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Aric erinnert sich noch genau daran, wie er mit seiner heulenden Schwester zum Auto gelaufen ist. Es war ziemlich riskant gewesen überhaupt noch in seinem Zustand zu fahren. Aber er hatte bei weitem nicht so viel getrunken wie die anderen. Und er ist auch nur ein Stück weit gefahren um irgendwo am Seitenstreifen zu halten. Hauptsache vom See entfernt. Er hat versucht Flo zu beruhigen, da diese immer noch zu dem Zeitpunkt am Flennen war. Als großer Bruder hat er es sich zur Verantwortung gezogen Flo zu besänftigen und auf sie einzureden.

„Ich habe ihr gesagt, dass sie es einfach vergessen und am Besten nie wieder erwähnen soll. Einfach nicht daran denken. Aber ich schätze das letzte mal am See hat es sie wieder zurück versetzt in die Vergangenheit." Aric seufzt und schaut dann zu Celestia. „Das war alles." beendet er seine Geschichte.

Sie versuchte es sich vorzustellen wie es damals wohl alles ausgesehen haben muss. Wie ein Mädchen sich maßlos betrinkt und dann im See ertrinkt. Und niemand hat es überhaupt mitbekommen. Irgendwer anscheinend dann schon, sonst wäre nicht die Polizei angerufen worden. „Und wieso hast du es nicht mitbekommen?" fragte sie Aric neugierig.

Dieser holte tief Luft und stieß sie dann langsam aus. Er versuchte ihr nicht in die Augen zu sehen, als er die nächsten Worte sprach. „Ich sagte doch, wir waren alle mehr oder weniger beschäftigt." Er hob eine Hand um seinen Nacken zu kratzen und ließ die Hand dann wieder sinken.

Einen Moment schaute Celestia ihn an bis es dann in ihrem Kopf Klick machte. ‚Beschäftigt'. Er war wohl mit einem Mädchen beschäftigt gewesen. Celestia fragte sich versehentlich, wer sie wohl war. Und wie weit sie gegangen sind. Aber den Gedanken verwarf sie sofort wieder. Das ging sie nichts an. Sie holte ebenfalls tief Luft und leckte sich kurz über die Lippen. „Und dieser Vito ist immer noch im Gefängnis wegen der Sache?" fragte sie um das Thema zu umgehen. Aric schüttelte den Kopf.

„Er ist auf Kaution auf freiem Fuß. Wohnt sogar bei dir in der Gegend." erklärt er. Das überraschte Celestia. Jemand den Aric kennt wohnt in ihrer Umgebung. „Er ist ein lustiger Typ. Er kommt aus Bulgarien. War schon lange nicht bei ihm." überlegte er. Ein schwaches Lächeln befindet sich auf seinem Gesicht. "Seit er aber wieder draußen ist, und das auf Kaution, versucht er es möglichst zu meiden raus zu gehen. Ich besuche ihn nur ab und zu zu Hause und manchmal bei ihm unten vor der Haustür."

In diesem Moment hört man die Schulklingel draußen klingeln. Celestia, die sich bewusst ist, dass sie immer noch eine neue Schülerin hier ist, möchte sofort ihre Tasche packen und raus. Aber Aric hält sie lachend auf. „Warum denn plötzlich so schnell? Hast du angst vor Fehlzeiten?" fragt er sie und lässt seine Hand an ihrem Arm, woran er sie zurück zieht. Er zieht sie näher an sich ran und lächelt amüsiert.

In dem Licht der schwachen Glühbirne sieht sein Gesicht wirklich schön aus. Das hat sie auch schon bemerkt, als er ihr die Geschichte von Sydney erzählt hat. Aber jetzt blicken sie sich einfach nur an. Und sie kann sein gesamtes Gesicht in Ruhe mustern. Seine Augen sind in einem Misch aus Grün und Braun und sehen hell aus. Sie bewundert seine vollen rosigen Lippen und die hohen Wangenknochen, mit denen er eindeutig einem Model ähnelt. So wie es Tante Kate damals sagte. Er hat volles Haar, was er immer ein wenig nach hinten stylt. Nur ein paar mal konnte sie ihn ohne frisierte Haare sehen und selbst da sah er atemberaubend aus. Sie fragt sich wieder einmal, was so jemand wie Aric an ihr fand. Und wieso er seine Zeit mit ihr verbrachte.

