39 JO ‖ Beratungsresistent

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Der Fitnessraum in unserer Villa ist genial. Er befindet sich im Kellergeschoss direkt neben einem gut bestückten Weinkeller und ist mit sechs Geräten der neuesten Generation ausgestattet. Ich hatte es wirklich nötig, mich abzureagieren, denn heute Morgen war ich mehrmals kurz vorm Ausrasten. Eine Strecke von fünfzehn Kilometern auf dem Laufband hat diesen Zweck jedoch voll und ganz erfüllt.

Ich greife mir ein frisches Handtuch aus dem Regal. Da die flauschigweichen, dicken Teile regelmäßig aufgefüllt werden, brauche ich nicht mal daran zu denken, mir eines hierher mitzubringen.  Die beiden Hausangestellten, die sich abwechslungsweise um die Villa kümmern, sorgen für fast alles. 

In dem Moment, als ich mich umdrehen und ins angrenzende Bad verschwinden will, um zu duschen, öffnet sich die Tür zum Studio.

„Hey, Sis", begrüße ich meine Schwester, während ich erstaunt meine Brauen hebe. Ich bin verblüfft, sie schon zu sehen, denn normalerweise kommt sie in letzter Zeit immer erst spät am Abend nach Hause. „Heute gar keine Bandprobe?"

Sie schüttelt den Kopf, so dass ihr Pferdeschwanz wild herumhüpft.

„Willst du etwa trainieren? Warst ja nicht oft hier in letzter Zeit", bemerke ich mit einem Lächeln, während mein Blick über ihr Outfit schweift. Sie trägt eine Sportleggings und enges Top, beides in schwarz. 

Liz zuckt mit den Schultern. „Ich hatte keine Zeit, wie du wohl weißt. Aber heute hat Luke uns ausnahmsweise frei gegeben", erklärt sie mir und verengt dabei ihre Augen zu schmalen Schlitzen. Ganz sicher rechnet sie damit, dass ich gleich mit einer Standpauke loslegen werde, denn die Aktion, die sie heute Morgen gebracht hat, war wirklich nicht ohne. Ihr ist klar, dass ich sauer bin. Das bin ich tatsächlich, aber bei dem, was ich ihr nachher sagen muss, will ich sie lieber nicht jetzt schon in Rage versetzen. Sie kann ganz schön austicken, wenn sie sich aufregt.

Sie legt ihren Kopf leicht schief und fixiert mich nachdenklich, wobei sie sich mit dem Zeigefinger ans Kinn tippt. Das macht sie oft, wenn ihr etwas seltsam vorkommt. „Okay, Jo. Du willst mir irgendetwas Unangenehmes sagen. Und ich muss dir auch was sagen, aber etwas Schönes, das dir wahrscheinlich trotzdem nicht gefallen wird. Also, wer von uns beiden fängt an?"

Etwas Schönes? Ich ahne, was das sein könnte, hoffe aber gleichzeitig, dass ich mich irre. Mit dem Handtuch rubble ich mir nochmals durch die Haare und werfe es dann lässig in den dafür bereitstehenden, weißen Rattanwäschekorb. „Na schön, du fängst an", beschließe ich. Denn nach dem, was ich ihr sagen will, ist sie sehr wahrscheinlich nicht mehr in der Stimmung oder möglicherweise sogar nicht mehr in der Lage dazu, mir ihre Neuigkeiten mitzuteilen.

Verdammt, ich habe wirklich Angst davor, wie sie reagieren wird. Sie hat in letzter Zeit eindeutig schon zu viele schlechte Nachrichten einstecken müssen.

„Kann ich vorher noch duschen?" Ich deute auf mein verschwitztes Shirt. Eigentlich will ich die Sache schnell hinter mich bringen, aber ich bin komplett durchnässt und die Klimaanlage wirbelt ganz schön kalte Luft um meinen Körper.

„Klar, geh nur. Ich weiß ja, dass du nicht lange brauchst." 

Sie sieht glücklich aus, was nach den Hiobsbotschaften von heute Morgen über unsere Band überhaupt nicht ins Bild passt und mich deshalb in meiner Vermutung über das, was sie mir erzählen will, bestärkt. Das gefällt mir gar nicht.

Mit einem Seufzer verschwinde ich im Bad. Ich entledige mich meiner Kleidung, steige in die Dusche und genieße den warmen Wasserstrahl, der auf meine ausgepowerten Muskeln trifft. Dabei schweifen meine Gedanken ganz von allein – wie fast ständig, wenn ich mich nicht direkt dazu zwinge, an was anderes zu denken – zu Patricia. Vor meinem inneren Auge erscheint ihr hübsches Gesicht, ihre Augen strahlen und funkeln mich an. Ich muss mich schwer zusammenreißen, um meine Gedanken nicht einfach weiterschweifen zu lassen und damit gewisse körperliche Reaktionen auf dieses Kopfkino zu provozieren. Immerhin wartet Liz nebenan auf mich und allzu lange will ich sie auch nicht schmoren lassen.

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