54 LIZ ‖ Game over

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„Luke!", rufe ich panisch, bevor ich mich instinktiv in Bewegung setze, um ihm hinterherzurennen. Ich muss ihn unbedingt einholen, denn ich will mit ihm reden. Auch wenn er vorhatte, mich zu betrügen, es wahrscheinlich sogar schon getan hat, und ich ihm deshalb nicht mehr vertraue. Aber er hat sich heute Abend für mich geprügelt, mich aus der bisher schlimmsten Situation meines Lebens gerettet und war die ganze Zeit an meiner Seite.

In meiner Gefühlswelt herrscht das absolute Chaos. Da sind nach wie vor starke Gefühle für ihn. Sie sind nicht einfach verschwunden, obwohl es mich schlimm getroffen und sehr verletzt hat, wie er auf Bonnies Annäherungsversuch reagierte. Doch unabhängig von allem anderen habe ich das dringende Bedürfnis, mich bei ihm zu bedanken. Und ich möchte ihm endlich alles erzählen.

Trotz allem, was passiert ist, habe ich das Gefühl, dass er die Wahrheit verdient. Jetzt, wo ich es kann, ohne ein Risiko einzugehen, will ich unbedingt ehrlich zu ihm sein. Vielleicht ist er dann auch ehrlich zu mir und wir können uns richtig aussprechen.

Zum Glück trage ich die weißen Sneaker und die rosa Leggings, in Stöckelschuhen und einem engen Rock hätte ich vermutlich nicht die geringste Chance, ihn noch zu erreichen. Er reagiert nicht auf meine Rufe und läuft unbeirrt weiter, obwohl ich ganz sicher bin, dass er mich hört. Deshalb erwische ich ihn erst, als er sich schon auf dem beleuchteten Weg zur Schule befindet. Nur weil ich es schaffe, mit meiner Hand seinen Arm zu umklammern, hält er an. Allerdings dreht er sich nicht mal zu mir um, während er „Was willst du?" zischt.

Ist er womöglich ärgerlich auf Bonnie, weil sie vorher nicht auf sein Angebot eingestiegen ist, mit ihm zu seiner Wohnung zu fahren?

Ich nehme einen tiefen Atemzug, denn ich keuche noch viel zu sehr, um einen vernünftigen Satz zustandezubringen. „Ich ... Ich wollte mich bei dir bedanken. Du hast mich aus einer schrecklichen Situation gerettet und ..."

„Bilde dir nichts darauf ein. Das hätte ich für jeden getan."

Sein harscher Tonfall in Kombination mit den harten Worten lässt mich zusammenzucken. Mit einem Ruck reißt er sich von meinem Griff los und setzt seinen Weg fort. Mein Herz pocht heftig gegen meine Brust, sowohl von der körperlichen Anstrengung als auch vor Aufregung und Wut.

„Luke!", rufe ich ihm aufgebracht hinterher. „Sag mir, was los ist!"

Er erstarrt in der Bewegung und dreht sich langsam um. „Fragst du mich das ernsthaft?" Ich bemerke, wie die Muskulatur seines Kiefers deutlich hervortritt, weil er seine Zähne für einen Moment fest zusammenbeißt. „Wieso lügst du jeden an? Wieso lügst du mich an?" Der prüfende, durchdringende Blick aus seinen kalten Augen lässt mich frösteln. Mir stockt der Atem und ich schlucke trocken. Eine seltsame Taubheit breitet sich in mir aus und in meinem Kopf beginnt es, dumpf zu pochen.

Er weiß es. Er hat es selbst herausgefunden. Das ist nicht gut. Überhaupt nicht gut.

„Wann hast du es gemerkt?" Meine Worte kommen nur als ein klägliches Wispern über meine Lippen.

Er schnaubt und schüttelt dann den Kopf. In seinen Augen liegt eine Härte, die ich noch nie darin wahrgenommen habe. Nicht mal ganz am Anfang, als wir uns noch nicht leiden konnten.

„Weißt du, eigentlich habe ich es schon den ganzen Abend geahnt und trotzdem immer wieder beiseitegeschoben, weil ich nicht glauben konnte, dass du mich so verarschst. Diese ganzen Hinweise ... Dass deine Stimme genau gleich klingt, dass die Form deines Gesichts und deiner Augen dieselbe ist, deine Haut, deine Hände, ja sogar dein Duft. Ich dachte okay, sie ist ihre Cousine, da ist es doch klar, dass sie ihr ähnlich sieht. Vielleicht hat Bonnie ja heute Abend ihr Parfum benutzt? Ich habe mir für alles eine Erklärung zurechtgelegt, weil ich dir niemals zugetraut hätte, dass du so was tust. Tja, so kann man sich täuschen. Aber weißt du, wenn du schon so eine beschissene Show abziehen willst, dann solltest du auch auf die Details achten. Denn dass Bonnie dasselbe Tattoo an derselben Stelle hat, war mir dann doch ein Zufall zu viel."

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