Erik fluchte unterdrückt, als er Katrinas davon eilender Gestalt hinterher blickte. Hastig schwang er sich aus dem Bett und begann sich wieder anzukleiden. Er schlüpfte in seine Hose und warf sich das Hemd über, ohne sich die Mühe zu machen es großartig zu zu knöpfen. Seine Gedanken überschlugen sich förmlich, während er in dieselbe Richtung rannte, in der sie verschwunden war.
Er musste sie einholen! So konnte sie nicht gehen, nicht nach dieser unvergleichlichen Nacht, die ihm mehr bedeutete, als er in Worte fassen konnte.
Was war nur in sie gefahren, dass sie so überstürzt aufbrach ohne ein Wort der Erklärung? Ohne ihm mitzuteilen, wann er sie wieder sah? Da stimmte etwas nicht. Es musste mit dem Geheimnis zusammenhängen, das sie wie ein dunkler Schleier umgab und ihren Geist ohne Unterlass zu peinigen schien.
Sie war von einer Sekunde auf die andere regelrecht panisch geworden, so als bliebe ihr nicht mehr viel Zeit. Ihre Flucht war so überstürzt gewesen, dass sie ihn damit völlig überrumpelt hatte. Wenn er doch nur schneller reagiert und sie aufgehalten hätte!
Der gequälte Ausdruck in ihren blau-grauen Augen, als ihre Lippen flüchtig die seinen streiften, hatte ihm einen kalten Schauer über den Rücken gejagt. Dort hatte so viel Verzweiflung und Schmerz gestanden, dass es sein Herz mit eisiger Furcht erfüllte.
Sie hatte Angst. Angst davor, dass er sie verachten würde, wenn er die Wahrheit erfuhr. Dass er sie danach nicht mehr wollte und sich voller Zorn von ihr abwandte. Ein unbegreiflicher Gedanke und doch empfand sie offensichtlich so.
Er verstand es nicht. Was konnte so furchtbar sein, dass sie derart reagierte?
Die jähe Angst sie zu verlieren, wenn er erfuhr, was sie vor ihm verbarg, schnürte ihm die Kehle zu und er war sich nicht mehr sicher, ob er es überhaupt noch wissen wollte. Es schien so schrecklich zu sein, dass diese sonst so starke und tapfere Frau bei dem bloßen Gedanken daran zu zittern begann.
Er blieb stehen und lehnte sich keuchend an die Wand, um wieder zu Atem zu kommen. Es war vergebens ihr noch hinterher zu jagen, sie war bereits fort und er hatte nicht die geringste Ahnung, in welche Richtung sie gelaufen war.
Ein gequälter Laut kam über seine Lippen und er sank langsam mit dem Rücken an dem kühlen Stein herab, den Blick verzweifelt ins Leere gerichtet. Um nichts in der Welt wollte er sich wieder von ihr trennen. Nicht wo er sich derart nach ihr verzehrte, dass es beinahe schon körperlich weh tat.
Den Moment, in dem sie ihm ihre Liebe gestanden hatte, würde er nie wieder vergessen. Sie hatte so verletzlich und rührend ausgesehen, einfach nur bezaubernd, wie sie ihn mit großen Augen anblickte, ihre Wangen nass von den Tränen, die ihre Haut benetzten. Ihr Geständnis hatte ihn zutiefst bewegt und Gefühle in ihm hervorgerufen, die so übermächtig waren, so beherrschend, dass er sie nicht zu benennen wagte.
Es schien unglaublich und doch zweifelte er nicht daran, dass sie ihn wahrhaft und aufrichtig liebte. Ihn das Monster, den vom Leben gezeichneten Mann, der nie zuvor hatte erfahren dürfen was Liebe und Geborgenheit bedeutete.
Sie hatte ihm ein Stück des Himmels geschenkt, hatte ihm ganz neue Welten eröffnet und ihm Dinge gezeigt, deren Herrlichkeit er sich nicht einmal ansatzweise hatte vorstellen können. Er würde alles tun, um diese Momente der puren Glückseligkeit zurückzuholen und auf ewig zu bewahren. Es mochte egoistisch sein, doch das war ihm gleich.
Katrina war sein Licht in der Dunkelheit, sein Stern, der mit seinem überirdischen Strahlen Wärme und unendliche Freuden verhieß. Er würde nicht zulassen, dass dieses Geheimnis, was auch immer es sein mochte, eine unüberwindbare Kluft zwischen ihm und seinem Engel schuf. Dazu brauchte er sie zu sehr, sehnte sich mit seinem ganzen Sein nach ihrer Nähe, dem neckenden Klang ihrer Stimme, ihrem sanften Lächeln.
Er stützte den Kopf in seine Hände und überlegte was er nun tun sollte.
War die Wahrheit über ihre Vergangenheit es tatsächlich wert, dass er seine Zukunft, sein Glück, aufs Spiel setzte? Oder sollte er besser davon ablassen herauszufinden was sie verbarg und das Ganze um ihrer beide willen auf sich beruhen lassen?
Wie sollte er sich entscheiden?
Ein zaghaftes Miauen riss ihn aus seinen finsteren Grübeleien und als er aufblickte, sah er Ayesha, die sich ihm zögernd näherte. Seine Miene wurde sanfter, als er betrachtete wie sie langsam auf ihn zu schritt.
Doch was war das? Wieso zog sie ihre linke Vorderpfote leicht nach?
Er runzelte besorgt die Stirn und streckte die Arme nach ihr aus. Vorsichtig hob er sie auf seinen Schoß und untersuchte mit kundigen Händen ihre Pfote. Sie versuchte schwach sich aus seinem Griff zu befreien, doch er ließ nicht zu, dass sie sich frei strampelte.
Seltsamerweise hatte er das Gefühl ein Déjà vu zu erleben. Hatte er nicht vor wenigen Stunden erst Katrinas Handgelenk auf vergleichbare Art und Weise untersucht? Bei ihr war es doch auch die linke Hand gewesen, die er letztendlich verbunden hatte. Oder täuschte ihn seine Erinnerung da?
Ein entsetzlicher Gedanke kam ihm, so unglaublich, dass er sich einfach irren musste. Er starrte die Katze, die ihm all die Jahre eine treue Begleiterin gewesen war, an, als würde er sie zum ersten Mal sehen, aufmerksam nach einem Zeichen dafür suchend, ob da etwas Menschliches an ihr war.
Einen Moment lang starrte sie mit ihren blauen Augen einfach nur zurück und er war fast geneigt zu glauben, dass seine Vermutung, so ungeheuerlich sie auch erscheinen mochte, der Wahrheit entsprach, doch dann zappelte sie wie wild herum und sprang von seinem Schoß. Das war eine so typische Reaktion für die kleine Siamkatze, die ihm nur allzu vertraut war und die sie immer dann zeigte, wenn ihr etwas nicht passte, dass er seinen jähen Gedanken rasch wieder verwarf.
Er lachte nervös.
Wie kam er nur darauf ernsthaft in Erwägung zu ziehen, dass Katrina und Ayesha, seine Ayesha, die er schon so lange kannte, seine einzige Freundin, ein und dieselbe Person waren? Das war doch absurd! Als ob so etwas möglich wäre!
Resolut schüttelte er den Kopf, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Es musste eine weitaus wahrscheinlichere Erklärung geben, eine die nicht so weit her geholt war. Während Ayesha sich an seinen Beinen rieb und er sie gedankenverloren streichelte, trug er in seinem Geist die Dinge zusammen, die er über Katrina wusste.
Fest stand, sie trat immer nur des Nachts in Erscheinung, tagsüber hatte er sie noch nie gesehen. Vorhin als ihr bewusst wurde wie nahe der Morgen bereits war, wurde sie von Panik ergriffen und konnte nicht schnell genug von ihm weg kommen, ganz so als dürfte sie einen bestimmten Zeitpunkt nicht verpassen.
Ein neuer Gedanke drängte sich ihm auf und dieses Mal war er geneigt diesem zu glauben, denn er war wahrscheinlich der naheliegensde und erschien ihm in vielen Punkten einfach logisch.
Sie war nicht frei.
Sie war verheiratet und konnte deshalb nur im Schutze der Dunkelheit das Haus verlassen und ihr Leben genießen. Und dann hatte sie ihn getroffen und sich in ihn verliebt wider besseren Wissens.
Sein Herz drohte zu brechen, als er daran dachte, dass es vielleicht einen anderen Mann gab, der sie so berührte, wie er sie berührt hatte, und ein brennendes Gefühl der Eifersucht bemächtigte sich seiner.
Er hörte auf Ayesha über das weiche Fell zu streichen und ballte die Hände zu Fäusten. Seine Miene war düster, als er sich erhob und zurück in sein Reich ging, die zierliche Siamkatze dicht auf seinen Fersen.
Er hoffte, dass er sich auch in diesem Fall irrte, denn er war nicht bereit diese wundervolle Frau mit einem anderen Mann zu teilen.
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No backward glances
ФанфикшнEin Mann, gezeichnet von einem grausamen Schicksal, gefangen in unendlicher Einsamkeit. Eine Frau, die alles zu tun bereit ist, um ihn aus diesem Elend zu befreien und ihm den Weg ins Licht zu weisen. Göttliche Einmischung, die alles durcheinander w...
