44

186 21 5
                                    

📍Taehyung

Ich wache auf. Das Zimmer ist dunkel. Meinen Mund und meine Nase hüllt eine Sauerstoffmaske, die sich eng auf meine Haut drückt.

Mir ist schwummrig, weshalb ich meine Augen wieder schließe. Jungkook war hier, erinnere ich mich. Seine Erscheinung habe ich nur dumpf vor Augen; die Beruhigungstabletten erlauben es mir nicht, mir sein Gesicht genauer vorzurufen.

‚Wieso?', vernehme ich jedoch seine Stimme. Jungkook stellt mir immer viel zu viele Fragen und missbilligt zu viele meiner Ausreden.

Ausreden - an sich hat er auch das Recht dies zu tun, denn schließlich handelt es sich nicht um die Wahrheit. Und er merkt das. Komischerweise merkt er das gleich.

Meine Glieder beginnen zu schmerzen, da ich schon zu lange in dieser Position verharre. Über einen Knopf an Bettseite rufe ich eine Krankenschwester, die mir die Maske absetzt. „Sie müssen die aber mindestens drei-Viertel des Tages tragen, wissen Sie? Sonst werden Sie nicht wieder stabil."
„Ich weiß", entgegne ich nur.

Aufrecht sitzend, verspüre ich schrecklichen Hunger. Ich schreibe meiner Mutter, dass sie kommen kann und mir etwas mitbringen soll, da das Krankenhausessen nicht gerade vor Gourmet schreit. Eine Viertelstunde später ist sie da.

„Na Liebling?", begrüßt sie mich und setzt sich auf einen Stuhl neben mein Bett. Sie fährt mir kurz durch die Haare, dann wühlt sie in ihrer Tasche und reicht mir eine Tupperbox mit Besteck. Ich öffne sie gleich und beginne zu essen. „Wie geht es dir?"
„Ich bin müde, obwohl ich die ganze Zeit nur liege und schlafe. Mama, ich will raus hier. Ich will nachhause."

„Du weißt, dass du noch bis übermorgen hierbleiben musst. Dann fahren wir zum Pneumologen und sehen weiter." Sie greift meine Hand. „Alles wird Gut, ja?"

Aber ich habe das Gefühl, dass nie alles Gut wird. Dass ich mich nie vollkommen oder glücklich fühlen kann, solange mich meine Lunge davon abhält ein normales Leben zu führen.

„Ja", sage ich nur und nehme einen Löffel.
„Dein Bruder ist übrigens auch da, er sollte gleich kommen."

Da dachte ich mein Tag kann nicht noch schlimmer werden.

📍Jungkook

Taehyung sehen steht heute ganz oben auf meiner To-Do-Liste. Als ich das Haus gegen 15 Uhr verlasse überkommt mich eine erwartende Vorfreude gemischt mit Nervosität und Angst. Letzteres bestimmt meine Gefühlswelt schon seit gestern unübertrefflich. Angst, dass ich nicht zu Taehyung rein darf. Angst, dass er so sauer auf mich ist, dass er nicht mit mir sprechen möchte. Angst, dass er mich fragt, ob wir wieder zusammen sind und ich darauf nichts anderes antworten kann als, ich habe keine Ahnung, Tae. Ich weiß nicht, ob es gerade das richtige ist.

Und wenn er mich fragen würde, warum ich dennoch bei ihm bin: Naja, ich kann es nicht anders beschreiben als: mein Herz verlangt nach dir. Aber mein Kopf wehrt sich dagegen. Wie David und Goliath, oder so.

Im Bus denke ich lange über diese Versinnbildlichung nach, nur um zum Schluss zu kommen, dass sie nicht passt. Keine von beiden Dingen ist ein Riese und wird auch nicht durch eine Steinschleuder umgebracht.

Als ich am Schalter des Krankenhauses erneut vor der Dame stehe, mustert sie mich zunächst unbegeistert. „Du schon wieder."
„Ich will wieder zu Taehyung Kim."
„Geh einfach hoch, hast' du das letzte Mal doch auch gemacht."
Da mir die gesamte Situation zu unangenehm ist, möchte ich gleich weiter, da hält sie mich nochmal auf. „Jemand hat einen Besucherausweis für dich erstellt. Diesmal kommst du also ohne Straftat davon, Jüngchen."
„Was ein Glück!"

Ich haue ab, bevor sie mir noch einen Polizeibrief hinterher wirft. Vorbei an Ärzten und Pflegepersonal, schlängle ich mich durch, bis ich an 8a ankomme.

Mein Herz schlägt schneller, als meine Faust gegen die Tür klopft. Doch es kommt keine Antwort. Nochmal und wieder nichts. Verwundert lasse ich mich selbst herein. Das Zimmer ist dunkel. Durch das Licht vom Flur, erkenne ich, dass Taehyung ordentlich zugedeckt im Bett liegt und schläft. Da erkenne ich noch etwas. Auf seiner Nase und seinem Mund befindet sich glänzendes Plastik. Nicht wie die Nasensonde sonst, denn es handelt sich um eine Sauerstoffmaske. Die Sauerstoffmaske, die er so ätzend findet.

Ich schließe die Tür wieder. Natürlich braucht er die Ruhe, doch bin ich viel zu aufgeregt, als dass ich es nicht bedauere, ihn nicht wach und wieder bei Bewusstsein zu sehen.

Wach und wohlauf; warum war mir das davor nur so selbstverständlich? Jeder Moment, den wir gemeinsam teilten? Als wir uns küssten?

Mir wird schlecht bei dem Gedanken daran. Wenn ich daran denke, wie sich seine Haut anfühlt. Weich, kalt, dünn; wie Porzellan.

Weil ich hunger habe und nicht wieder nur vor seinem Zimmer warten will, begebe ich mich zum Essensautomaten. Ein bekanntes Gesicht tritt gerade mit dem Fuß gegen ihn und flucht.

„Erik?"

Er sieht mich an und weicht einen Schritt von dem ‚Drecksding' zurück. „Sag nicht du bist wegen meinem Bruder hier." Etwas daran wie abfällig er das meinen Bruder ausspricht, gefällt mir nicht. Doch ich lasse es ziehen. Erik verhält sich seitdem wir uns in der Sporthalle begegnet sind merkwürdig und auch heute zieht das nicht an mir vorbei.

„Warum stört dich das eigentlich? Hab ich irgendwas getan, weswegen du vielleicht sauer auf mich bist?"

Verschmitzt lächelt er nur. „Nein. Ich dachte nur, du wärst mit mir befreundet und nicht mit ihm."
Er scheint meinen Fragen auszuweichen, genauso wie Taehyung es tut. Vielleicht sind sich die beiden doch ähnlicher, als ich es dachte; zumindest in dieser einen Sache.

Ich lege ihm meine Hand auf die Schulter. „Wenn etwas ist, dann sag mir das, ja?", sage ich mit Nachdruck, weil mir sein wirres Verhalten auf die Nerven geht.

Er schüttelt sie ab. „Natürlich."

Ich brauche einen Moment um mich zu fangen und ihn wieder als meinen Freund zu betrachten, der er doch ist. „Du bist aber auch da, um Taehyung zu besuchen", merke ich an.

„Meine Mutter hat mich mitgeschleppt. Sie redet noch mit den Ärzten. Er ist wohl gerade aufgewacht."

Taehyung ist wach. „Meinst du, ich kann zu ihm rein?"

„Warte noch. Lass die beiden erstmal. Wir können in der Zwischenzeit zum Dach fahren. Hast du Lust?"

Enttäuscht nicke ich nur. Erst mit Erik zum Dach, dann zu Tae.

Hitze | VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt