63 LIZ ‖ Verlorenes Vertrauen

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„Was soll dieser Song, Liz? Hast du den geschrieben? Willst du mir zeigen, wie unfassbar talentiert du bist? Was die Band mit dir verloren hat? Denkst du wirklich, das wüsste ich nicht?" Seine Fragen prasseln auf mich ein wie kleine, spitze Hagelkörner und seine Stimme klingt so rau und kratzig, als hätte er schon lange nicht mehr gesprochen.

Verblüfft blinzle ich. Ich war derart in den Song versunken, dass ich die Augen geschlossen, alles andere ausgeblendet und gar nicht bemerkt habe, wie nahe er ist. Er steht mit vor der Brust verschränkten Armen in einigem Abstand und hat mir offenbar zugehört. Sein Blick ist verschlossen und eisig, seine Körperhaltung angespannt.

„Ich will nur, dass du mir zuhörst", hauche ich mit bebender Stimme. Die Enttäuschung flutet über mich hinweg wie eine zerstörerische Welle, die den letzten Rest Hoffnung mit sich nimmt. In diesem Song stecken alle meine Gefühle für ihn. Wenn der ihn nicht erweichen konnte, dann wird es auch nichts anderes mehr schaffen. Das wird mir in diesem Moment schmerzhaft bewusst.

Vielleicht hatte Jo recht? Wenn er nicht mal hören will, was ich zu sagen habe, dann ist es das, was zwischen uns war, womöglich gar nicht wert, dass ich noch länger darum kämpfe.

„Du willst also, dass ich dir zuhöre? Wieso, Liz? Bin ich noch nicht genug am Boden für deinen Geschmack? Willst du ernsthaft nochmal nachtreten?"

Verständnislos schüttle ich den Kopf. Wie kommt er bloß auf solche Gedanken? „Wieso nachtreten? Mir ist es wichtig, dass du mich verstehst, Luke. Das hat doch nichts mit Nachtreten zu tun." Angestrengt suche ich sein Gesicht nach einer Gefühlsregung ab, doch der abweisende Ausdruck darin lässt mich frösteln.

„Na schön. Tu, was du nicht lassen kannst und liefere mir deine Erklärung. Ich höre dir zu, unter einer Bedingung. Ich will, dass du mich danach ein für alle Mal in Ruhe lässt."

„Du willst mir zuhören?", frage ich leise und meine Augen weiten sich staunend. Seine Bedingung überhöre ich geflissentlich. Ich kann kaum glauben, dass er seine Meinung nun doch noch geändert hat. Sofort flackert der kleine Hoffnungsfunke in mir wieder auf. Er ist offenbar nicht totzukriegen.

„Nur, um endlich komplett damit abzuschließen. Das heißt nicht, dass ich dir verzeihe, Liz. Ich glaube auch kaum, dass du das hinkriegen wirst."

Die Härte in seiner Stimme bringt mich schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Mit zittrigen Händen stelle ich die Gitarre wieder an ihren Platz in der Zimmerecke. Gleichzeitig schwöre ich mir, sie aus ihrem tristen Dasein zu erlösen, falls es mir doch noch irgendwie gelingen sollte, ihn zurückzugewinnen. Dann wird sie definitiv zu meinem Lieblingsinstrument werden. Im Moment sieht es allerdings ganz und gar nicht danach aus.

„Vielleicht sollten wir uns an den Tisch setzen, den du so überaus liebevoll arrangiert hast? Fast, als hätten wir ein Date oder so was." Seine Stimme trieft vor Ironie. Ein Date mit mir zu haben erscheint ihm offenbar inzwischen als eine vollkommen absurde Vorstellung. „Du warst dir anscheinend sehr sicher, dass ich dir zuhöre. Aber wie man sieht, hast du es ja auch geschafft. Ich habe mich dazu breitschlagen lassen. Wieder einmal hast du mich perfekt manipuliert." Er zieht missmutig die Augenbrauen zusammen, als würde ihm dieser Gedanke gerade erst durch den Kopf schießen und überhaupt nicht passen.

„Du unterstellst mir wirklich nur die miesesten Absichten", fauche ich ihn an. Vermutlich etwas zu harsch, weil so langsam der Zorn in mir hochkocht. Er kennt die Hintergründe noch immer nicht, hat sich aber bereits ein komplettes Bild gemacht. Es wird unglaublich schwer werden, ihn davon abzubringen, das wird mir immer klarer. Verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen ist an sich schon eine schwierige Sache, doch bei seiner Vorgeschichte wird es mit Sicherheit nochmals um ein Vielfaches schwieriger werden.

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