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📍Jungkook

„E-Es tut mir Leid", stammelt Taehyung und sucht nach Halt auf der Eisfläche, um sich von mir zu drücken.

Mit den Ellenbogen stütze ich meinen Oberkörper. Um mich zu sammeln, schüttle ich rasch den Kopf. „Nein, ich bin umgefallen, entschuldige." Ich richte meinen Blick auf ihn und muss schmunzeln so gestresst er aussieht. „Hey, alles Gut", sage ich und bewege mich aufwärts, sodass wir uns beide aussetzen können.

Wir schauen uns an und beginnen auf einmal zu lachen. Ich möchte diesen Moment festhalten und wie ein Foto in ein Album kleben, damit ich es mir immer wieder ansehen kann. Denn seine Stimme klingt hell, wenn er lacht. Und sie ist so anders, als sie sonst klingt, irgendwie sorglos.

Das mag ich. Ich finde ihn schön, wenn er so ist. Weil dann sein Lächeln die Schläuche unter seiner Nase wegzaubert und es ist, als wären sie für eine kurze Zeit nicht da.

Ich stehe auf und helfe ihm hoch. Ich frage mich, ob er es auch fühlt, diese plötzliche Wärme in der Brust, wohlig wie Sonne, die auf meine Haut trifft.

Er kramt sein Handy raus und sieht auf die Uhr.
„Wie spät ist es?", frage ich.
„11:44 Uhr. Die Zeit vergeht heute gar nicht", antwortet er monoton.

Das Gefühl schwindet. Wie kaltes Wasser, das er mir mit seinem Geschwafel in Eimern über den Kopf gießt. Taehyung ist der kleine Bruder von Erik, rufe ich mir wieder in den Kopf. Nach wie vor.

Es wäre nicht richtig romantische Gefühle für ihn zu hegen.

„Nach der Mittagspause würde ich gerne wieder in den Unterricht", sage ich.
„In Ordnung. Ich kann allein meine Zeit verbringen."

Ich verabschiede mich an der Busstation und lasse ihn im Park zurück. Ich verbiete mir ihm nachzusehen, erhasche dann aber doch einen schnellen Blick.

Schule, Jungkook, sie ist wichtiger. Dass ich überhaupt einen ganzen Vormittag für ihn verpasst habe. Das sollte nicht wieder vorkommen.

...

In der Mittagspause gehe ich zum Aufenthaltsraum anstelle zur Mensa, wo ich durch die Glasfront schon Erik sehe, das Kinn auf die Hand gestützt.

Allein sitzt er am Fenster und sieht raus. Ohne Gesellschaft zu sein, ist ihm alles andere als ähnlich. Es hat angefangen zu Regnen. Das Wasser plätschert auf den Asphalt vom Pausenhof, mit dem offenen Fenster ist es fast laut hier drinnen.

„Hey", begrüße ich ihn und setze mich neben ihn. Überrascht sieht er auf und mustert mich.
„Hey! Tut mir Leid, ich habe dich gar nicht kommen hören."
„Schon Gut."

Ich öffne meinen Rucksack und krame meine Mappe und mein Etui heraus.

„Wofür lernst du?", fragt er.
„Bio."
„Tust du auch irgendwas anderes?" Ironisch schmunzelt er, als ich den Reißverschluss meiner Tasche schließe und mich wieder aufsetze.
„Du weißt, wie wichtig das für mich ist", entgegne ich nur.
„Für dich oder für deine Mutter?"
„Ich schätze für uns beide", antworte ich mit einem Schulterzucken. Er kann gut reden. Meine Familie ist nicht reich oder sorglos. Nicht so wie seine. Ich fühle mich schlecht dabei dieses Cliché auch Taehyung anzuheften. Aber so ist es eben.

Er schnaubt und verschränkt die Arme. Nicht, dass er nichts vom Lernen und der Schule hält. Er meint nur, dass ich mir selbst Ziele setzen sollte.

Aber mit Lacrosse kommt man nicht weit, Jungkook, höre ich die Stimme meiner Mutter.

Ich greife mir ins Haar und stütze mich über meine Notizen. Da ist die Stunde, in der ich mit Taehyung zusammengearbeitet habe.

„Warum hast du mir eigentlich nicht auf meine Nachricht geantwortet?", frage ich, da es mir plötzlich einfällt.

Erik wendet seinen Blick sofort wieder vom Fenster ab. „Habe ich das nicht?", fragt er unruhig.
„Nein."
„Sorry, das habe ich vergessen", tut er ab.

Für eine Weile herrscht Stille und ich warte darauf, dass er sein Handy rausholt und es nachholt, aber vergebens. „Also, kannst du mir noch Taehyungs Nummer schicken?", frage ich.

„Natürlich, ja."

Ungeschickt kramt er sein Handy heraus und leitet mir den Kontakt weiter. Auf meinem Bildschirm plopt eine Nachricht auf. „Danke."

...

Die siebte und achte Stunde vergehen elendig langsam. In der neunten habe ich noch eine Vorstandssitzung, zu der ich hingehe, nachdem ich am Sekretariat eine Entschuldigung für den Vormittag abgebe.

Wir treffen uns in einem Klassenraum, zu Bereden haben wir nicht viel, nur, dass wir in der nächsten Woche relativ spontan Kursexkursionen anstehen haben.

Als ich endlich aus dem Schulgebäude rausgehe,  atme ich tief ein. Die frische Luft fühlt sich gut an.

Auf einmal habe ich das Gefühl Taehyung zu verstehen: Auch ich will jetzt nicht nachhause. Vielleicht war es mein Gespräch mit Erik und die Erwähnung meiner Mutter, die mich zu diesem Gedanken brachten. Aber eigentlich, weiß ich gar nicht warum.

Mit dem Bus fahre ich und steige einfach drei Stationen zu früh aus. Ich befinde mich in einer Straße in Nähe des Stadtparks und laufe an kleinen Läden, Restaurants und Cafés vorbei. Ich weiß gar nicht wo mich meine Beine hintragen. Will ich irgendwo rein? Oder nur spazieren?

Es beginnt wieder zu regnen und ich hole meinen Regenschirm aus dem Rucksack. Das Wasser sammelt sich an den feinen Metallenden der Stäbe und tropft herunter. Tropf. Tropf; Einmal auf meine Schuhe.

Als ich an einem besonders schönen Café vorbeigehe, mache ich halt. Das Glas ist riesig und lässt meinen Blick auf hölzerne Möbel, Wände und Böden hindurch, die mit Lichterketten und Pflanzen verziert sind.

Der Regen fällt auf mich herab, als ich meinen Schirm gedankenversunken sinken lasse. Denn am Fenster sitzt Taehyung, der seinen Kopf hebt und mich ansieht.


Das hier ist das letzte Kapitel bis zur Lesenacht am Samstag. Um 21:00 Uhr lade ich das erste Kapitel hoch und dann im halbe Stunde Takt bis 23 Uhr vier weitere. Ich hoffe ihr seid alle dabei 💗
Bis dann :)

Hitze | VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt