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📍Taehyung

Ein Tag bis zur Wende.

Ich kann nicht glauben, wofür ich gerade im Bus stehe und warte, dass die Zeit schneller vorbeigeht und mich rascher zu Jungkook bringt. Erik übernachtet bei einem Freund, nach ihrem Lacrossetraining, und meine Eltern flogen spontan an die Westküste, um sich eine mögliche Sommerimmobilie anzusehen. Es war so komisch, als sie mir und Erik vorgestern Abend davon erzählen. Nebeneinander verharrten wir in der Küche. Mich überkam dieses immer dagewesene Gefühl der Angst und Panik neben ihm. Dass solange er da ist, ich nie Ruhe finden werde. Dass, obwohl er mir vor unseren Eltern nichts antun würde, mein Körper sich dennoch fürchtet. Jeder Zentimeter zwischen uns ist einer zu viel.

Gleichzeitig war es aber auch anders als zuvor. Nicht völlig, aber in Ansätzen.

Ich bin nicht schwul. Trotzdem war er in Rage, als er von Jungkook und mir erfuhr. Ich wundere mich seither, ob seine Homophobie zu einem Selbsthass mutiert worden ist, dem er versucht auszuweichen, indem er mich missbraucht. Sofern ich mit der Lesart gehe, er hätte wirklich Empfindungen für mich, während mein inneres ihm gegenüber so ausgehärtet ist, dass ich nie, nie auch nur einen Finger von mir krümmen würde, damit es ihm gut geht. Ich wäre nicht traurig dadrüber, wenn er stirbt. Vielleicht ist es zu hart.

Ich betrachte mich in der Spiegelung vom Busfenster. Ich bin wirklich ein wenig dünn geworden. Noch mehr als ich es ohnehin schon bin. Jungkook hat mich noch nie nackt gesehen. Was wenn er mich auf einmal abstoßend findet?

Die aufgehenden Bustüren und das Wohnhaus von Jungkook lenken mich von diesen Gedanken ab. Aber wieder nicht völlig. Als ich mich in seinem Treppenhaus nach oben begebe, komme ich schnell aus der Puste, dabei ist jeder meiner Schritte bedacht langsam. Ich bin klein, dürr und schwach. Mein Kopf wiederholt diese mir selbst zugewiesenen Attribute, bis ich an Jungkooks Wohnungstür ankomme und er bereits am Türrahmen auf mich wartet. „Hey", begrüßt er mich sanft.
„Hey", erwidere ich, meinen Kopf halte ich jedoch gesenkt und tue es noch, während ich eintrete. Jungkook macht Platz für mich. Ich ziehe mir meine Schuhe aus und hänge meine Jacke auf ihren Kleiderhaken neben der Tür. Erst dann sehe ich Jungkook richtig an. Seine Augen ruhen so wohlwollend auf meinen und ich lese ihnen ein Lächeln ab. Voller Zärtlichkeit legt er seine Hand an meine Taille und ich lege meine auf seinen Arm. Er beugt sich zu mir herab, sieht auf meine Lippen und wir küssen uns; ein Mal zur Begrüßung, wie es jedes Pärchen tut. Und doch fühle ich bereits meinen Herzschlag erquicken.

Wir lösen uns voneinander, unsere Körper trennen aber nur Zentimeter. „Wie geht es dir?", fragt er.
„Gut, gut." Ich wuschele mir durch mein Haar und kann die Hitze in meinen Wangen nicht leugnen. Sie ist beständig, wie die Sahara. Nimmt mich ein, wie ein Fiber. Sie ist allgegenwärtig bei ihm. „Ich bin nur ein wenig... nervös."
„Ich bin es auch." Er zieht die Achseln hoch, neigt seinen Kopf zur Seite und ich lache sanft. „Aber, wir müssen nur das tun, was du willst", sagt er. Sein Daumen fährt über meine Seite.
„Ist deine Mutter da?", frage ich, seiner Frage ausweichend.
Er schüttelt den Kopf.

Ich stelle mich auf meine Zehenspitzen, nehme sein Gesicht in meine Hände und verbinde unsere Lippen miteinander, als wäre ein ja nicht mehr genug. Jungkook braucht einen Augenblick, ehe er versteht, was passiert und meinen Kuss erwidert. Es ist umständlich mit unserem Größenunterschied. Jungkook beugt sich deshalb vorwärts und seine Hände fassen die Rückseiten meiner Oberschenkel, ehe er mich mit einem Ruck hochhebt, ohne seine Lippen von meinen zu lösen. Ich will das, denke ich nur. Es ist das einzige, was mir durch den Kopf geht:

Hitze | VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt