operndirektoren am Fuße der Treppe ausmachte, wie sie in ein Gespräch mit Carlotta und Piangi vertieft waren, nutzte sie die Gelegenheit sich ihnen unauffällig zu nähern. Scheinbar desinteressiert stand sie schließlich einige Schritte von ihnen entfernt und nippte an ihrem Champagner.

„Welch ein Fest!“ meinte Carlotta gerade anerkennend und schenkte Monsieur Firmin und Monsieur André ein aufgesetztes Lächeln.

Die beiden Herren, verkleidet als Widder und Gockel, stießen sich in die Seite und lachten. Jeder von ihnen hatte eine junge auf getakelte Dame im passenden Kostüm neben sich und Katrina wagte zu bezweifeln, dass es sich bei diesen beiden um ihre Ehegattinnen handelte. Männer! Sie zog missbilligend die Augenbrauen zusammen, während sie weiter zuhörte.

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