Rock me, Baby! ✓

57 LIZ ‖ Fiese Tricks

'Wenn du willst, bist du dabei' hallt es noch immer in mir nach, als ich auf wackeligen, schwachen Beinen den Weg zu den anderen antrete. Ich kann es kaum begreifen. Zumindest mit dem zweiten Song habe ich eine grottenschlechte Leistung abgeliefert, und doch hat es gereicht. Mit leerem Blick schüttle ich ununterbrochen den Kopf, denn nach wie vor fühlt sich alles hier vollkommen surreal an.

„Tut mir so leid, Liz", empfängt mein Bruder mich mit betretener Miene. Seine Worte und der darin mitschwingende, bedrückte Unterton lassen mich erstaunt die Brauen heben. Ohne dass ich es verhindern kann, zieht er mich auch schon in seine Arme.

„Dieser zweite Song war aber auch unfassbar schwer, so was kann man doch nicht einfach aus dem Stehgreif abliefern. Es war echt fies, dass sie ausgerechnet den von dir verlangt hat", schaltet sich Pat ein und die Entrüstung ist ihrem Tonfall deutlich zu entnehmen.

„Gruppentrostkuscheln", höre ich Veronica sagen, als sich die anderen drei auch schon im Kreis um mich herum aufstellen und ich auf einmal von allen Seiten umarmt werde.

„Ich werde hier offenbar mal wieder gnadenlos unterschätzt", protestiere ich lahm, während die vier im Begriff sind, mich in ihrer Mitte zu erdrücken. „Ihr werdet es nicht glauben, die nehmen mich. Wenn ich will, dann bin ich auf der Tour dabei!" Auch wenn das eigentlich eine freudige Nachricht ist, höre ich selbst, wie matt und kraftlos meine Worte klingen.

Mein Bruder umgreift meine beiden Oberarme und schiebt mich ein Stück von sich weg, gleichzeitig lassen auch die anderen ihre Arme sinken. „Kannst du mir mal verraten, warum du dann ein Gesicht ziehst wie drei Tage Regenwetter und ununterbrochen den Kopf schüttelst? Wie soll man bei so einem Verhalten auch nur ahnen, dass gerade dein Kindheitstraum in Erfüllung geht?"

Ich runzle die Stirn. „Das liegt wohl daran, dass ich es selbst kaum glauben kann."

„Der erste Song war genial, Liz. Und dieser zweite, also, gegen Schluss konnte man den auch ganz gut anhören", meldet sich Jacob mit einem belustigten Funkeln in seinen türkisblauen Augen zu Wort.

„Da stimme ich dem Kollegen zu. Der erste Song war geil, der zweite noch ausbaufähig. Aber das kriegen wir hin, wenn du erst mal mit uns auf Tour bist." Der Langhaarige mit dem Ziegenbärtchen, der eben noch bei Nita am Tisch saß und auf einmal mitten unter uns steht, zwinkert mir zu. „Wir sind eine große Familie und helfen einander. So wie früher, als ich noch mit deiner Mum unterwegs war. Richte ihr bitte von Jake aus, dass ich ihr nichts mehr schulde. Ich war es nämlich, der dafür gesorgt hat, dass du es geworden bist. Nita hat eher zu 'ner anderen tendiert, die vier Jahre älter ist, aber ich konnte sie doch noch überzeugen." Mit einem selbstgefälligen, fetten Grinsen und erneutem Zwinkern schiebt er sich an uns vorbei zum Ausgang und ist Sekunden später verschwunden.

Ich schüttle schon wieder den Kopf. Diesmal nicht aus Ungläubigkeit, sondern aus Enttäuschung. Manchmal ist Unwissenheit eine Gnade. Zu erfahren, dass ich es nur geschafft habe, weil ein früherer Freund von Mum seinen Einfluss geltend gemacht hat, fühlt sich alles andere als gut an.

Auch die anderen vier machen einen völlig geplätteten Eindruck angesichts dieser Enthüllung und die gute Stimmung von eben verwandelt sich in eine peinliche Stille.

„Ist doch scheißegal", beendet Jacob schließlich das deprimierende Schweigen. „Der erste Song war genial und wir wissen alle, was du draufhast und dass du es verdienst. Denk dir nichts dabei. Du bist gut genug dafür Liz, definitiv."

„Genau", stimmt mein Bruder zu. „Und deshalb feiern wir jetzt noch eine kleine Poolparty in unserer Luxusvilla. Da wir uns glücklicherweise nicht mehr so bescheuert verkleiden müssen, können wir das ja endlich mal machen. Meine geniale Schwester wird bald eine Stargitarristin sein! Ihr macht euch keine Vorstellung, wie ich dann mit ihr angeben werde! Oh Mann, stell dir mal vor, mit was für Leuten du in Zukunft zu tun haben wirst, Liz! Das ist echt ein verdammt guter Grund, um zu feiern!"