„Wir können auch hier bleiben." sagt er leise und schiebt nochmal ihre Haare über ihre Schulter. Mit den Fingern fährt er über ihren entblößten Hals. Es bereitet ihr Gänsehaut. Und unwillkürlich atmet sie scharf ein, als er eine Stelle an ihrem Hals berührt, die sich ein wenig empfindlich anfühlt. In seinen Augen glitzert es etwas, als ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht erscheint. „Oder woandershin. Wie du magst." sagt er und überlässt somit Celestia die Wahl.

Sie musste sich zusammenreißen nicht unter seinem Blick dahinzuschmelzen und nachzugeben. Sie war schon längere Zeit hier auf dieser Schule und konnte sich so etwas nicht erlauben. Es würde kein gutes Bild abgeben, wenn sie nicht zum Unterricht erscheint. Auch das zu späte Erscheinen ist riskant. Deshalb sollte sie von ihm wegtreten. Sie sollte Abstand halten. Von ihm und seinen Berührungen. Sonst würde sie nachgeben.

„Ich glaube, dass wäre nicht so eine gute Idee." erwiderte sie leise. Sie bemerkte, dass seine Finger zu ihrer Schulter wandern und dort unsichtbare Linien zeichneten. Das Kribbeln in ihrem Bauch erschien wieder mal und sie wollte ihn gerne ebenfalls berühren. „Ach ja, und wieso nicht?" Fragt Aric mit einem verschmitzten Grinsen.

,Das weißt du genau.' wollte sie gerne sagen. Aber sie brachte die Worte nicht über ihre Lippen. Einerseits, weil er ihr wiedermal die Sprache verschlug mit seiner bloßen Anwesenheit und andererseits weil die Tür zur Besenkammer in diesem Moment geöffnet wurde. Ein glatzköpfiger Mann mit einem braunen Overall stand in der Tür und sah die beiden Teenager überrascht an. Celestia, welche die Augen etwas zusammen kneifen musste, da das Flurlicht deutlich heller war als die einzelne Glühbirne der Besenkammer, las sein Namensschild was auf seinen Overall gestickt war. Pete.

„Nicht schon wieder." stöhnte er entnervt und fasste sich an die Stirn. Das Knistern zwischen Aric und Celestia war verschwunden. Stattdessen fluchte Aric und schnappte sich Celestia's Hand um sie mit sich zu ziehen. Er huschte schnell an dem Haumeister vorbei und lief davon. Er hörte noch, wie der Hausmeister ihnen hinterherrief, dass das ein Nachspiel haben wird wenn er die beiden noch einmal hier sieht und, dass die Besenkammer nicht für solche perversen Jugendspielchen zur Verfügung steht. Aric lief einfach weiter. Er bog bei der ersten Gelegenheit in einen anderen Gang um aus dem Sichtfeld des Hausmeisters zu entkommen.

Ihr Herz schlug rasend in ihrer Brust. Sie wurde von Aric mitgezogen und konnte nicht noch einmal über den pöbelnden Hausmeister nachdenken oder das sie beide nun eventuell Ärger bekommen könnten. Sie dachte nur an ihren schnellen Herzschlag und das Kribbeln im Bauch. Es  war wie im Schwimmbad, als sie eingebrochen sind. Es ist das aufregende Gefühl, etwas zu tun was man sonst nicht machen darf. Sie liefen gemeinsam einfach immer weiter. Irgendwann als Aric langsamer wurde merkte sie, dass er lachte. Und obwohl sie normalerweise in Panik ausbrechen würde und einsehen würde, was die beiden eben getan haben und auch was für Konsequenzen vielleicht Aric und Celestia drohen, konnte sie sich nicht daran hindern mit Aric gemeinsam zu lachen.

NAmeS GAMeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt