Wie das Herz das Hirn besiegte

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Kapitel 46- Wie das Herz das Hirn besiegte


Nach Harrys lautstarkem Abgang hatte ich mich einfach weiterhin schlafend gestellt, was eher weniger gut klappte, denn ausgerechnet jetzt musste ich niesen.
„Gesundheit", kam es von Niall und ich murmelte ertappt ein „Danke", ehe ich mich umdrehte und ihn ansah.
Er sah mich teils unsicher an, teils sah er gequält aus: „Seit wann bist du wach?"
„Dir auch einen guten Morgen, Niall", erwiderte ich und betonte damit, dass er mir keinen guten Morgen gewünscht hatte.
Nicht dass ich darauf bestand oder so, aber trotzdem wäre es nett gewesen.
Somit hatte ich etwas Zeit um darüber nachzudenken, was ich Niall antworten würde.
„Liza", seufzte Niall, „Antworte mir einfach."
„Wieso, hast du was Verbotenes gemacht oder warum fragst du?", grinste ich ihn an, überspielte meine Fragen und Unwissenheit.
Die Gesichtszüge des jungen Mannes lockerten sich, es schien, als würde ihm gerade ein Stein von Herzen fallen.
Er war eindeutig froh darüber, dass ich nichts von dem Gespräch gehört hatte.
Auch wenn ich eine wahnsinnig schlechte Lügnerin war und es nicht mochte zu lügen, so war ich doch froh, dass ich es getan hatte.
Was wäre gewesen, wenn ich ihm die Wahrheit gesagt hätte?
Würde er mich dann auch so anlächeln, wie er es gerade tat?
Würde er dann auch langsam auf das Bett zu kommen, sich neben mich legen?
Klar, ich wusste es nicht, aber vermutlich war die Antwort „Nein, würde er nicht".
Ich war mir nicht sicher, worum es bei diesem Gespräch ging, auch wenn ich gerade meine Glücksbringerdrumsticks darauf verwetten würde, dass Harry und Niall darüber geredet hatten, dass Niall etwas von mir wollte.
Etwas außer Sex, denn davon konnte Harry ja nichts wissen, oder doch?
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Nialls Hände unter mein Oberteil fuhren und seine Fingerspitzen Kreise um meinen Bauchnabel malten, er selbst lag seitlich neben mir und beobachtete mich.
Nicht sicher, was ich machen sollte, legte ich meine Hand auf seine linke Wange und richtete mich dann so gut es mit meinen schwachen Bauchmuskeln ging auf, küsste ihm seine andere Wange, fast seinen Mundwinkel, und lächelte ihn an: „Hey, alles okay bei dir? Du siehst ein bisschen durcheinander aus."
Er schüttelte nur den Kopf: „Nein, alles okay, mach dir keinen Kopf wegen mir."
„Mach ich mir aber. Du weißt, dass du mit mir reden kannst, ja? Also wenn du Bedürfnisse hast mit mir über irgendwas zu reden, dann mach es einfach. Bitte."
Seine Mundwinkel zuckten: „Gilt das auch bei anderen Bedürfnissen?"
Leise lachte ich auf, verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf darüber, was für perverse Gedanken dieser Junge hatte.

***

„Nette Aussicht", kommentierte Niall.
„Ha, ha, ha", machte ich und sah ihn ganz leicht angepinkelt an.
Ja, meine Laune war vielleicht etwas im Keller, aber das lag daran, dass ich zusammen mit Niall in meinem Hotelzimmer stand und Kleidung vom Boden aufsammelte, die Caroline und ich dort gestern verteilt hatten.
Sehr säuberlich und ordentlich natürlich.
Da ich keine Hose trug, sondern nur Nialls Shirt, und mein Hintern dank meiner Haltung nach oben gestreckt wurde, begutachtete Niall meinen Hintern ziemlich auffällig anstatt mir zu helfen.
„Du könntest mir auch mal helfen, findest du nicht?"
„Lass mich nachdenken...Nope."
Argh.
Okay, ganz ruhig, Liza, alles ist gut.
Klar war das eigentlich gut, wenn der Schwarm einem auf den Hintern guckte und das, was er sah, gut fand, aber ich brauchte nun wirklich dringend die Jeans, die ich suchte.
„Zieh doch einfach eine andere an", schlug Niall vor.
„Nein, ich will genau die Jeans anziehen und keine andere", regte ich mich auf und starrte ihn feindselig an: „Und sie muss hier irgendwo sein, also beweg deinen fetten Arsch und hilf mal mit anstatt nur dumm rumzusitzen!"
„Jaja, komm runter und beruhig dich mal. Hast du deine Tage oder so?", Niall erhob sich wie in Zeitlupe, während ich ihn nun noch aufgebrachter ansah: „Entschuldigung?!"
Niall hob unschuldig seine Hände in die Höhe: „Ich hab nichts gesagt."
„Wieso hab ich dann was gehört, hm?!"
Im Augenwinkel konnte ich sehen, wie er seine Augen verdrehte.
Idiot.
Nach weiteren zehn Minuten war ich mir sicher: Jemand hatte meine Hose geklaut. 
„ICH FASS DAS NICHT", regte ich mich auf, „Das war meine fucking Lieblingsjeans!"
„Du hast sie noch nie getragen, seit wir auf Tour sind", mischte sich Niall ein.
„WAS WEISST DU SCHON", keifte ich ihn an und warf ein T-Shirt nach ihm.
„Liza, komm runter, ernsthaft. Ich hab nen Kater und du schreist hier rum wie bei einer Apokalypse, was soll das?"
Eine dritte Stimme erklang und ich sah zum großen Bett, in dem Will schlief.
Ach ja, stimmte ja, der war auch noch da.
„Übrigens solltest du dir vielleicht was anziehen", erinnerte er mich daran, dass ich immer noch relativ unbekleidet im Raum stand.
Sein Blick wanderte zu Niall, also sah auch ich zu Niall.
Wow, wenn Blicke töten könnten, dann wäre Will schon längst tot.
Verärgert darüber schlug ich gegen Nialls Arm, ermahnte ihn stumm dazu, nicht ganz so deutlich seine Abneigung gegenüber William zu zeigen.
Ernsthaft, was sollte das?
Ich verschwand mit einem Stapel Kleidung im Bad, duschte und beeilte mich so sehr es nur ging mit dem Umziehen und Schminken, denn ich befürchtete, dass Will nicht mehr leben würde, wenn ich zu lange bräuchte.



In einer schwarzen Lederjeans, einem weißen Top und einer Jacke, die aussah wie von meiner Oma geklaut, verließ ich das Badezimmer wieder.
Während ich checkte, ob alle Anwesenden noch lebten, setzte ich mir eine Beanie auf den Kopf und eine schwarze Sonnenbrille auf die Nase, einfach weil ich damit cooler und eventuell auch dämlicher aussah, denn es war Winter und wirklich viel Sonne war noch nicht zu sehen, doch das war mir egal.
In meinen kaum genutzten Ohrlöchern steckten Ohrringe, die aussahen wie Pistolen, an meine Füße machte ich schwarze Keilabsatzschuhe, denn wir würden bestimmt gleich essen gehen und die beiden Männer trugen bereits Schuhe.
Will war in der Zwischenzeit aufgestanden und hatte sich wohl umgezogen, Niall hatte seinen Blick von seinem Handy gehoben, als ich aus dem Badezimmer kam.
Die dicke Luft, die im Raum lag, war ohne weiteres zu erkennen.
Will lächelte mich aufmunternd an, auch wenn er selbst eher weniger glücklich wirkte.
Ein Lächeln bedeutete nicht gleich, dass alles in Ordnung war.
„Gehen wir?", fragte ich und durchbrach somit das eiserne Schweigen, das mich eher an die Stille in einem Dokumentarfilm erinnerte, wenn zwei rivalisierte Tiere kurz davor waren aufeinander los zu gehen.
Eigentlich passte diese Szene wie die Faust aufs Auge, denn die Blicke, die Will abbekam, wirkten bedrohlich und das überraschte mich dann doch, denn Niall war eher der friedliche Typ.
Aber gut, ich konnte es ihm nicht übel nehmen, war es doch ich gewesen, die William noch vor nicht allzu ferner Zeit eine Ohrfeige verpasst hatte!
„Ja, lass uns gehen", sagte Niall, betonte ziemlich stark das „lass", denn er sprach ganz eindeutig nicht von William.
Dieser nahm es mehr oder weniger gleichgültig hin, folgte Niall und mir auf den Gang.
Dort trafen wir gleich auf Ashton, der mich breit angrinste: „Und, wie war das Essen mit deiner Familie?"
Ich zuckte nur mit den Schultern, dankbar für eine Ablenkung von dieser unausgesprochenen Streiterei zwischen Niall und William.
„Relativ gut, würde ich sagen. Zumindest hat meine Mom noch nicht das Tattoo bemerkt", grinste ich schief und Ashton lachte auf: „Dann war sie aber sehr abgelenkt, oder?"
Ich nickte: „Jop, das kann man so sagen!"
Und wie man das konnte.
Nachdem Josh und Josy dieses Lebewesen erwähnt hatten, hatte Mom Stimmungsschwankungen.
Sollte sie es gut finden oder schlecht, sich freuen oder losheulen?
Doch Mom wäre nicht Mom, wenn sie es nicht geschafft hätte dramatisch alle Möglichkeiten auszuprobieren.
„Ich bin viel zu jung um Großmutter zu sein", hatte sie geschluchzt nur um im nächsten Moment zu sagen, dass sie ja so noch fit genug wäre um sehr viel Zeit mit dem Kind zu verbringen.
An dieser Stelle hatte ich mit Josh mitleidige Blicke ausgetauscht.
Am Ende waren wir alle so geschockt gewesen, dass wir erst einmal etwas darauf trinken mussten.
Dann hatten wir darauf anstoßen müssen, dass wir ein neues Familienmitglied hatten.
Danach hatte Mom sich so sehr gefreut, dass sie ein britisches Enkelkind hatte, dass sie noch eine Flasche Wein bestellt hatte.
Dann hatte Dad sich einfach aus Langeweile Alkohol bestellt, bei dem ich dann natürlich auch mitgetrunken hatte.
Und ja, Dad hatte sich tatsächlich gelangweilt.
Sein Sohn hatte ihm gerade eröffnet, dass er zusammen mit seiner Ex-Freundin ein Kind hatte, seine Frau erlitt hysterisch einen Nervenzusammenbruch und das ganze Restaurant dachte, dass ich eine Abtreibung gehabt hatte, aber Dad fand das langweilig.
Zur Erinnerung: Er hatte geschrien, als ich angeblich abgetrieben hatte.
Als Josh ihm von seinem Enkelkind erzählt hatte, hatte er nur still da gesessen und einige Sekunden später als erste Reaktion darauf zum Weinglas gegriffen, so als hätte ihm gerade jemand erzählt, dass eine unbekannte amerikanische Fußballmannschaft ein unwichtiges Spiel verloren hätte.
Who cares.
Und jetzt die Preisfrage: Welches Kind mochte mein Vater wohl mehr?
Über die Antwort ließ sich streiten, aber da Josh einmal auf die Geburtstagskarte meines Vaters „Alles Gute zum 55. Geburtstag" geschrieben hatte, obwohl er gerade mal 45 geworden war, setzte ich mal darauf, dass Dad mich mehr mochte.
Es war ja nur logisch.
Alles andere war unwahrscheinlich, Punkt, Aus, Ende.

***

Wir überlebten die Aufzugfahrt nur knapp und mit „wir überlebten", meinte ich uns alle vier, Ashton, William, Niall und ich.
Ich überlebte die Fahrt nur knapp, weil ich beinahe Selbstmord begangen wäre, dank diesen nervigen drei Idioten.
William überlebte die Fahrt nur knapp, weil Niall beinahe auf ihn losgegangen wäre.
Niall überlebte die Fahrt nur knapp, weil ich beinahe auf ihn losgegangen wäre, weil er beinahe auf Will losgegangen wäre.
Und Ashton, tja, Ashton überlebte die Fahrt nur knapp, weil Niall, William und ich ihn beinahe umgebracht hätten, weil er einfach ununterbrochen redete, keine Pause machte und Williams und meinen Kater damit leicht reizte.
Gut, ich hatte einen kaum vorhandenen Kater, so viel hatte ich ja auch nicht getrunken, aber trotzdem war es ein Kater und Ashton ging mir gerade gehörig auf die Nerven. 
„Ihr seht ein bisschen gereizt aus", begrüßte uns Preston.
„Wir? Ach was! Wir sind gut gelaunt", erwiderte Ashton lachend und ich war kurz davor einen Teller nach ihm zu werfen, als ich mich auf einen freien Stuhl setzte.
„Genau, Presti, wir sind gut gelaunt", kommentierte ich trocken und erntete ein Grinsen von Preston.
Er korrigierte mich nicht einmal wegen seinem Spitznamen.
„Trink erst mal etwas Kaffee, Devine", schlug er stattdessen vor und reichte mir eine blaue Kaffeekanne, die bereits nicht mehr ganz so schwer war, wie sie vermutlich war, als man sie frisch auf den Tisch gestellt hatte.
Ich tat wie gesagt und schenkte mir eine Tasse Kaffee ein, trank einen Schluck und tat so, als hätte ich mir nicht gerade die Zunge an der heißen Flüssigkeit verbrannt.
Dieser Tag startete ja schon mal gut.
Wir hatten einen großen Teller mit Croissants auf dem Tisch und als ich ihn ansah, fühlte ich mich wie im Paradies.
Charlie in der Schokoladenfabrik, nur eben Liza vor dem Croissantteller.
Hungrig nahm ich mir eins, versorgte mich mit Nutella und begann zu essen, während ich mich bemühte die Blicke zu ignorieren, die alle mir zuwarfen.
„Okay, ef reift jetft. Waf guckt ihr alle fo? Hab ich waf im Geficht?"
„Nicht im Gesicht, aber im Mund. Man spricht nicht mit vollem Mund", meinte Marco streng und ich unterdrückte den Wunsch ihm etwas in den Mund zu stopfen, damit er die Klappe halten musste.
„Wie war das Essen mit deinen Eltern?", sprach nun Liam die Frage aus, die anscheinend alle hatten.
Ich nickte nur, während ich noch einmal in mein Croissant biss.
„Ganf gut, interefant."
„Interessant im Sinne von...?", hakte nun Zayn nach.
Dieses Mal schluckte ich erst herunter, dann antwortete ich ihm: „Interessant im Sinne von ich bin Tante."
Prustend spuckte Zayn seinen Kaffee quer über den Tisch, direkt in Louis Gesicht und hustete um sein Leben, während alle anderen mich ungläubig anstarrten.
„Nein", grinste Harry ungläubig, „Josh und Vater? Das glaub ich erst, wenn ich einen Vaterschaftstest gesehen hab!"
Ich konnte nur darüber lachen, denn so in etwa hatte ich das gestern auch noch zu Josh gesagt.
Er hatte mir gesagt, dass ich es den anderen sagen durfte, da er selber wahrscheinlich nicht dazu kommen würde.
„Wenn", hatte er gestern gemeint, „dann will ich ihnen das persönlich sagen. Nur hab ich gerade selber so viel um die Ohren, dass ich das vermutlich erst in zwei Wochen schaffen würde, wenn überhaupt. Und die anderen werden dich nerven, wenn du ihnen nicht sagst, um was es ging. Es ist okay, wenn du es ihnen sagst."

***

Nachdem alle sich aus ihrer Schockstarre gelöst hatten, freuten sie sich für Josh und stritten sich jetzt schon darum, wen das Kind am meisten lieben würde.
Sandy war etwas beleidigt, dass Josh es ihm nicht gleich gesagt hatte, aber das war auch schon die schlimmste Reaktion von allen.
Während wir dann alle normal weiteraßen und das Thema von Josh auf das heutige Konzert wechselten, zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche und durchstöberte Twitter.
Dabei stach mir ein Tweet in die Augen:
@GuitarmanDan: @JoshDevineDrums Congratulations! I miss you lots, how 'bout you three coming around soon? 
Es war nicht deutlich herauszulesen, wer mit „you three" gemeint war, jedoch war es schon denkbar, fand ich.
Hoffentlich hatte Josh kein Problem damit, dass die ganze Welt davon erfahren konnte, dass er Vater war.
Ich selbst sagte aber nichts zu Dan, denn das war nicht mein Bier, sondern Joshs.
„Wann fahren wir los?", erkundigte sich Zayn bei Paul.
Irgendwie war es ja schon komisch, dass nie jemand einen Plan hatte, außer Paul.
Und Marco wahrscheinlich, aber Marco sprach ja nicht mit uns.
Okay, wahrscheinlich wussten alle Leute, die Fahrer waren oder die Bühne aufbauten, wann wir immer wohin fuhren, aber keiner von uns wusste es.
Kompliziert, kompliziert.
„In etwa drei Stunden. Macht euch dann bitte alle bereit, packt eure Sachen und seid pünktlich. Wir wollen doch keine Verzögerungen", wendete sich Paul an alle und wir nickten brav.
Eine halbe Stunde später saß ich in meinem Zimmer, legte Oberteile und Hosen zusammen, versuchte Kleider möglichst faltenfrei in den Koffer zu bekommen.
So langsam war ich echt am Verzweifeln.
Während ich also packte, erzählte mir William von seinen Problemen und ohne jetzt respektlos klingen zu wollen: Es interessierte mich nicht.
„Auf jeden Fall sagt meine Tante Georgia dann zu meinem Onkel Tom, dass meine Tante Daniella, die ja Toms Frau ist, dieses scheußliche Oberteil gekauft hätte. Und darauf Onkel Tom zu Tante Georgia: ‚Ich weiß, aber ich kann es ihr ja nicht sagen, sie mag es so sehr.' Und genau in diesem Moment kommt Benny ins Wohnzimmer, also eigentlich heißt er ja Benjamin, aber die Jungs im Fußballverein nennen ihn Benny, also müssen wir ihn auch immer Benny nennen, auf jeden Fall kommt genau da Benny ins Wohnzimmer, geht dann aber gleich wieder. Später beim Essen sagt er dann zu seiner Mutter, also Benny ist mein Cousin und das Kind von Onkel Tom und Tante Daniella, was Onkel Tom und Tante Georgia gesagt haben. Tante Daniella ist dann ausgerastet und hat Onkel Tom angeschrien und dann hat sie ihm den Verlobungsring an den Kopf geschmissen und ist abgehauen."
Zehn Stunden später wusste ich nun also auch, wie sich Williams Tante von Williams Onkel getrennt hatte, wobei ich mir nicht sicher war, wieso er „Onkel Tom" zu dem ehemaligen Verlobten von seiner Tante Daniella sagte, denn die waren ja noch gar nicht verheiratet gewesen?
Ich beging den Fehler und fragte nach.
Zwei Sekunden später bereute ich es schon, denn William begann eine andere Geschichte zu erzählen und dann noch eine und dann noch eine, alle Geschichten handelten darüber, wie gut er sich mit Tom verstand und was sie schon alles erlebt hatten und wie dieser Tom so drauf war.
Ab und zu nickte ich, lachte an möglichst passenden Zeitpunkten und dann lächelte ich einfach nur noch, während ich meinen Koffer möglichst ordentlich vollstopfte.

***

„...und hier sind eure Nachrichten vom 19. März 2013, live aus Sheffield!"
Der Radiosender, den Don eingeschaltet hatte, lief vor sich hin und ich verschränkte enttäuscht die Arme vor der Brust.
Die ganze Fahrt über hatte ich begeistert zu den Liedern mitgesungen, total egal, ob ich den Text kannte oder nicht.
Mal davon abgesehen, dass meine Stimme der einer sterbenden Katze verdammt ähnlich war, hatte ich ziemlich Spaß.
Louis hatte genauso begeistert wie ich mit gegrölt und somit Harry aufgeweckt, aber wer schlief auch schon um diese Uhrzeit?
Selbst schuld.
Die Frauenstimme berichtete erst von einem Verkehrsunfall, dann wurde das Thema gewechselt.
„Die Boyband One Direction ist in der Stadt! Heute Abend machen sie einen Stopp in Sheffield. Liam Payne, Niall Horan, Zayn Malik, Louis Tomlinson und Harry Styles machen gerade ihre Take Me Home Tour und sind momentan in der UK unterwegs, dann wird der Rest der Welt unsicher gemacht. Da sicherlich viele Directioner Sheffield FM hören, spielen wir nun einen Song vom neuen Album von One Direction: Kiss You!"
Die Anfangstöne von Kiss You begannen zu spielen und begeistert fing Louis an durch den Bus zu tanzen, während ich für mehr oder weniger taktisches Klopfen auf den Tisch sorgte.
„OH I JUST WANNA TAKE YOU ANYWHERE THAT YOU LIKE!"
„WE COULD GO OUT ANY DAY, ANY NIGHT!"
„BABY LETS GO SOMEWHERE, GO SOMEWHERE, YEAH!"
„DAS IST DER FALSCHE TEXT, YEAH!"
Lachend sah Louis mich an und ich streckte ihm die Zunge raus, dann „sang" ich weiter.
„Mein Gott, Walter! Was ist denn hier los?", Zayn starrte uns mehr oder weniger sprachlos an, während Louis und ich nun endgültig lachend auf dem Boden lagen.
„Walter", kicherte Louis und  Zayn verdrehte die Augen, seufzte kurz: „Du bist der älteste von uns, Louis. Wieso verhältst du dich immer noch wie ein Fünfjähriger, wenn es um solche Sachen geht."
Louis schien sich wieder beruhigt zu haben, denn er klang ernst: „Wer ist Louis? Ich kenne keinen Louis."
Zayn atmete so laut aus, dass ich es selbst bis hier hin hören konnte und ich lag nun wirklich nicht gerade dicht bei ihm: „Du bist Louis."
Im nächsten Moment prustete er lautstark los: „Ich heiße Walter."
Und auch wenn alles in mir und vor allem meine Reife sich dagegen sträubte, so konnte ich es nicht verhindern, dass ich lachen musste.
Leise etwas vor sich hinmurmelnd  verschwand Zayn wieder und ließ mich mit Louis alleine.
Zwar war Louis schon meistens echt reif und ernst, aber man konnte so viel Spaß mit ihm haben.
Allgemein fiel mir jetzt auf, wie sehr ich die Jungs doch zu lieben gelernt hatte, jeden auf seine eigene Art.
Zayn behielt einen kühlen Kopf, man konnte ihn oft um Rat fragen und er war aufrichtig und ehrlich.
Wenn andere Leute dabei waren, war er ziemlich ruhig, doch wenn wir alleine waren, ohne Fans und ohne Reporter, dann wachte er auf und sprach ziemlich viel.
Liam war eigentlich wie Louis, auch wenn viele ihn für so viel reifer hielten.
Harry war ähnlich wie Niall, auch wenn ich den Braunhaarigen ab und zu mal nicht verstand.
Allein seine Tweets verwirrten mich.
Und dann war da noch Niall, mein blonder Engel.
Ihn liebte ich auf eine andere Art und Weise, keine freundschaftliche, das war klar.
Und gerade als ich an ihn dachte, da tauchte er auch vor mir auf, streckte mir seine Hand entgegen, sodass ich mich daran hochziehen konnte und nun aufrecht vor ihm stand.
„Hast du kurz eine Minute?", fragte er mich und ich nickte, mein Kopf fühlte sich so an, als würde er glühen.
Ein kurzer abschätzender Blick traf Louis, dann runzelte Niall die Stirn und zog mich in Richtung Ausgang.
Wir standen bereits eine Weile auf dem Parkplatz vor der Konzerthalle, doch das Gebäude war so uninteressant, dass wir lieber im Bus geblieben waren, mit der Familie telefoniert oder uns einfach irgendwie beschäftigt hatten.
Schreie hallten über den Platz, hinter einem Zaun stand eine Menge an Fans, die sich die Seele aus dem Leib schrien, als Niall und ich ausstiegen.
Okay, wegen mir schrien sie wohl kaum.
Blondie ließ sich davon nicht beirren, winkte kurz und lief dann weiter, ich folgte ihm planlos.
„Es geht um die Hochzeit von Greg", erklärte Niall und ich nickte: „Okay, schieß los!"
„Alle gehen dort mit einer Begleitung hin und, naja, ich hab halt keine Freundin...Und wenn ich mit meiner besten Freundin Amy hingehe, kommen sofort wieder die alten Gerüchte hoch. Und das würde dann auch Amys Verlobten stören. Verstehst du?"
Ich nickte: „Du suchst also eine Begleitung für die Hochzeit deines Bruders."
„Eigentlich such ich ja nicht mehr, ich hab da schon jemanden", weihte mich Niall ein, „Und dieser jemand bist du."
Hätte ich gerade etwas getrunken, hätte ich es wahrscheinlich im hohen Bogen wieder ausgespuckt.
Bitte was?!
„ICH?!", wiederholte ich mehr oder weniger fassungslos, überrascht und...überfordert.
Überfordert deshalb, weil mein Herz „ja" sagte und mein Hirn „nein".
„Du liebst ihn, er will Zeit mit dir verbringen, sag ja", so mein Herz.
„Du liebst ihn, er dich nicht, du machst dir Hoffnungen und am Ende steht das alles in der Presse, William muss noch mehr Zeit mit dir verbringen und du wirst den Kerl nie los", so mein Hirn.
„Ähm ja", sagte Niall, „Bitte, Liz!"
Liz.
Oh bitte, Liza war nicht zu lang und nicht zu kurz, konnte er nicht einfach dabei bleiben?
Nun, anscheinend nicht.
„Lizzy, bitte", er machte einen Schmollmund und sah mich mit aufgerissenen Augen an.
Scheiße.
„Was ist mit der Presse? Die werden da bestimmt wieder ein Drama machen", wand ich ein, doch Niall wank ab: „Ich klär das schon noch ab. Außerdem hast du ja offiziell William, da sind die glücklich mit."
Erneut der Hundeblick.
Mist, Mist, Mist.
Niall, nein.
Liza, nein.
Klappe, Liza, du sagst nichts.
Sag nicht ja.
Sag es nicht.
Liza.
„Okay, ich bin dabei", sagte ich zu und ignorierte meine warnenden Gedanken.
Niall fiel mir glücklich um den Hals: „Danke, danke, danke! Du kannst dir nicht vorstellen, was meine Verwandtschaft sagen würde, wenn ich ohne jemanden auftauchen würde."
Er äffte jemanden nach, der vermutlich seine Mutter war: „Du hast schon seit Ewigkeiten keine Freundin mehr gehabt und dabei bist du berühmt, denk bitte daran, dass ich Enkel will und zwar nicht nur von Greg, sondern auch von dir, mein Lieber!"
Ich kicherte und rettete mich in einen anderen Bus, ehe Niall mich schlagen konnte.
Es war der Bus von Camryn und sie saß mit dem Rücken zu mir auf einer Sitzbank, das Handy vor sich gehalten.
Leise schlich ich mich an und schielte ihr über die Schulter auf den Bildschirm des Handys, nur um ein Bild zu sehen.
Nun wusste ich, auf wen sie stand...

@LizaDevineDrumsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt