Erik befand sich in einem Zustand wachsender Sorge. Unruhig schritt er vor der Orgel auf und ab, von einer merkwürdigen Rastlosigkeit befallen, die an seinen Nerven zerrte und ihm keine Ruhe ließ. Hin und wieder blieb er stehen und lauschte angestrengt auf das Geräusch von rasch näher kommenden Schritten, nur um jedes Mal aufs Neue seine Hoffnung zerstört vorzufinden, als keine erklangen.
Wo blieb sie nur? Er sehnte sich nach ihrer Nähe, dem warmen Klang ihrer Stimme, ihrem vollen Lachen. Was hielt sie bloß von ihm fern? Bisher war sie noch nie zu spät zu ihren nächtlichen Treffen gekommen.
Seine Katrina. Er vermisste sie schrecklich. Mehr als er in Worte fassen konnte.
Mit einem Mal schlich sich eiskalte Furcht in sein Herz und lähmte ihn. Abrupt blieb er stehen, die Augen bei dem furchtbaren Gedanken, der ihm soeben gekommen war, weit aufgerissen. Was wenn ihr etwas geschehen war und er sie nie wieder sehen würde?Er gab einen erstickten Laut von sich, ehe er noch energischer als zuvor auf und ab ging. Nein, an so etwas Grauenhaftes durfte er nicht einmal denken! Sicher gab es einen trifftigen Grund für ihr Zuspätkommen und jede Sekunde würde sie auftauchen und ihm diesen mitteilen.
An diesen Gedanken klammerte er sich verzweifelt, um nicht vor lauter Sorge den Verstand zu verlieren.
Erst ließ sich Ayesha den ganzen Tag nicht blicken und nun kam auch noch Katrina zu spät. Er fühlte sich hilflos seinen Ängsten ausgeliefert, denn er wusste, er war dazu verdammt abzuwarten, da er keine Ahnung hatte wo die Frau sein könnte, die er so sehr brauchte wie die Luft zum atmen.
Unwillkürlich fragte er sich, ob er selbst die Schuld daran trug, dass sie nicht kam. Hatte er sie gestern mit seiner Ankündigung ihr die Rolle der Aminta in seiner Oper zu geben derart schockiert, dass sie beschlossen hatte ihn zu meiden?
Nein, ein derartiges Verhalten passte nicht zu ihrem sonst so furchtlosen und beherzten Wesen. Niemals würde sie so etwas tun und ohne ein Wort verschwinden. Dazu war ihre Liebe zu ihm viel zu groß.
Doch ein leiser Zweifel blieb und fraß sich unbarmherzig in sein Herz. Was wenn ihre Liebe zu ihm doch nicht so tief ging, wie sie behauptete? Er fand es immer noch unglaublich, dass eine Frau wie sie jemanden wie ihn überhaupt liebte. Es gelang ihm einfach nicht die letzten Zweifel diesbezüglich abzuschütteln und ihr vollends zu vertrauen. Die vage Furcht davor erneut bitterlich enttäuscht und verraten zu werden, blieb und vergiftete sein Denken, vor allem, wenn er an das immer noch ungeklärte Geheimnis dachte, das zwischen ihnen stand.
Wie gerne würde er ihr sein uneingeschränktes Vertrauen schenken und ihr seine Gefühle gestehen, doch er wagte es nicht, so lange diese Sache nicht aufgeklärt war. Er wusste es war nicht fair von ihm, ausgerechnet das als Anlass für seine Zurückhaltung zu nehmen, wo er es doch gewesen war, der sie um einen Aufschub gebeten hatte, doch er konnte nicht anders. Die ganze Situation war einfach immer noch zu neu, zu ungewohnt für ihn, es brauchte noch Zeit, bis er nicht mehr alles hinterfragte und sich vollständig öffnete.
Sein Kopf fuhr herum, als er endlich die ersehnten Schritte vernahm. Ihm entfuhr ein erleichtertes Seufzen, als er Katrinas schmale Gestalt erblickte, die mit ausgreifenden Schritten näher kam. Ihre Wangen waren gerötet und in ihren Augen stand ein Ausdruck der Reue, als sie nun zu ihm eilte und sich in seine Arme schmiegte.
„Es tut mir leid“, flüsterte sie und barg ihr Gesicht in seiner Halsbeuge. „Bitte verzeih die Verspätung.“
Erik hätte ihr grollen sollen, weil sie ihm solchen Kummer bereitet hatte, doch er war viel zu froh darüber, dass sie unversehrt bei ihm war und so beschränkte er sich darauf sie einfach nur festzuhalten und tief ihren Duft einzuatmen.
„Wo bist du gewesen?“ wollte er schließlich wissen und suchte ihren Blick.
Sie zögerte, ehe sie ihm eine Antwort gab. „Ich wurde aufgehalten“, meinte sie dann ausweichend. Sogleich wurde er misstrauisch und er fragte sich warum sie ihm nicht einfach sagte was der Grund für ihre Verspätung war. Was steckte nur dahinter?
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No backward glances
FanfictionEin Mann, gezeichnet von einem grausamen Schicksal, gefangen in unendlicher Einsamkeit. Eine Frau, die alles zu tun bereit ist, um ihn aus diesem Elend zu befreien und ihm den Weg ins Licht zu weisen. Göttliche Einmischung, die alles durcheinander w...