📍Taehyung
Mit Jungkook zu arbeiten ist nicht, wie ich mir meinen Morgen vorgestellt habe. Nicht nach gestern, nicht nach Freitag.
„Warum sind deine Augen so dunkel?"
Ich löse mich vom Okular. Es ist das erste Mal, dass ich ihn anschaue, seitdem wir so nebeneinandersitzen. Doch ich sehe gleich wieder weg. „Schlecht geschlafen", antworte ich. In Wahrheit sind es aber Tabletten. Etliche Atemwegs-erweiternde Tabletten und Tabletten, die entzündungshemmend wirken. Ich hatte mich an die Hoffnung festgekrallt, dass es niemand merkt.
Ich wende mich von ihm ab und schlage meinen Block auf, um etwas zu notieren. Nur Pflanzenzellen: Vakuole, Chloroplasten.
„Darf ich dich fragen, was du hast?", fragt er vorsichtig. Ich halte inne. „Wegen den Schläuchen", erklärt er. Schläuche, die Kabel.
Flüchtig sehe ich nochmals in das Mikroskop, ehe ich noch etwas aufschreibe. Zellwand.Ich will schon wieder seufzen, weil er mich nervt.
„Ich rede nicht gerne darüber", sage ich schließlich.
Ich lege den Stift auf das Blatt und sehe geradeaus. Auf der Tafel bereitet Frau Cederwood die Ergebnisssammlung vor. „Du kennst sie eh nicht."
„Was?", fragt er perplex.
„Die Krankheit. Diese Information bringt dir nichts, wenn du sie nicht verstehst."
„Ich kann googeln."
„Das könntest du."
„Aber du sagst es mir trotzdem nicht?"Aus Protest heraus, antworte ich nicht mehr. Jungkook sagt auch nichts mehr. Er gibt keinen Kommentar ab, wie das ist doch bescheuert oder ich respektiere deine Entscheidung (oder etwas anderes sülzig-mitfühlendes), noch bespricht er die Unterschiede von Tier- und Pflanzenzellen mit mir.
Als wir den Raum zur Pause verlassen, geht er schweigend an mir vorbei. Ich sehe seinem Rücken nach, wie er stratzt und die Treppe hinauf verschwindet. Vielleicht hat er es nur eilig, sage ich mir.
Den Rest des Tages bekomme ich ihn nicht mehr zu Gesicht. In der Mittagspause stehe ich allein mit meinem Tablett am Abholschalter. Zwischen den vielen langen Tischen, fühle ich mich kurzzeitig verloren.
„Du bist der aus Kunst, richtig?", spricht mich jemand an. Ich drehe meinen Kopf und sehe Seungmin mit Tablett in den Händen neben mir stehen. Er hat auch die vegetarische Variante gewählt.
„Ja, ich heiße Taehyung."Er sieht sich um. „Hast du auch niemanden, mit dem du essen kannst oder bin nur ich so einsam?" Er meint es witzig und lächelt gleich.
„Nein, ich habe auch niemanden", antworte ich etwas unbeholfen.„Kann ich mich dann zu dir setzen?"
„Ja, klar."Ich gehe voran und lasse mich an einem Tisch am Fenster nieder, Seungmin vor mir.
„Ich bin neu hier", erzählt er, während er in seinem Essen rumstochert.
„Seit wann?"
„Einer Woche. Ich bin hergezogen, aus Vancouver. Mein Vater hat hier Arbeit gefunden." Mit dem Löffel nimmt er einen Bissen. Ich frage mich, ob er auch lieber mit Stäbchen essen würde. Ob er deshalb nur den Löffel benutzt, weil er Besteck genauso wenig mag wie ich.„Das ist weit", erwidere ich.
„Ja, aber ich mag es hier." Seungmin lächelt, dann kaut er weiter.
„Dann, Willkommen an der Schule."
„Danke."Seine wenigen Freunde, die er bereits hat, sind genauso wie meine krank. „Grippewelle", erklärt er. „Das geht gerade rum, vor allem im Dezember."
...
Es ist erst Dienstag und die Woche fühlt sich schon jetzt ellenlang an. Ich bin müde und geschafft als ich die Schule verlasse und meinen Schal um meinen Hals wickle.
Ich sehe auf mein Handy. Es ist 16:03 Uhr. Arzttermin, Herr Doktor Dester, 17:00 Uhr. Der Kalendereintrag ploppt schon den ganzen Tag auf meinem Sperrbildschirm auf.
Auf dem Parkplatz entdecke ich sofort den dunkelblauen Mercedes meiner Mutter. Ich öffne die Beifahrertür und lasse mich neben ihr nieder. Mit einem Lächeln begrüßt sie mich. „Wie geht es dir? War die Schule anstrengend?", fragt sie gleich. Ich stelle meinen Rucksack in den Fußraum. „Gut und nein, es war ok."
„Ich habe dir was zu trinken mitgebracht." Sie greift in ihre Seitenablage und zieht einen Kaffeebecher hervor. „Es ist Ingwertee mit Honig."
Ein Erkältungsgetränk. Jetzt wo ich wieder zur Schule gehe, hat sie wohl Angst, dass ich mich irgendwo anstecke. „Vorbeugend, außerdem ist das gesund", erklärt sie.Ich will keinen Protest einlegen, deshalb nicke ich einfach nur und ziehe den warmen Pappbecher in meine Hände.
Es braucht uns eine Dreiviertelstunde bis wir ankommen und es dunkel wird. Auf dem Weg in die Praxis werfe ich den leeren Pappbecher in einen Mülleimer.
„Wir treffen uns in einer Stunde, ich warte hier auf dich", sagt meine Mutter. Bei den ersten Malen saß sie noch dicht neben mir oder wartete im Wartezimmer auf mich. Mittlerweile sind es jedoch so viele Termine, dass sie stattdessen im naheliegenden Supermarkt einkaufen geht oder sich in einen Coffeeshop setzt, um zu arbeiten.
„In Ordnung, bis dann." Zum Abschied winke ich ihr, ehe sich die Fahrstuhltüren schließen und ich hochfahre. 5. Stock, Facharztpraxis für Pneumologie. Lungenkrankheiten. Als ich das erste Mal mit acht Jahren hier war, habe ich das Wort nicht verstanden. Ich konnte es nichtmal aussprechen, als ich meine Mutter danach fragte. Du atmest doch immer so schlecht, Taehyung, hat sie zu mir gesagt. Wir sehen nach, was es ist, ok?
Ok, habe ich geantwortet und ihre Hand gegriffen.„Taehyung Carterfield", melde ich mich am Schalter an.
„Sie können gleich durch."
„Danke." Ich will mich verbeugen, lasse es aber. Eine koreanisch-asiatische Höflichkeitsfloskel. Diesen Drang spüre ich immer wieder, obwohl ich schon die längste Zeit meines Lebens hier bin.Ich klopfe an Herr Doktor Desters Tür und trete ein. „Hallo Taehyung!", begrüßt er mich.
„Guten Tag."
„Du bist früh dran."
Ich sehe auf die Wanduhr. 16:54 Uhr. „Ich komme nie zu spät."
„Nein, das tust du nicht." Die Freude in seiner Stimme verfliegt gleich und der Ernst beginnt.—
Heyho, hier melde ich mich (@hyunjipn) mal!
Ich richte mich an euch meine Leser und frage: wie gefällt euch „Hitze" und das Konzept der Geschichte bisher? Ab jetzt kommen Updates übrigens alle paar Tage, ich rechne mit 2-4 pro Woche.゚:*
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Hitze | Vkook
FanfictionLuft, Sauerstoff, Co2 - etwas, das jeder Mensch zum Leben braucht. Taehyung fehlt es, denn er ist krank. Kalt - Das ist das Erste, was Jungkook über seinen neuen Mitschüler denkt. Der aufgeschlossene neunzehnjährige ist fasziniert von ihm, nicht zu...