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📍Taehyung

„Hast du alles eingepackt?"
Als ich vom zweiten Stock zum Frühstück die Treppe runterkomme, steht Erik bereits vollbeladen am Eingang mit meiner Mutter.
„Jaaa. Alles da", antwortet er. Den Lacrossestick dreht er gelangweilt in seinen Händen.
„In Ordnung," sie öffnet ihm die Tür - „dann bis später."
„Tschüss!"

Die Tür fällt zu. „Oh Taehyung, du bist ja auch schon wach."
Ich hopse die letzen Stufen hinunter. „Ich konnte nicht mehr schlafen."
„Willst du vielleicht mitkommen? Dein Vater und ich fahren erst in einer halben Stunde los."

Lacrossespiele - öder geht's nicht. Aber die frische Luft auf dem Rasenplatz, möchte ich eigentlich nicht missen. „Warum eigentlich nicht, ja."

Haferflocken stehen bereits auf dem Tisch. Dazu eine leere Schale und ein Löffel auf meinem Platz. Ich schneide mir noch einen Apfel dazu und hole Sojamilch aus dem Kühlschrank und mein Frühstück ist fertig. Während ich esse, läuft meine Mutter in der Küche herum. Sie hat Muffins gebacken, die später am Spielfeldrand mit anderen Backwaren verkauft werden. Mit rotem Zuckerguss steht auf weißer Creme los Redwolfs. Das Spiel gegen die Liga-führenden aus der Hauptstadt ist enorm wichtig. Seungmin, fällt er mir ein, er spielt gegen seine alte Schule, falls er auf den Platz gelassen wird.

Um halb zehn sitze ich im Auto. Auf dem riesigen Parkplatz hinter dem Spielfeld parken wir und begeben uns zum Rasen. Es sind viele Leute gekommen: Schüler, Lehrer und Eltern von unserer sowie der gegnerischen Schule.

Ich bringe die Muffins für meine Mutter an den Stand, während sie und mein Vater sich mit anderen Eltern des Schulteams unterhalten.

Ich komme am langen Tisch an und gebe die Tupperbox ab. „Von meiner Mutter."
Die Frau hinter der Tischplatte bedankt sich bei mir.

Unbeholfen stelle ich mich auf die Spielfeldlinie und mustere den Platz. Das Team ist nirgends zu sehen, wahrscheinlich machen sie gerade eine Besprechung in der Kabine. Ich seufze, wie so oft. Es ist kalt, bei Kälte kriege ich schlechter Luft als im Sommer oder Frühling. Lass es doch schneller wieder Frühling werden, denke ich.

Mein Blick schweift über den dem Spielfeld angrenzenden Wald und seine kahlen Bäume. Lass sie doch schneller wieder blühen.

„Ich dachte du kommst nicht."
Erschrocken drehe ich mich zur Seite. Jungkook. Ich denke einfach nur Jungkook und meine Alarmglocken brüllen mich an. Mir sind bislang schon ganze zwei peinliche Sachen in seiner Gegenwart passiert und mit dem Ertappen in meinem Gedankengesäusel habe ich das Gefühl, das hört gar nicht mehr auf.

„Ich habe mich umentschieden", entgegne ich.
„Achso. Ganz spontan also."

Ich mustere ihn kurz und wende meinen Blick wieder von ihm ab. Die Kabel in meiner Nase sind mir mit einem Mal peinlich, genauso wie meine ungemachten Haare. Mir ist alles peinlich.

„Was tippst du?", fragt er. Tippen, als könne mir das heutige Spiel nicht noch egaler sein.
„Keine Ahnung."
„Ich habe für 5:7 gestimmt."
„Du glaubst wir verlieren?", frage ich.
„Vancouver ist die nächst-größte Stadt, da werde ich nicht auf uns setzen." Er sagt es ironisch, trotzdem schwingt etwas ernsthaftes bei. Etwas kalkuliertes, nicht so spontan, wie er sonst immer daherredet. Ich weiß nicht, warum mir das auf einmal so fremd vorkommt. Vielleicht mag ich, dass bei ihm sonst alles so ungezwungen ist.

„Du...", beginnt er. Wir stehen beide nebeneinander und sehen auf das Spielfeld.

Er nimmt sich Zeit, bis er weiterspricht. „Wenn ich dich nerve, dann sag mir das bitte." Ich drehe meinen Kopf zu ihm, doch er schaut weiter geradeaus. „Ich möchte nicht meine Zeit verschwenden."

Als seine Augen auf meine treffen, fühle ich mich wie elektrisiert. Eine Spannung aus mehreren tausend Volt, wie ein Stromschlag der durch meinen Körper schnellt. Aber es ist nur die Kälte, denn es ist Dezember, genau. Schal, Mantel und Pulli, doch ich fühle mich so kalt.

Dunkle Wolken ziehen am Himmel auf. Ein Tropfen, dann noch einer, bis es wie aus Eimern auf uns herabfällt und wir uns erst in der letzen Sekunde bewegen, als könnten wir für immer so verharren.

Unter der Tribüne sind wir allein. Die anderen Zuschauer flüchten sich in die Schule und treffen damit die bessere Wahl, denn hier ist es undicht. Es tropft auf uns herab, zwar nur langsam und vereinzelt, dennoch ist es ungemütlich. Jungkook schaut sich um. „So ein Mist", sagt er, wieder ganz der alte, würde ich sagen, wenn ich ihn lange kennen würde. Aber es ist nur seine Stimme, die wieder ein wenig heller klingt.

„Wie kommst du darauf, dass du mich nervst?", frage ich. Rasch sieht er mich an, die Augen immer in Bewegung, als wüsste er nicht Recht, wie er darauf antworten soll. „Versteh' mich nicht falsch, aber du bist nicht besonders aufschlussreich." Er stellt sich an den Rand des Tribünenuntergrunds und hält sich mit den Armen oberhalb am Geländer fest. „Ich weiß nie was du denkst. Du wirkst sehr kühl nach außen."

Kälte ist manchmal allgegenwärtig", sage ich frei raus.

Er legt den Kopf schief.

„Naja, in Alaska zum Beispiel. Dort ist es einfach kalt, immer."

Seine Lippen formen ein Lächeln. „Das ist ein sonderbarer Vergleich, Taehyung."

Der Regen plätschert laut auf die Erde. Eine Durchsage verlegt das Spiel auf 15 Uhr.

„Ich finde nicht, dass du mich nervst", sage ich irgendwann. Ich meine ihn lächeln zu sehen, breiter als zuvor.

Hitze | VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt