Hitze | Vkook

30

📍Taehyung

„Levender?"

„Wieso so überrascht? Hast du 'nen Geist gesehen oder was?

Seungmin blinzelt perplex von Levenders sarkastischen Worten.

„Ihr werdet es nicht glauben, aber Seungmin hat einen Hang dazu für Aufruhr zu sorgen."

„Warum nicht glauben? Ich glaube dir", sagt Jungkook. Erst jetzt fällt mir auf, dass meine Hände noch an seiner Brust verharren. Seine harte und warme Brust. Jungkook hat auch Lacrosse gespielt. In meinem Kopf siedelt sich schnell das Bild von Jungkook an, wie er im Kraftraum trainiert und in voller Montur über den Platz läuft.

„Was soll das jetzt heißen?", fragt Seungmin empört.
„So wie ich es sagte."
„Levender! Ich hab' dich in der letzten Klausur abschreiben lassen!"
„Na und! Ist doch nicht schlimm. Wir wissen doch alle, dass du 'nen klasse Kerl bist", - ich nicke aus Reflex leicht, doch Jungkook hält den Kopf still - „Du atmest und lebst halt eben Drama. Kein Wunder, dass du an der alten Schule vom Lacrosseteam liebevoll Gossip Girl genannt wurdest."

Nicht möglich es zurückzuhalten, prustet Jungkook vor Lachen. Ich habe Seungmin noch nie so perplex gesehen. Ich frage mich, ob er deswegen so auf Jungkooks fiktiven Gefühlen für mich rumritt.

Levender hat Recht. Manche Menschen lieben halt Drama.

„Musstest du das wirklich erzählen?", fragt Seungmin sauer.
„Warte. Ihr kennt euch?", fragt Jungkook.
„Natürlich kennen wir uns. Wir sind auf eine Schule gegangen, bevor ich vor zwei Jahren hierher gewechselt bin. Jetzt ist er auch da. Konntest wohl nicht mehr ohne mich." Levender grinst ironisch.

So langsam taut Seungmin auf. Sein Gesicht verzerrt sich nicht mehr vor Wut. „Jaja", er steht auf und klopft ihm auf die Schulter.

„Erzähl keinen Scheiß, ja?", befiehlt Levender.
„Es ist kein Scheiß. Taehyung hat es mir selbst gesagt", beschwichtigt er.

Auf einmal schauen mich alle an. „I-Ich habe das n-nicht so gesagt", stammle ich. „Ich hätte nie... nie-... Ich wollte ihm nur klarmachen, dass wir nur F-Freunde sind. Nichts weiter." Dem Freunde schwingt eine gewisse Unsicherheit bei. In der Art, wie ich es ausspreche. Wie eine Frage.

Für einen Moment starrt mich Jungkook resigniert an. Er schließt die Augen und lächelt in sich hinein, mit dem Kopf einmal, langsam nickend. „Natürlich", sagt er gemächlich. „Seungmin, mach dir keine Sorgen. Ich bedränge deinen Freund schon nicht", fügt er hinzu und schaut wieder auf.

„Dann wäre das geklärt, oder?", fragt Levender.

„Ja", antwortet Seungmin langsam und kratzt sich dabei am Hinterkopf. „Alles geklärt."

Levender hebt seine Hand, in der eine Skip-Bo Verpackung liegt. „Habt ihr Lust auf 'ne Runde?"

„Klar", antworten Seungmin und Jungkook zeitgleich. Ich fühle mich dazwischen wie hin- und hergerissen.

Seungmin ist witzig, nett und scheint gerne Zeit mit mir zu verbringen. Doch, dass er ausplappert, dass ich ihm bei der Exkursion um den See Ich habe Angst bedrängt zu werden, gesagt habe, mildert diese Eigenschaften auf ein Minimum.
Zumindest für heute Abend.

Außerdem ist es völlig aus dem Kontext gerissen, denn es war nichtmal auf Jungkook bezogen. Nur eine generelle Angst. In dem Moment dachte ich, es wäre richtig sie zu offenbaren. Zuvor erzählte er mir nämlich, von seinen. Dass er nach seinem Schulwechsel Angst hatte, keine Freunde zu finden. Warum wohl? Nach Levenders inside-Wissen wundere ich mich auch nicht mehr weshalb.

Dass ich nicht bedrängt werden will, bezieht sich auf meine lange Zeit, die ich krank zuhause verbrachte. Ich bin viele Menschen nicht gewohnt. Und einer der wenigen, die ich zu der Zeit kannte, hat nichts anderes gemacht, außer mir zu Nahe zu kommen. Viel zu nah. Viel zu oft.

„Ich kann kein Skip-Bo spielen", sage ich.

Wenn ich mich Menschen anvertraue, hat es also negative Konsequenzen. So eine Situation wie gerade folgt wohl daraus. Vielleicht ist das normal. Ich bin in gewisser Weiss kaputt, die Menschen um mich herum sind es aber nicht. Es bringt sie aus dem Gleichgewicht. Welch ganz normale Person sonst würde so etwas sagen?

Ich bin nicht normal. Ich habe Freunde und bin doch ein Außenseiter.

Ich habe Angst bedrängt zu werden.
Welcher Idiot sagt sowas?

„Wir zeigen dir schon wie es geht", entgegnet Seungmin. Ich versuche Jungkook in die Augen zu sehen, aber er erwidert meinen Blick nicht.

Habe ich etwas falsches gemacht?

📍Jungkook

Freunde sind wir also.
Du hast es entschieden
und ausgesprochen. Bei jedem weiteren Buchstaben hatte ich das Gefühl innerlich mehr und mehr zu zerbrechen.

Ich will alles andere als Freunde mit dir sein.

Und woher weiß Seungmin überhaupt, dass ich Tae mag? Das weiß doch niemand! Nichtmal ich selbst verfüge über vollste Sicherheit darüber.

Ich merke wie Taehyung mich ansieht, weiche seinem Blick aber bewusst aus. Was willst du sehen? Dass ich anfange zu weinen, weil du mich gefriendzoned hast?

Obwohl du damals so verräterisch auf meine Lippen gesehen hast. Du hast doch angefangen. Du bist am Spind zu mir gekommen, als ich es dabei belassen wollte. Du hast eingewilligt, mit auf den Weihnachtsmarkt zu gehen. Und du hast mir keine Wahl gelassen, als dich bei mir übernachten zu lassen.

Andererseits, helfe sein Bekenntnis eine mögliche Beziehung zwischen uns zu vertuschen.
Sofern er das wolle.

Warum faselst du von einer Beziehung Jungkook, wenn du gerade gekorbt worden bist?

Hat er uns gerettet oder in die Hölle gestürzt?

Ich weiß es nicht. Gerade will ich es nicht wissen.

Wir setzen uns in einen Kreis. Der Boden ist kühl. Ich würde Taehyung gerne eine Decke oder eine Jacke zum Raufsetzen holen, doch nun ist mir die Lust vergangen. Freunde. Er denkt, wir wären Freunde. Nur Freunde.

Wie es der Zufall will, sitzen wir nebeneinander. Levender und Seungmin sind zu beschäftigt damit ihre Kartenmischtechniken auszutauschen, als dass sie uns beachten. Für einen Moment warte ich noch darauf, dass sie sich zu uns wenden. Doch sie sind viel zu sehr in ihr Gespräch vertieft.

„Taehyung", sage ich mit gedämpfter Stimme.
Er schielt zu mir. Sein Rollkragenpullover, mit viel zu weitem Stehkragen, verrutscht dabei. Er ist zu unvorsichtig. Ich erhasche einen Blick auf den Ansatz seiner dunklen ‚Behandlungs'male.

Du willst, dass ich nicht mehr den Nice-Guy spiele?
Dann kannst du das haben.
Und ich nehme die Freundschaft.

Und die Wahrheit.

Ich bewege mich langsam und unauffällig mit dem Mund an sein Ohr. „Wunderschönster Mensch, hmm?", flüstere ich nur ironisch. Denn du hast es wohl als Scherz gemeint, hmm?

Er zuckt zusammen.

Rechtzeitig löse ich mich von ihm.
„Jeder 30 Karten, los geht's", eröffnet Levender das Spiel.

„Ich weiß immer noch nicht, wie das geht", murmelt Taehyung hilflos.
„Ich zeig's dir", sage ich sanft. Meine rechte Hand fährt über seinen Rücken, die Finger auf ihm laufend, während ich näher an ihn ranrutsche und die Hand an seine Seite lege. Stets bemüht nicht bemerkt zu werden, bevor Seungmin wieder etwas sagt. Ich spüre, wie er nervös flirrt. Die Härte seiner Rippen. Ihn. Ich berühre ihn. Zwar durch Stoff hindurch, doch ich tue es.

Ich muss mich konzentrieren, um ihm alles genau zu erklären und darf mich nicht davon ablenken lassen.

Ich ziehe meine Hand von seinem Oberkörper als ich fertig bin.

Das Spiel kann beginnen.