📍Jungkook
Kalt wie Alaska - es wiederholt sich noch in meinem Kopf, als das Spiel um 15 Uhr angepfiffen wird.
Taehyung hat sich von mir verabschiedet, nachdem er mir gesagt hat, dass ich ihn nicht nerve. Es war ihm wohl unangenehm, diese Worte auszusprechen und doch merkte man ihm das seiner Stimme nicht an. Kalt wie Alaska eben.
Ich muss mich daran erinnern, dass Taehyung noch immer der kleinere Bruder von Erik ist, als ich ihn aufs Spielfeld laufen sehe. Erik, der Typ, der plötzlich nicht mehr auf dem Außenposten, sondern im Angriff steht. Er hat noch nie über Taehyung gesprochen, nicht ein Wort. Vielleicht kommt mir dieser Gedanke deshalb so fremd vor. Eriks kleiner Bruder.
...
Das Spiel geht 3:4 für die Gegner aus. Ich verlasse die Tribüne und laufe auf das Feld zu meinen Freunden. Erik steht bereits hinter der Außenlinie, als ich ankomme. Ich drehe mich um und gehe ein paar Schritte rückwärts, da sehe ich sie, beide Brüder neben ihrer Mutter. Danach umarmt mit je einem Arm ihres Vaters.
Taehyung ist nicht unbedingt unauffällig, nicht zuletzt wegen seiner Schläuche, sondern auch wegen seines überdurchschnittlich guten Aussehens. Wahrscheinlich merkt er es gar nicht, aber im Schulflur schauen ihm die Mädchen immer hinterher und im Bioraum starren sie auf seinen Hinterkopf, hoffend, dass er sich zu ihnen umdreht. Aber er tut es nicht.
Dennoch habe ich ihn nie gesehen, nie bemerkt. Weil Taehyung doch unsichtbar bleibt, fast schattenartig steht er immer ein Stück hinter Erik, auch jetzt.
Ich drehe mich vorwärts und laufe zu Lukas. „Gutes Spiel", rufe ich. Erschöpft zieht er sich den Augenschutz aus und nimmt den Zahnschutz aus dem Mund. Die braunen Haare kleben ihm auf der nassen Stirn.
„Danke, aber es war scheiße."
„Vom Tribünenrand sah es gar nicht schlecht aus."
„Wie viel weißt du denn noch von Lacrosse? Du spielst doch seit Jahren nicht mehr."
„Es ist nur eines und doch, ich weiß noch immer eine Menge."Freundschaftlich legt er mir den Arm über die Schulter. Ich habe das Bedürfnis ihn zu fragen, ob er Taehyung kennt, halte es dann aber für unpassend.
„Warum spielst du eigentlich nicht mehr?", fragt Lukas.
Christian kommt angejoggt. „Habe ich was verpasst?", fragt er.
„Wir reden nur gerade darüber, warum Jungkook nicht mehr im Team ist."
„Ja, warum eigentlich?", fragt Christian.
„Es hat keinen Spaß mehr gemacht", tue ich die Frage ab.
„Red' doch nicht so einen Mist. Du bist immer über den Platz gesaust wie sonst was", sagt Christian.
„Heute hätten wir einen Sprinter wie dich gut gebrauchen können", murmelt Lukas bedrückt.Meine Kehle schnürt sich zu. Warum habe ich aufgehört?
Christian und Lukas verabschieden sich in die Umkleide. Beim Vorbeilaufen klopft mir Erik auf die Schulter und dreht sich rückwärts kurz zu mir. „Komm doch mit", sagt er. Mit in die Umkleide feiern. Aber was? Die Niederlage etwa? Den Meisten geht es doch nur ums Saufen.
„Ne, wann anders mal."
Er zuckt mit den Schultern und und dreht sich um. Dann dreht er sich doch nochmal zu mir. „Heute Abend," sagt er - „meine Eltern wollten Essengehen. Ich soll fragen, ob du mitkommen willst."Mit den Carterfields war ich schon einmal vor einem Jahr essen. So eine Einladung kann ich nicht abschlagen, denn ich will nicht unhöflich sein. Außerdem schätze ich die Familie sehr. Frau Carterfield war immer freundlich zu mir.
„Ja, klar. Danke."
Zwei Finger hält er sich an die Stirn und verabschiedet sich.Später treffen wir uns hinter dem Umkleidegebäude. Es ist klobig und aus Backsteinen gefertigt. An sie lehnt sich Erik und tippt auf seinem Handy. Es ist bereits dunkel, der Mond steht hoch am Himmel. Seinen Bildschirm erkenne ich dabei deutlich. Lacrosseergebnisse der U20 aus ganz Kanada. Der Typ kann nie lockerlassen. „Hey, es gibt da etwas, was ich dir noch sagen muss." Ich stecke mein Handy in die Jackentasche und sehe auf. Anders als ich, starrt er immer noch auf den Bildschirm. „Schieß los."
„Ehrlich gesagt belastet es mich etwas und ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass ich das noch nicht loswerden konnte. Ich habe einen Adoptivbruder und er war lange krank, weil er etwas an der Lunge hat, deswegen habe ich es wahrscheinlich auch nicht erzählt. Seit dieser Woche besucht er aber wieder unsere Schule." Taehyung ist adoptiert, das habe ich mir schon gedacht.„Ich habe Bio mit Taehyung", sage ich drauflos. Seine Worte wirken aufrichtig, seine Stimme ist jedoch belanglos und beiläufig. Als wäre Taeyhung beiläufig und nicht wichtig, eben nur so eine Sache.
Jetzt sieht er doch auf. „Du kennst ihn?"
Soll ich lügen? Wie kann ich ihm anders erklären seinen Bruder zu kennen, als zuzugeben, dass ich bei ihm zuhause rumgeschnüffelt habe?
„Nein, aber du meintest er hat was an der Lunge und ich kenne nicht viele Schüler, die mit einer Nasensonde rumlaufen."
„Ja, du hast Recht. Schon besonders, nicht?"
Besonders, als wäre das etwas gutes. Ich antworte nicht. Er lacht.Erik stößt sich von der Wand ab. „Lass uns zum Auto, meine Mutter hat mir gerade geschrieben."
„Nochmal danke, dass ich mitkommen darf."
„Klar," er boxt mir gegen die Schulter - „du weißt doch, dass meine Eltern dich mögen. Du bist halt der Vernünftige von uns." Uns, Erik, Lukas, Christian und ich.
Ich stoße einen falschen Lacher aus, doch Erik bemerkt es nicht.Vielleicht wäre ich lieber nicht vernünftig. Alles ist grau, nichts schwarz oder weiß, denke ich. Alles hat seine Vor- und Nachteile. Nicht Lacrosse zu spielen auch, kommen mir die Worte meiner Mutter in den Sinn.
Ich will aber nicht aufhören.Wir kommen am Auto an. Erik lässt mir den Vortritt beim Einsteigen. Als ich meinen Kopf in den Innenraum schiebe, entdecke ich Taehyung auf dem rechten Sitz der Rückbank. Er sieht mich an, für mich scheint er wieder einmal undurchsichtig. Ich kann seinen Ausdruck nicht deuten. „Willst du nicht in der Mitte sitzen?", fragt mich Eriks und Taehyungs Mutter auf einmal vom Fahrersitz aus. „Doch, doch", antworte ich perplex -, „Entschuldigung." Ich rutsche durch und nehme neben Taehyung platz.
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Hitze | Vkook
FanfictionLuft, Sauerstoff, Co2 - etwas, das jeder Mensch zum Leben braucht. Taehyung fehlt es, denn er ist krank. Kalt - Das ist das Erste, was Jungkook über seinen neuen Mitschüler denkt. Der aufgeschlossene neunzehnjährige ist fasziniert von ihm, nicht zu...