📍Jungkook
Taehyung steht unvermittelt in der Gegend rum. Keine Blickrichtung, kein Rühren oder irgendein anderes Lebenszeichen.
Bis wir unsere Betten beziehen können, spazieren die anderen Schüler zum Eiswagen. Ich merke, dass Seungmin genauso wie ich Taehyung beobachtet. Dann schließt er sich aber doch den anderen an.
Schon im Bus saßen sie nebeneinander. Nur Freunde, denke ich. Ich sollte mich eigentlich für Taehyung freuen, denn üblicherweise ist er nicht sehr sozial. Zumindest ist es das Bisschen nicht, was ich von ihm kenne.
Ohne lange darüber nachzudenken (obwohl ich das gerade wahrscheinlich tue), bewege ich mich zu ihm. Als er mich erblickt, erschreckt er ein wenig. „Hey", sage ich nur.
Sein Schal weht im ziehenden Wind. Die Kälte des 15. Dezembers macht seine Haut weiß, wie Porzellan.
„Hey", erwidert er und mustert seine Schuhe.„Auf der Rückfahrt will ich neben dir sitzen", sage ich drauflos. Monoton. Beiläufig. Entschlossen. Es klingt eher wie ein Befehl als eine Bitte. Er schaut zu mir auf. Es ist wie ein Erfolgserlebnis, ihm ins Gesicht zu sehen, denn er wendet es häufig in eine andere Richtung. Er wirkt wenig begeistert von meinem Wunsch. Bedrängend, kommt es mir noch in den Kopf.
„Jungkook." Er bringt zuerst nur meinen Namen hervor, als würde es ihm schwerfallen weiterzusprechen. Aber nicht, weil es eine solch unangenehme Frage ist, sondern weil sie ihn beschäftigt. So sehr, dass der Satz komisch aus seinem Mund klingt.
„Was ist das zwischen uns eigentlich?"
„Ähh-... da fragst du den falschen", entgegne ich nervös lachend. Ich weiß es doch auch nicht.
„Ich verstehe es nicht. Das macht mir Angst", sagt er.
„Mir auch."
Hellhörig werdend, weiten sich seine Augen. Der Wind saust durch den Wald und erzeugt ein lautes säuselndes Geräusch, das an uns vorbeizieht.
Bevor ich mich erklären kann, kommt Seungmin zu uns angelaufen. Langsam fängt mich dieser Typ an zu nerven. „Steht's noch, dass wir auf ein Zimmer gehen?", fragt er überaus... glücklich. Sein Lächeln haftet an ihm, wie jedem ein Arm oder eine Nase. Es gehört einfach zu ihm. Ohne es, funktioniert er nicht; aber Taehyung funktioniert auch ohne eine vollfunktionstüchtige Lunge.
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, erblich.
Vererbt. Taehyung ist von Geburt an krank. Er ist von seiner ersten Sekunde an dazu auserkoren worden. Ihm haften die Lungengewebe-zerstörenden Proteasen an, wie Seungmin seine freudige Art.„Ja, klar", antwortet Taehyung zögernd.
Seungmins Blick trifft mich. „Tut mir Leid Kumpel, es gibt nur Doppelzimmer."
„Kein Ding", entgegne ich gekonnt gelassen. Den bitteren Beigeschmack kennt man mir aber ab.
Kumpel, ich bin alles aber nicht dein Kumpel.
...
Haare raufend beziehe ich ein Zimmer mit Levender. Die ganze Zeit über steckt er seine Nase nur in Bücher. Er ist nur wenig gesprächig. „Ich gehe raus, den Flur erkunden", sage ich.
Er nickt nur, seinen Mund verlässt ein desinteressiertes tschüss und er bleibt weiterhin auf seinem Bett sitzen.Ich luke in jedes unserer Nachbarzimmer hinein, dessen Tür offen steht. Und vielleicht ist es nur pures Glück, doch drei Zimmer neben meinem, entdecke ich durch einen Türspalt, nach wem ich suche.
„Jungkook? Was machst du hier?", fragt mich Tae überrascht und tritt an den Eingang.
„Ich wollte sehen, ob du Hilfe brauchst. Beim Beziehen, oder so." Ich versuche an ihm vorbei zu luken. „Ist Seungmin da?", frage ich.„Anwesend!", höre ich aus dem Zimmer.
„Ja, ist er", bestätigt Tae kurz darauf. Er wirkt nicht begeistert von meinem Tun.„Ich brauche deine Hilfe nicht", murmelt er auch schon mit gesenktem Ton, sodass Seungmin uns nicht hört. Unterschwellig leitet er auch mich an, leiser zu sprechen.
Ich stütze meinen Unterarm über den Kopf, seitlich gegen den Türrahmen. Er folgt meiner Bewegung. Für eine ganze Weile lasten seine Augen auf meiner Brust. „Taehyung", bringe ich nur hervor.
Er wartet einen Moment. „Wir können nicht einfach immer nur unsere Namen sagen. Das bringt nichts."
„Was soll es denn bringen? Was willst du, dass es bringt?"Seungmin taucht hinter ihm auf. Die Augenbrauen zusammengekniffen, mustert er uns. „Was flüstert ihr hier?"
Ich senke meinen Arm.
„Nichts", entgegnet Tae schnell. Sein Zimmergenosse zuckt mit den Schultern und verschwindet wieder.
„Tschüss, Jungkook", sagt Tae mit normaler Lautstärke. Dann schließt er die Tür vor meiner Nase zu.
Nachdenklich schlendere ich durch den Flur. Was willst du, dass es bringt?
Was ich will?, hätte er fragen können. Sag mir erst, was du willst.
Ich weiß es nicht, hätte ich geantwortet. Die billigste Ausrede dafür, dass man die Antwort doch irgendwie in sich trägt. Und das tue ich, glaube ich. Zumindest bin ich mir ganz sicher, meine Bedenken wegen Erik loszulassen. Über das Bord meiner Gedanken zu werfen, in das Meer der vergessenen Erinnerungen. Das tue ich, ja.
Es ist mir egal, ob du sein kleiner Bruder bist.
Ich werde dich noch für mich gewinnen.

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Hitze | Vkook
FanfictionLuft, Sauerstoff, Co2 - etwas, das jeder Mensch zum Leben braucht. Taehyung fehlt es, denn er ist krank. Kalt - Das ist das Erste, was Jungkook über seinen neuen Mitschüler denkt. Der aufgeschlossene neunzehnjährige ist fasziniert von ihm, nicht zu...