Katrina hatte sich auf dem Sessel zusammengerollt und schlief erschöpft, während das Feuer im Kamin beinahe völlig herunter gebrannt war. Als das Schlagen der Haustür davon kündete, dass Nadir zurückgekehrt war, schreckte sie jäh auf.
Fahrig fuhr sie sich mit den Fingern durch die wirren Locken ihres Haars und sprang aufgeregt auf, als er den Raum betrat. „Und? Wie ist es gelaufen?“ fragte sie und rang sorgenvoll die Hände.
Der trostlose Ausdruck in seinen dunklen Augen sagte ihr alles, was sie wissen musste. „Oh nein“, hauchte sie schwach und ließ sich wieder auf den Sessel sinken. „Was ist geschehen?“
Nadir seufzte schwer und legte den Mantel ab, den er achtlos über die Lehne eines Stuhls warf. Katrinas Blick schweifte unwillkürlich zu seinem Hals und sie keuchte entsetzt auf, als sie die roten Male erkannte, die sich deutlich abzeichneten.
„Oh mein Gott! Hat Erik das getan...?“ Sie konnte nicht fassen, dass er so weit ging und seinen einzigen Freund verletzte. Doch alles deutete darauf hin, dass er es getan hatte, so unfassbar sie es auch finden mochte. Sie fröstelte jäh und schlang die Arme um sich. Was hatte sie nur angerichtet?
Nadir setzte sich auf die Chaiselongue ihr gegenüber und rieb sich mit undurchdringlicher Miene die Kehle. „Ja, das hat er“,meinte er dann mit rauer Stimme und verzog das Gesicht. „Offensichtlich hat es ihm sehr missfallen, dass ich es gewagt habe mich in seine Angelegenheiten zu mischen.“
Katrina gab einen erstickten Laut von sich und sah ihn mitleidig an. „Oh, Daroga, es tut mir so leid! Bitte verzeihen Sie mir, dass ich Sie in diese Sache hineingezogen habe. Ich wollte gewiss nicht, dass so etwas passiert.“
„Beruhigen Sie sich, Katrina. Es ist nicht Ihre Schuld. Ich hätte wissen müssen, dass es ein großes Wagnis darstellt zu Erik zu gehen, wenn er in solch einer Stimmung ist.“ Düster starrte Nadir in die sterbenden Flammen im Kamin. „Ich fürchte allerdings, dass wir ein Problem haben...“
Katrina horchte auf. Ein Ausdruck wachsender Sorge stand in ihren Augen, als sie sich nun vorbeugte und den Perser musterte. „Wie meinen Sie das?“
Nadir seufzte erneut und erwiderte ihren Blick dann ernst. „Morgen Abend auf dem Maskenball wird Erik allem Anschein nach versuchen Christine Daaé erneut in seinen Bann zu schlagen. Wenn ich mich nicht sehr irre, dann wird er ihr die weibliche Hauptrolle in seiner Oper geben.“
„Nein!“ entfuhr es Katrina entsetzt. Sie fühlte sich, als hätte ihr jemand einen Dolch mitten ins Herz gerammt. Wie konnte Erik nach allem, was zwischen ihnen gewesen war, ernsthaft erwägen sich wieder Christine zu zuwenden? Das konnte sie nicht glauben, es war zu schmerzhaft. War er so blind vor Hass und Zorn, dass er all das zwischen ihnen einfach fort warf? So als hätte es ihm nicht das Geringste bedeutet?
Sie presste sich eine Hand auf die Brust und tat einen zittrigen Atemzug, um die wachsende Verzweiflung in ihrem Inneren in Zaum zu halten. „Sind Sie sich da ganz sicher, Daroga?“ flüsterte sie und schaute den kleinen Mann seltsam drängend an.
Er nickte. „Ich fürchte ja. Er ist so wütend, dass ich ihm alles zutrauen würde und das ist bedauerlicherweise das naheliegensde, da er glaubt, dass Sie ihn mit Absicht all die Zeit von diesem kleinen Chormädchen ferngehalten haben.“
Katrina schloss die Augen und biss sich auf die Unterlippe. Wie konnte Erik nur so schrecklich stur sein? Wie konnte er an seinem Zorn festhalten und einfach ignorieren, was doch mehr als offensichtlich war? „Dieser Idiot!“ entfuhr es ihr wütend. Aufgewühlt sprang sie auf und begann unruhig vor dem Kamin auf und ab zu gehen.
Nadir sah ihr mit hochgezogener Augenbraue einen Moment lang zu, ehe er meinte: „Es muss uns gelingen zu ihm durchzudringen und ihm klar zu machen, wie falsch sein Verhalten ist. Ich glaube immer noch fest daran, dass er Sie liebt. Er schafft es einfach nur nicht darauf zu vertrauen, was sein Herz ihm sagt.“
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No backward glances
FanficEin Mann, gezeichnet von einem grausamen Schicksal, gefangen in unendlicher Einsamkeit. Eine Frau, die alles zu tun bereit ist, um ihn aus diesem Elend zu befreien und ihm den Weg ins Licht zu weisen. Göttliche Einmischung, die alles durcheinander w...