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📍Jungkook

Bis zum Ortskrankenhaus fahre ich lange. Obwohl das Wort Ort in ihm vermitteln sollte, dass es inmitten unserer Kleinstadt liegt, befindet es sich fast außerhalb. Deshalb steige ich erst an der Endstation aus.

Ich kenne mich nicht aus und musste im Bus zwischendurch sogar einmal googeln, um sicherzugehen, dass ich im richtigen Bus bin. Trotzdem stratze ich so schnell ich kann hinein. Am ersten Schalter den ich sehe, muss ich hinter einem alten Mann warten, bis ich drankomme. In dem kleinen Krankenhaus dürften nicht viele Patienten liegen. Deshalb schätze ich meine Chancen größer ein, mit der kleinen dicken Frau am Schalter auf jemanden zu treffen, der weiß, von wem ich rede. „Befindet sich bei ihnen ein Taehyung Carterfield?"
Die Frau schaut mich perplex an. „Auch wenn ich das spontan wüsste, dürfte ich Sie ohne Einladungshinweis nicht zu ihm lassen."
„Ich bitte Sie, es handelt sich um einen Notfall!", sage ich theatralisch. Wohl ein bisschen zu laut, denn einige Krankenschwestern schauen die kleine Frau mitleidig an.
„Mit Ausnahmen gäbe es keine Regeln mehr, verstehen Sie? Wenn ich Sie durchlasse, wollen das irgendwann alle."
„Ich bin aber nicht nur irgendein Sie. Können Sie", ich lese ihr Namensschild - „Frau Roseheim, mir immerhin sagen, ob es ihm gut geht?"
Abfällig schnaubt sie. Hinter ihr fällt mir ein Plakat ins Auge. Ortskrankenhaus, darunter Freundlichkeit, Nettigkeit, unsere Patienten und ihre Angehörigen sind unser wichtigstes Gut. Sie folgt meinem Blick. „Ich sehe, was ich machen kann."

Ja! Sie tippt auf der Tastatur des Computers vor ihr herum. „Taehyung Carterfield. COPD-Patient. Ist aber hier wegen-... einer Panikattacke und folglichem Lungenversagen. Zimmer 8a bei den Intensivbetten." Sie schaut auf. „Reicht Ihnen das?"
Lungenversagen. Verdammt.
„Kann ich ihn besuchen?"
„Nein."
„Warum nicht?"
„Sie müssen sich vorher anmelden."
„Dann melde ich mich jetzt eben an."
„Es kann sein, dass Sie lange warten müssen."
„Dann fragen Sie ihn doch gleich, sofern er nicht schläft. Oder, liegt er etwa im Koma?"
„Er liegt nicht im Koma, Sir. Beruhigen Sie sich bitte. Hinter Ihnen warten auch noch Leute."
„Erst will ich dieses Formular. Bitte."

Sie schnaubt nochmals und begibt sich zu einem hohen Regal. Aus einem Ordner zieht sie ein doppelseitiges Blatt Papier heraus und überreicht es mir. „Nächster bitte!"

Ich setze mich in den Wartebereich. Neben meinem Namen und meiner Adresse, muss ich unnötige Fragen beantworten wie: Blutgruppe, Weisen sie eines der folgenden grippeähnliche Symptome auf? und Haben Sie sich heute sportlich betätigt?

A, nein und nein, wenn man meinen Marathon hierher nicht mitzählt. Ich lege es nur auf den Tresen, da die Frau noch immer mit anderen Besuchern beschäftigt ist.

8a. Ich sehe ein Schild an der Treppe mit der Aufschrift: Intensivsttion - 1-26 a,b,f. Taehyungs Zimmer muss dort oben sein. Ich sehe wieder zum Tresen. Mein Zettel liegt da noch immer unberührt. Das kann noch ewig dauern.

Unauffällig schleiche ich mich die Treppe hoch, vorbei an Krankenschwestern und Pflegern, die mich allesamt ignorieren. Die würden wohl nie vermuten, dass sich jemand hochschmuggelt. Hektisch suche ich nach dem richtigen Zimmer. 4, 5, 6 und 7, aber 8 ist hier nicht. Es muss im nächsten Flur sein. Also wieder zurück zur Treppe und in die andere Richtung. Da! Ganz vorne, 8a.

Die Tür ist einen winzigen Spalt weit geöffnet. Ich mache keine Anstalten vorher zu klopfen und gehe einfach hinein.

Taehyung sitzt auf dem rechten der beiden Betten und hat das Glück, sich den Raum mit niemandem teilen zu müssen. Er trägt keinen Rollkragenpulli, sondern ein loses weißes Krankenshirt und eine weiße Hose, die mich alles sehen lassen. Griffspuren an den Fußgelenken und den Handgelenken, stark verblasst, doch unsichtbar werden sie wohl nie sein. Die Flecken am Hals, sind besser geworden und doch alarmierend. Jetzt bei den hässlichen Flutlichtern (die nur so nach Krankenhaus schreien), nehme ich sie ganz anders wahr. Sie sind nicht wirklich blau und violett, sondern eher rötlich und linienhaft. Wie Fingerabdrücke. Lange Finger, die sich um ihn legten. Bei dem Gedanken bekomme ich das Kopfkino eines stöhnenden Taehyungs, der eine unbekannte Gestalt darum anbettelt ihn doch bitte zu würgen. Nur schön fest, sodass es richtig wehtut.

Gerade kann ich kaum glauben, dass du darauf stehen sollst. Nicht so hilflos du nun hier sitzt und abwesend auf deine Hände starrst.

Seine nackten Füße liegen ausgestreckt auf der Matratze. Hingegen sehe ich sein Gesicht fasst gar nicht, denn es ist dunkel und doch blass. Als er aufschaut, starrt er mich einfach nur an und ist wieder so unleserlich, wie die meiste Zeit.

Wie angewurzelt stehe ich neben der Tür und bringe kein Wort hervor.

„W-Was machst du hier?", fragt er leise und heiser, als hätte er nicht genügend Kraft, seine Stimme zu heben.

Hitze | VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt