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📍Jungkook

Habe ich jemals jemanden getroffen, der so unfreundlich wie Taehyung ist? Nein. Kein Dankeschön, keine Verabschiedung. Nur ein starr vor sich hinblickender Künstler. Das Fach habe ich eh nie gemocht.

Eriks Bruder. Erik sieht aber ganz anders aus als er. Es ist offensichtlich, dass er adoptiert ist. Aber warum habe ich verdammt nochmal nie, aber wirklich nie von ihm gehört? Was soll es mich kümmern? Ich sollte mir keine Gedanken darüber machen. Dabei habe ich ihn doch gerade deswegen im Kunstraum gefragt, um mir keine Gedanken mehr darüber zu machen.

Aus der Schule raus, umhüllt mich die Kälte des angebrochenen Dezembers. Meine Hände verstecke ich in den Jackentaschen meines Parkas. Beim Atmen bildet sich vor mir weißer Rauch.

Die Langeweile der Wartezeit an der Busstation, überschlage ich dann doch, indem ich meine Gedanken wieder zu Taehyung schweifen lasse. Siebzehn, damit ist er zwei Jahre jünger als ich. Er sieht auch so aus. Wenn ich mit ihm Spreche, muss ich zu ihm runterschauen. Es sind nur geringe Zentimeter, die uns voneinander trennen und nichtmal eine Abwärtsbewegung meines Kopfes erfordern. Trotzdem, denke ich. Genauso wie seine Einwort-Antworten. Ja, ja, ja. Im Vergleich zu seinen ausschweifenden Erklärungen in Bio wirken sie unnatürlich. Wahrscheinlich hat er einfach kein Interesse daran sich mit mir zu unterhalten.

Wahrscheinlich bin ich das Problem.
Wahrscheinlich muss ich das akzeptieren.

Der Bus kommt und ich steige ein. Im hinteren Teil suche ich mir einen Platz am Fenster aus und stecke mir meine Kopfhörer ein, nachdem ich die viel-zu-große und unhandliche Kunstmappe vor mir platziere. Aus der Scheibe gleitet mein Blick und ich lehne meine Stirn an das kühle Glas. Häuser und Straßen ziehen vorbei, alle gehüllt in eine dicke Schneedecke. Lichterketten verzieren Hauseingänge und Gartenzäune, um 17 Uhr gehen bereits die Straßenlaternen an. Meine Mutter sagt immer, dass es hier so anders aussieht, als in Korea. Ich fragte wieso?, und sie antwortete, dass dort alles viel enger und schnelllebiger sei.
Das stelle ich mir bedrückend vor, entgegnete ich.
Sie verneinte, das ist es nicht, es ist Heimat. Aber hier sei meine Heimat.

Als ich fünfundzwanzig Minuten später Zuhause ankomme, ist es stockdunkel. Die Schuhe streife ich an der Fußmatte zu unserer Wohnung ab und grabe meinen Schlüssel aus der Jackentasche. „Hallo Jungkook", begrüßt mich meine Mutter über den Flur. Ich stelle meine Mappe und den Rucksack ab. In der Küche entdecke ich sie am Herd, mit dem Kochlöffel in einem Topf rumrührend.
„Hallo Mama."

„Wie war die Schule?"
Unter dem Wasserhahn schenke ich mir Wasser ein und lasse mich am Esstisch nieder.
„Gut." Ich nippe an meinem Glas.
„Ist irgendetwas spannendes passiert?", fragt sie.
„Nichts besonderes." Ich nehme noch einen Schluck. Nichts besonderes.

Wir essen gemeinsam zu Abend und ich erzähle ihr vom Biounterricht und, dass bald die nächste Klausur ansteht. „Du musst dich gut vorbereiten", sagt sie.
„Ich weiß, ich weiß."

In meinem Zimmer werfe ich meine Schultasche neben mein Bett und lasse mich auf die Matratze fallen. An meinem Handy scrolle ich durch den Instagramfeed. Aus einer Lust heraus, gebe ich Taehyungs Namen in der Suchzeile ein, als nichts kommt tue ich es nochmal mit Eriks Nachnamen. Taehyung Carterfield. Klingt ungewöhnlich.

Ich finde einen Account mit passendem Nutzernamen: @taehyungcxfield . Privat, mist. Doch das Profilbild kann ich sehen. Ich halte mein Handy nah vor meinen Augen. Taehyung mit grauem Mantel und Schal, bis zu den Ellenbogen von der Seite fotografiert. Der Kopf ist gesenkt, seine Lippen formen ein schüchternes Lächeln, während er die Augen ein wenig zusammenkneift. Süß.

Hitze | VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt