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📍Jungkook

Taehyung schaut auf und blickt mir starr in die Augen.

„Ach wirklich? Oh, das-... das ist-... Tut mir Leid", sagt meine Mutter unbeholfen. Sie versteht gleich, was das heißt: er ist adoptiert, was auch mein Ziel war. Denn es ist ein Makel, einer den ich nicht habe. „Wie lange bist du schon hier?", fragt sie gleich darauf.

Taehyung fühlt sich sichtlich unwohl. Er stochert in seinem Essen rum und sieht uns nicht mehr an, stattdessen kleben seine Augen auf seinem Teller. „Seitdem ich acht bin."
„Das ist ja gar nicht so lange", bemerkt sie.
„Das wusste ich auch nicht", stoße ich aus.

Mir ist schlecht und danach den Tisch einzutreten zugleich. Warum musstest du das sagen, Jungkook?

„Übrigens, nächste Woche sind wir von Mittwoch bis Freitag auf Kursfahrt", werfe ich schnell ein.

„Verpasst ihr da nicht zu viel Unterricht?", fragt meine Mutter.
„Nein, die meisten Lehrer fahren mit, also entfällt sowieso fast alles", antworte ich. „Wir fahren zusammen mit dem Biokurs, Taehyung." Ich nicke zu ihm, doch er sieht es nicht. Er selbst nickt nur langsam. Ein Zeichen dafür, dass er zuhört, obwohl er abwesend scheint.

Das Gespräch läuft noch zwanzig Minuten mit geringer Beteiligung von Taehyung weiter. Auf die Frage, ob es ihm geschmeckt hat, nickt er aber eifrig und bedankt sich zweimal nacheinander.

Wir verschwinden in meinem Zimmer. Unsere Wohnung ist überschaubar, deswegen stellt er wahrscheinlich auch keine Fragen nach den Räumlichkeiten. „Ich hole dir eine Matte und Bettzeug, dann kannst du neben meinem Bett schlafen", erkläre ich und reibe meine Unterarme, weil ich sonst nicht weiß, was ich machen soll.
„Danke", sagt er nur und steht schnurgerade gleichermaßen wie ich mittig im Raum. Ob man es wirklich mittig nennen kann, weiß ich nicht, denn gehe man einen Schritt in jegliche Richtung, würde man sich gefühlt schon am Rande meines Zimmers befinden.

Ich verschwinde aus dem Raum und treffe im Flur auf meine Mutter. „Warum übernachtet er heute hier?", flüstert sie und stellt sich nah vor mich. Vor ihm wollte sie das wohl nicht ansprechen.
„Wir-... müssen ein Projekt zusammen machen, ja genau." Ich hoffe, dass sie sich mit meiner ungeschickten Ausrede zufrieden tut und es ist so, denn sie fragt nicht weiter nach.

„Und unter der Nase-...?"
„E-Er hat eine Lungenkrankheit. Danke, dass du nicht gefragt hast. Er-... Er reagiert empfindlich darauf." Und auf seinen Bruder.

Das wusstest du auch, Jungkook. Und trotzdem sprichst du es an, stichst das Messer, noch weiter in die Wunde.

Aha. Armer Junge", flüstert sie mitleidig. Armer Junge, in einem riesigen Haus, mit der reichsten Familie, die ich kenne. Ich kann diese zwei Worte nur schwer mit dieser Realität zusammenbringen.

„Ja, er tut mir auch Leid", sage ich halbherzig und erkundige mich nur noch nach den Sachen, die ich für ihn holen wollte, ehe ich in mein Zimmer zurückkehre.

Er steht noch immer genau an dem Punkt, an dem ich ihn verlassen habe. „Du kannst dich auch auf mein Bett setzen", weise ich ihn an und breite danach alles aus.

„Warum bist du so gereizt?", fragt er, als ich fertig bin. Diese Gleichgültigkeit in seiner Stimme erinnert mich an seine überhebliche Art, die er zuletzt in Bio aufsetzte, als wir zusammen arbeiteten.
„Ich bin nicht gereizt", zische ich ihn an. An meinem Ton merke ich aber, dass er Recht hat.

Ich lasse mich auf meinen Schreibtischstuhl sinken, der jetzt nur noch wenig Platz hat und reibe mir das Gesicht mit den Handinnenflächen.
„Deine Mutter ist nett", sagt er.
„Ich weiß, ja."

„Aber irgendwas ist mit euch, oder? Ihr versteht euch nicht so gut?"
„Taehyung," ich lasse meine Hände sinken und sehe ihn an - „du bist nicht der einzige, der nicht über alles sprechen möchte, okay?" Ich sage es mit einer gewissen passiv-aggressiven Haltung, was ihn in die Defensive lockt. Denn auf einmal, ist er Still.

Das einzige was ich noch mehr als seine arrogante Maske hasse, ist es, wenn er Still bleibt. Es treibt mich aus dem Nähkästchen.

„Wenn du mir etwas persönliches über dich erzählst, sage ich dir auch was über mich", schlage ich vor.
„Persönliches? Inwiefern?", fragt er verwundert.

„Ein Geheimnis oder sowas in der Art."
„Verstehe." Er denkt nach. „In Ordnung."

„Dann schieß los", ermutige ich ihn.
„Warte, mir fällt nichts ein."
„Einfach irgendwas", sage ich.
„Ok, also-...", er macht eine Pause, als müsse er sich die Worte zusammenlegen - „Ich habe Bio nur gewählt, weil ich mehr über meine Krankheit wissen wollte. Eigentlich hasse ich dieses Fach."

Es ist das unpersönlichste persönlichste, was er hätte sagen können, aber ich verkneife mir es laut auszusprechen.

„Du bist doch so gut in Bio", bemerke ich.
„Ich bin in jedem Fach sehr gut."

Beide Augenbrauen ziehe ich beeindruckt nach oben. Taehyung weiß was er hat.

„Jetzt du", sagt er.
„Meine Eltern sind geschieden."
„Das habe ich mir schon gedacht."

Hitze | VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt