27 LIZ ‖ Eiskönigin

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Ich schlängle mich durch die vollen Gänge des Schulhauses. Es ist Montagmorgen und unglaublich nervös zwirble ich mir eine Strähne meiner Perückenhaare um den Finger, um sie sofort wieder fallen zu lassen und dann erneut aufzudrehen. Mein Herz klopft wie irre in meiner Brust und das flaue Gefühl in meinem Magen macht mich beinahe schwindelig. Und das alles nur, weil ich jetzt eine Doppelstunde Chemie habe.

Und weil mein Nebensitzer in diesem Fach Luke heißt.

Seit dem kurzen Nachrichtenwechsel von gestern Morgen hatten wir keinen Kontakt mehr. Ich habe keine Ahnung, wie ich mich ihm gegenüber gleich verhalten soll. Sind wir nun Freunde? Oder sogar mehr? Oder wird er mich wieder auf seine selbstherrliche Weise von oben herab behandeln?

„Hey, Liz!", höre ich Pats Stimme hinter mir. Ich spüre, wie sich ihr Arm unter meinen schiebt und sie sich bei mir einhängt. „Oh Gott, oh Gott, ich bin so nervös. Ich sitze gleich neben Dave."

Wem erzählt sie das? Wenn jemand das gerade nachfühlen kann, dann ja wohl ich.

Ich richte meinen Blick auf meine Freundin und mustere sie. Ihre Haare hat sie zu einem strengen Zopf gebunden und trägt eine Brille.

„Du hast eine Brille?" Überrascht runzle ich meine Stirn. Sie nickt. 

„Ich hab meine Kontaktlinsen nicht reingekriegt, weil ich so zittrig war", berichtet sie mir und kichert. Auch auf meinen Lippen bildet sich ein Lächeln. Das ging mir heute ähnlich. Ich habe zig Versuche gebraucht, bis die blöden Dinger endlich drin waren.

Innerlich schüttle ich den Kopf über mich selbst. Luke macht sich sicherlich nicht annähernd so fertig.

Damit hat sich's jetzt.

Du bist ab sofort cool und gelassen, Liz Wagner. Supercool sogar.

Ich atme mehrmals tief ein und aus und zähle langsam von zehn abwärts. Das ist meine Taktik, um vor Bandauftritten wieder runterzukommen. Es wirkt. Ich spüre, wie mein Herzschlag sich verlangsamt und das flaue Gefühl verschwindet allmählich. Ich lächle triumphierend, drehe mich zu Pat um und bringe sie zum Anhalten. Aus großen Augen sieht sie mich überrascht an.

„Okay, Pat. Wir sind cool. Wir sind cooler als die Eiskönigin. Alles klar?"

Sie wirkt etwas überrumpelt, nickt aber dann.

„Eiskönigin, alles ... klar", stammelt sie und blinzelt ein paar Mal.

Ich sehe ihr an, dass sie eigentlich kein Wort von dem versteht, was ich da sage, und muss lachen. Dann schüttle ich energisch den Kopf. 

„Nein, Pat, so nicht. Erst mal Kopf hoch, Schultern zurück, Brust raus. Und dann musst du es fühlen. Das muss viel überzeugter kommen. Also sprich mir nach: Ich bin cool. Ich bin cooler als die Eiskönigin." 

Sie nickt mit ernstem Gesicht. Dann richtet sie sich auf.

„Ich bin cool. Ich bin cooler als die Eiskönigin." Ich grinse zufrieden und nicke.

„Perfekt, Eiskönigin. Und vergiss das nicht. Wie fühlst du dich?" Sie legt den Kopf schief und lächelt dann.

„Cool. Ziemlich cool sogar. Danke, Liz."

„Gar kein Ding. Und jetzt go for it, Eiskönigin."

Die ganze Aktion hat glücklicherweise auch meine eigene Selbstsicherheit zurückgebracht. Ich hänge mich bei Pat ein und wir setzen unseren Weg zum Chemiesaal fort. Inzwischen freue ich mich beinahe darauf, Luke wiederzusehen. Ich bin gespannt, wie er sich verhalten wird.

Mit dem Gong betreten wir den Raum. Diesmal bekomme ich keinen einzigen blöden Kommentar zu hören. Es hat sich herumgesprochen, dass ich in der Band bin und seitdem hat mir niemand mehr auch nur einen Spruch gedrückt. Es hat tatsächlich seine gewissen Vorteile, Bandmitglied zu sein. Die komischen Seitenblicke sind auch weniger geworden. Tatsächlich habe ich inzwischen sogar manchmal das Gefühl, bewundernd angesehen zu werden.

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