Katrinas Herz begann wie wild zu rasen, als sie fassungslos auf die Pflanze in ihren Händen starrte. Eine dunkelrote Rose geschmückt mit einer schwarzen Schleife. Das konnte kein Zufall sein, oder?
Wäre das Schicksal wirklich so grausam und spielte ihr nach allem, was gewesen war, solch einen Streich? Oder durfte sie tatsächlich glauben, dass diese Rose umschlungen mit dem schwarzen Band aus edlem Satin, von ihm war?
Aufregung erfasste sie und ein winziger Funken Hoffnung begann in ihr zu wachsen. Sie musste unbedingt in Erfahrung bringen von wem diese Blume stammte. Hastig klingelte sie nach der Schwester.
Es dauerte nicht lange, da kehrte diese zurück und schaute sie fragend an. „Was kann ich für Sie tun?“
„Ich... ich habe noch eine Frage“, begann Katrina zögernd und drehte den Stiel der Rose zaghaft zwischen ihren Händen.
„Was liegt Ihnen denn auf dem Herzen?“ Mit einem Ausdruck der Freundlichkeit musterte die Schwester ihre im Bett sitzende Gestalt.
„Das Feuer... ich habe mich gefragt wie ich aus meiner brennenden Wohnung hinaus gelangen konnte. Ich erinnere mich nicht mehr.“
Ein verständnisvolles Lächeln huschte über die Züge der Schwester und sie setzte sich zu ihr auf das Fußende des Bettes. „Natürlich wollen Sie das wissen. Es ist aber auch wirklich eine unglaubliche Geschichte! Schwester Bernadette hatte Dienst, als Sie vor zwei Nächten mit einer Rauchvergiftung und ohne Bewusstsein bei uns eingeliefert wurden. Sie hat mir alles erzählt.“
Katrina hob verwundert eine Augenbraue. „Und was hat Sie Ihnen berichtet?“
„Nun ja“, die Schwester, eine Frau mittleren Alters, die laut Namensschild Marianne hieß, beugte sich verschwörerisch vor. „Es war äußerst ungewöhnlich wie Sie zu uns gekommen sind, müssen Sie wissen. Normalerweise gelangen die Patienten nach einem Brand immer mit dem Rettungswagen zu uns, doch bei Ihnen war es anders. Ein Mann hat Sie gebracht. Er kam hier einfach hereinspaziert mit Ihnen auf dem Arm, ist das denn zu fassen? Meine Kollegen waren völlig aus dem Häuschen, das können Sie mir glauben! So etwas hatten Sie noch nie zuvor erlebt. Und als er dann auch noch sagte, dass er Sie ganz allein aus der brennenden Wohnung gerettet hat, da war das Staunen umso größer. Wahrlich heldenhaft, finden Sie nicht?“
Katrina horchte auf und ihr Herzschlag beschleunigte sich jäh. Konnte es sein, dass es sich bei diesem Mann vielleicht um... ihn handelte? „Können Sie diesen Mann näher beschreiben?“ wollte sie hoffnungsvoll wissen und umklammerte die Rose vor Aufregung so fest, dass die Dornen ihr unangenehm in die Handfläche stachen.
Schwester Marianne schüttelte bedauernd den Kopf. „Tut mir leid, das kann ich nicht. Ich weiß nur das, was Schwester Bernadette mir erzählt hat.“
„Oh“, enttäuscht sah Katrina hinab auf ihre Hände.
„Aber, ich könnte Ihnen sagen wer dieser Mann war. Zwar nicht seinen Namen, aber den können Sie sicher schnell herausfinden. Er hat nämlich gesagt, er wäre Ihr neuer Nachbar. Vielleicht hilft Ihnen diese Information ja etwas weiter?“ Fragend betrachtete Schwester Marianne sie.
Katrina riss erstaunt die Augen auf, als sie das soeben Gehörte realisierte. Ihr Retter war der Mann, der in die Villa gegenüber gezogen war, welche so lange leer gestanden hatte?
„Ja, danke“, hauchte sie. Sie wagte nicht daran zu glauben, dass ihre verzweifelte Hoffnung bei ihrem Nachbarn könnte es sich um Erik handeln, tatsächlich der Wahrheit entsprach. Diese Enttäuschung würde sie in ihrem angeschlagenen Zustand nicht verkraften.
Und wenn sie ehrlich zu sich selbst wahr, musste sie sich eingestehen, dass es schlichtweg unmöglich war, dass er ihr geheimnisvoller Retter war. Wie hätte er all die Jahre, die verstrichen waren, überleben sollen?
135 Jahre. So alt konnte niemand werden.
„Hat er mir diese Rose geschickt?“ fragte sie, als Schwester Marianne Anstalten machte zu gehen und hielt ihr die edle Pflanze hin.
Die ältere Frau betrachtete die Blume einen Moment lang und lächelte sie dann an. „Oh ja, die ist von ihm. Er meinte Sie wüssten, was sie zu bedeuten hat.“
Katrinas Finger begannen zu zittern, als sie diese Worte vernahm. Die Rose entglitt ihrem nunmehr kraftlosen Griff und fiel auf die Bettdecke. Fassungslos heftete sie ihren Blick darauf, unfähig zu begreifen, was das bedeuten konnte.
Das war unmöglich! Und doch schien es ein eindeutiges Zeichen zu sein. Ihr Herz raste und in ihrem Kopf drehte sich alles. Vor Aufregung war ihr schon ganz übel. Sie zwang sich durchzuatmen und sich zu beruhigen.
Schwester Marianne hatte ihre Reaktion neugierig mitangesehen. „Offenbar wissen Sie wirklich, was sie bedeutet, habe ich Recht?“
Katrina nickte schwach. „Ja, das tue ich. Haben Sie vielen Dank, Schwester.“
„Gern geschehen. So, wenn Sie dann nichts mehr benötigen, werde ich jetzt wieder gehen. Eine angenehme Nachtruhe wünsche ich.“ Sie lächelte noch einmal, ehe sie sich zum Gehen wandte.
Als sie fort war, hob Katrina die Rose behutsam an und ließ ihre Fingerspitzen beinahe schon liebkosend über die schwarze Schleife gleiten. Alles in ihr drängte danach herauszufinden, wer dieser mysteriöse Fremde war, der sie gerettet hatte. Am liebsten hätte sie sich sofort auf den Weg gemacht, doch sie fühlte sich noch etwas geschwächt, was nicht weiter verwunderlich war, bedachte man, was sie durchgemacht hatte.
Sie seufzte frustriert und verfluchte den Umstand, dass sie gerade erst dem Tod entronnen und deswegen nicht bei Kräften war. Nun würde sie sich gedulden müssen, ganz gleich wie schwer ihr das auch fallen mochte. Die leise Hoffnung, dass es Erik gewesen war, der sie aus dem Feuer geholt hatte, würde sie so lange quälen bis sie endgültig Gewissheit erlangt hatte. Sie wusste, dass es eigentlich unmöglich war, dass es sich bei ihrem Retter um ihn handelte, und doch sprach so vieles dafür. Diese Indizien konnte sie nicht einfach ignorieren, nicht, wenn es vielleicht eine Chance gab, doch noch mit dem Mann, den sie liebte, vereint zu werden.
Vorsichtig presste sie die Rose mit beiden Händen einen Moment lang an ihre Brust, ehe sie diese behutsam beiseite legte. Dann löschte sie das Licht, drehte sich auf die Seite und versuchte Schlaf zu finden, den sie so dringend benötigte, um sich wieder zu erholen.
Nachdem endlose Minuten verstrichen waren, in denen sie blicklos in die Dunkelheit gestarrt hatte, den Kopf voller widersprüchlicher Gedanken, siegte letztendlich die Erschöpfung über ihre Zweifel und Sorgen und ihr Geist glitt hinüber in Morpheus' Reich.
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Katrina erwachte früh am nächsten Morgen und stand auf, um sich frisch zu machen. Erleichtert bemerkte sie, dass sie sich bereits besser fühlte und sich einigermaßen sicher bewegen konnte. Das Gefühl der Schwäche war so gut wie fort und sie beschloss den behandelnden Arzt bei der Visite darum zu bitten nach Hause gehen zu dürfen.
Er war nicht sonderlich erfreut darüber, war aber nach einigem Hin und Her dazu bereit sie auf eigenes Risiko frühzeitig zu entlassen. Katrina packte ihre wenigen Habseligkeiten, die ihr noch geblieben waren, und wartete ungeduldig darauf, dass man ihr die Entlassungspapiere brachte. Nachdem sie ihre Unterschrift geleistet hatte, die bestätigte, dass sie auf eigenes Verlangen hin das Krankenhaus verließ, durfte sie endlich gehen.
Die Sonne blendete sie einen Moment lang, als sie hinaus ins Freie trat. Nachdem sie sich an das helle Licht gewöhnt hatte, winkte sie sich ein Taxi herbei und ließ sich zu ihrer alten Wohnung fahren.
Schockiert betrachtete sie dort die Überreste des Ortes, an dem sie die letzten Jahre über gelebt hatte. Die Flammen hatten alles zerstört und von ihrem ehemaligen Zuhause war nicht mehr als eine verkohlte Ruine übrig. Sie schluckte schwer, als ihr vollends bewusst wurde, wie viel Glück sie gehabt hatte, das Inferno, welches für so einen Schaden verantwortlich war, zu überleben.
Hastig wandte sie sich ab und wischte entschlossen die Tränen fort, die bei diesem grässlichen Anblick unweigerlich in ihren Augen brannten. Dann atmete sie einmal tief durch und überquerte die Straße, mit der festen Absicht nun die Identität ihres Retters ein für alle Mal zu klären.
tbc
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No backward glances
FanfictionEin Mann, gezeichnet von einem grausamen Schicksal, gefangen in unendlicher Einsamkeit. Eine Frau, die alles zu tun bereit ist, um ihn aus diesem Elend zu befreien und ihm den Weg ins Licht zu weisen. Göttliche Einmischung, die alles durcheinander w...
