📍Jungkook
Zuhause in meinem Zimmer denke ich nur an Taehyung. Es ist, als würde sein Name an jeder Wand stehen, völlig unausweichlich.
Was habe ich nur getan?
Ohne lange darüber nachzudenken, stehe ich auf und begebe mich schnellen Schrittes an unsere Eingangstür. „Mama, ich muss nochmal los", rufe ich durch die Wohnung, während ich meine Schuhe anziehe. Ich nehme meine Jacke vom Hacken und gehe auch schon los. „So spät noch?", höre ich meine Mutter noch, aber die Tür schließt sich. Das Treppenhaus eile ich hinunter und muss sprinten, um den Bus noch zu bekommen, der gerade an der Haltestelle steht.
In ihm angekommen, versuche ich meinen schnellen Atem zu unterdrücken, da mich Leute schon anstarren. Mein Herz rast vor Spontanität. Doch ich muss damit abschließen. Davor kann ich nicht für dich dasein.
Ich öffne auf mein Handy. 19:03 Uhr, Freitag, 19. Dezember. Montag schreibe ich noch eine letzte Klausur, dann sind Ferien. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen heute noch ein wenig zu lernen, aber andere Dinge haben nun Priorität.
Nach einigen Stationen, die sich der Bus in der Dunkelheit fortbewegt, komme ich an der Schule an. Es kostet mich innerliche Kraft auszusteigen und mich in Richtung der Sporthalle zu bewegen. Das Lacrosseteam hat noch Training, deswegen ist das Licht an und die Tür auf, die ich hindurchgehe. Über die hohen Tribünenränge umkreise ich die Spieler unten, die mich nicht bemerken. Quietschende Hallenschuhe erfüllen den Raum, ebenso wie Rufe und angestrengtes Atmen. Ich lasse mich auf einem Sitz nieder.
Fünf Jahre lang, bin ich hier fast jeden Tag hergekommen. Habe trainiert für etwas, das nie eingetroffen ist. Was hat es mir also gebracht? All die Jahre?
Ich beobachte Seungmin, wie er sich angestrengt auf die Bank setzt und dennoch ein Lächeln auf den Lippen trägt.
Vielleicht war Lacrosse einfach nicht für mich. Und ich nicht dafür. Vielleicht, wollte mich meine Mutter nur davor beschützen?
Das eigentliche Wesen des Ehrgeizes ist nur der Schatten eines Traumes.
Vielleicht, wäre es immer nur ein Traum geblieben.
Genauso war es, als ich noch jünger war und hoffte, dass meine Eltern irgendwann wieder zusammenkommen. Dass mein Vater eines Tages vor unserer Wohnungstür aufkreuzt, um mich in seine Arme zu schließen. Nur ein Traum. Heute wäre es mein Albtraum.
Wenn ich genauer darüber nachdenke, gefällt es mir so, wie es jetzt ist. Ich bin gerne der Weltverbesserer Jungkook und nicht mehr der Alleskönner im Team.
Ich bin gerne dein Weltverbesserer Jungkook.
Taehyung.
Erik steht am Rande des Platzes und trinkt gerade etwas. Ich muss ihn fragen, ob Taehyung zuhause ist. Ich könnte noch einen Abstecher machen und ihm sagen, dass ich mich nun bereit fühle.
Ich habe keine Angst mehr. Dinge kommen und gehen, aber der Moment ist es, der zählt. Und das ist unserer.
Ich werde das nicht vermiesen.
„Erik!", spreche ich ihn an, als ich zu ihm laufe.
Er dreht sich um und mustert mich überrascht. „Was machst du hier? Willst du wieder spielen?", fragt er.
„Nein, nie wieder, Erik. Aber ich muss dich was fragen."Er nimmt noch einen Schluck aus seiner Trinkflasche. Der Schweiß läuft ihm übers Gesicht.
„Ich würde dich ja fragen, warum du so euphorisch bist, aber ehrlich gesagt ist mir das Training gerade wichtiger. Schieß los."„Weißt du, ob Taehyung zuhause ist?"
„Warum interessiert dich das?", fragt er mit plötzlicher Kälte.Ich bin so überrascht davon, dass ich für einen Moment keine Wörter finde. „Ich-... bin mit ihm befreundet. Erik, hör zu-..."
„Nein, du hörst mir mal zu", unterbricht er mich und packt mich unsanft am Ärmel. „Solltest du irgendwas von meinem Bruder wollen, entscheidest du dich da für die falsche Seite."
„Seite? Ich werde doch nicht zwischen euch wählen. Was redest du da für einen Blödsinn." Perplex schüttle ich ihn ab.
„Warum bist du überhaupt mit ihm befreundet? Findest du was an ihm?", fragt er.Bevor ich antworten kann, zerrt Seungmin an ihm. „Ohne dich können wir nicht weiterspielen, also bring das zuende, ja?"
Erik atmet genervt auf. „Wenn du es unbedingt wissen willst: Er ist im Ortskrankenhaus. Die lassen keine unangemeldeten Besucher rein."
„Wer?", fragt Seungmin.
„Ist nicht so wichtig."Beide verschwinden auf die Spielfläche. Erik schaut mich noch für einen Moment warnend an, dann wendet auch er sich ab.
Krankenhaus. Scheiße.
Ich schüttle alles von mir ab. Die Tatsache, dass sie keine unbekannten Besucher zulassen. Eriks überaus komisches Verhalten. Die späte Uhrzeit. Stattdessen laufe ich nur aus der Sporthalle raus zur Busstation. Auf den Bus muss ich eine Viertelstunde warten. Ich kriege die Krise.
Erst als ich im Innenraum sitze und er losfährt, schaffe ich es einen klaren Gedanken zu fassen. Taehyung hat mir im Restaurant erzählt, dass er in letzter Zeit öfter Anfälle hat. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung. Nicht heilbar, gradual schlimmer werdend, erblich.
Meine Proteasen zerstören mein Lungengewebe.
Ich rede nicht gerne darüber, das habe ich schonmal gesagt. A-Aber ich-... Ich fühle mir dir so nah, Jungkook, ich weiß nicht wieso.
Deswegen will ich dir wahrscheinlich auch sagen, dass chronisch bedeutet, d-dass es nicht besser wird. E-Es wird n-nie besser werden, niemals. V-Verstehst du das?
Oh Taehyung. Lass es bitte nichts schlimmes sein.
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Hitze | Vkook
FanficLuft, Sauerstoff, Co2 - etwas, das jeder Mensch zum Leben braucht. Taehyung fehlt es, denn er ist krank. Kalt - Das ist das Erste, was Jungkook über seinen neuen Mitschüler denkt. Der aufgeschlossene neunzehnjährige ist fasziniert von ihm, nicht zu...