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📍Taehyung

Ich erinnere mich an etwas, das Herr Doktor Dester vor einem Jahr zu mir gesagt hat. Ich wäre sein einziger Patient der permanent Sauerstofftherapie führt. Das würde die ganzen Raucher, die in die Praxis kommen, abschrecken, sagte er. Ich fand das aber nicht lustig.

Damals ging es mir viel schlechter als jetzt. Damals war die Sauerstofftherapie viel schlimmer als jetzt.

Dagegen geht es mir heute blendend. Ich habe nichts zu beklagen, außer die markanten Augenschatten. Keine Erstickungsanfälle, keine Probleme beim Treppensteigen. „Das klingt gut", sagt der Doktor und fliegt über meine Krankenakte. „Wir machen nur noch den Lungenfunktionstest, dann gebe ich dir ein Rezept und du kannst gehen."

Herr Dester rückt mit dem Schreibtischstuhl an mich heran und entfernt meine Nasensonde. Es ist unangenehm und als sie ab sind, fühle ich mich befreit und paranoid zugleich.

Ich weiß noch, als er mir vor zwei Jahren die ersten Kabel anlegte. Danach habe ich mich so fremd in meinem Spiegelbild gefühlt, wie ich es jetzt ohne sie tue. In der Herrentoilette bleibe ich einen Moment lang vor ihm stehen. Ich taste mir unter die Nase. Nichts.

Der Lungenfunktionstest dauert nicht lange. Mehrfach puste ich mal mehr, mal weniger kräftig in ein Rohr. Im Glaskasten bekomme ich fast Anflüge von Klaustrophobie, aber dann bin ich auch schon fertig.

Im Wartezimmer nehme ich Platz und warte auf die Ergebnisauswertung. Um diese Uhrzeit ist die Praxis gut besucht. Die Frau am Schalter hat eine Menge zutun.

Ein kleines Mädchen spielt mit Bauklötzen auf dem Teppich. Als sie merkt, wie ich sie ansehe, verharrt sie in ihrer Position. Ich versuche freundlich zu lächeln, es kommt aber nicht an. Zu selten bewegen sich meine Mundwinkel nach oben; Vielleicht liegt es ja daran.

Bevor ich mir schon wieder ein Seufzen unterdrücken muss, werde ich aufgerufen. Der Doktor hält die Testergebnisse bereits in der Hand als ich eintrete. „Es wird langsam besser", sagt er.
Ich weiß nicht, ob ich seine entspannte Art mögen oder hassen soll, aber er ist einer der besten Pneumologen im Umkreis.

Langsam. Langsam bei einer chronischen Krankheit ist genauso wenig wie nie.

„Nimmst du deine Tabletten regelmäßig?", fragt er und legt die Testergebnisse beiseite. Aus einer Schublade zieht er einen gelben Rezeptzettel und kritzelt darauf.
„Ja, jeden Abend, und Morgen." Und manchmal auch Mittags, wenn meine Ängste mir sagen, dass ich sonst nicht durchhalten kann.

„Du hast die dunklen Augenringe angesprochen." Er schiebt mir den Zettel über den Schreibtisch und sieht mich an. „Hast du noch andere Nebenwirkungen?", fragt er.
„Ich habe wenig Appetit, sonst nichts."
„Befolgst du deinen Ernährungsplan?"
„Ja."

Er nickt. Als hätte er was vergessen, hebt er den Finger und rollt auf seinem Schreibtischstuhl zu einem Regal. Er zieht neue Kabel heraus und rückt an mich heran, um sie mir zu legen.

„Ich will dir nicht zu nahe treten", er macht eine Pause, als denke er über seine Worte nach.

Überrascht von dem vertraulichen Ton, werde ich hellhörig. Das Gummi fühlt sich an meiner Nase unangenehm an. Das Einsetzen tut immer mehr weh als das rausnehmen.

„Du bist erst siebzehn und ich kann mir vorstellen, wie schwer es sein muss, so früh mit solch einer Krankheit zu leben." An der Stirn zieht er meinen Kopf in den Nacken und fährt fort. „Aber, ich würde dir trotzdem zu mehr Lebensfreude raten."

Hitze | VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt