Wie ich die Nummer von einem griechischen Gott bekam

1.1K 56 0
                                    

Kapitel 47- Wie ich die Nummer von einem griechischen Gott bekam
„DAS IST MEINE JEANS!“, schrie ich auf, als ich die Hose erkannte, die sie trug.
Camryn erschrak so sehr, dass ihr Handy ihr aus der Hand fiel und ihr Ellenbogen, mit dem sie sich auf dem Tisch abgestützt hatte, seitlich wegrutschte, sodass ihr Kopf mehr oder weniger hart auf die Tischplatte knallte.
Autsch.
Egal, das war meine Jeans.
„Ah, verdammt“, fluchte Camryn und einige nicht gerade jugendfreie Wörter drangen aus ihrem Mund.
Na, na, na, das war aber nicht das angebrachte Vokabular, Camryn!
„Wieso erschreckst du mich so?“, regte sich das Mädchen auf.
Ein bisschen Respekt vor den alten Menschen bitte!
„Wieso trägst du meine Jeans?“, erwiderte ich in einem ähnlichen Tonfall.
„Weil“, sie machte eine Pause und drehte sich dann zu mir um.
Die Stirn war etwas sehr rot und mein strenger Gesichtsausdruck fiel mir fast schon aus dem Gesicht.
Ach du Scheiße!
„Alles okay? Du guckst so komisch“, bemerkte die junge Sängerin misstrauisch, doch ich war nicht fähig ihr zu antworten, denn ich starrte noch immer auf ihre Stirn, die tatsächlich blutete.
Das Blut war jedoch nicht das schlimmste…
Ich war zwar kein Arzt, aber das sah mir ziemlich stark nach einer Platzwunde aus.
Oh Gott, ich hasste Blut.
Vor allem wenn das so aussah.
„Liza?“
Ich drehte mich um, rannte aus dem Bus und schrie nach Jon, denn er war derjenige, der gerade an mir vorbei lief.
„JON! KOMM HER, SCHNELL!“
Er sah auf, etwa zwanzig Meter lagen zwischen uns.
„Warum?“, rief er zurück, auch Dan und Sandy, die neben ihm liefen, sahen mich etwas verwirrt an.
„CAMRYN IST VERLETZT“, brüllte ich zurück und sofort rannten die Männer auf mich zu.
Ich ging ihnen aus dem Weg, wartete im Inneren des Busses auf sie.
Camryn sah mich panisch an, ahnte nicht einmal, dass sie gerade aussah wie eine Verblutende.
So langsam lief ihr ein Blutstropfen die Nase herunter und ihr Blick richtete sich auf sie, dann war es auch schon vorbei mit der ruhigen Situation.
Beruhige mal einen Menschen, der gerade am verbluten war.
„Ach du Scheiße“, kam es von Sandy, Dan und Jon gleichzeitig.
Na toll, das hatte ich auch schon hinbekommen.
Die sollten gefälligst helfen!
„Macht was!“, quietschte ich panisch.
„Ich fahr sie ins Krankenhaus“, sagte Dan, während Sandy dabei war den Bus zu verlassen, weil er das viele Blut nicht so vertrug.
Es war ja nicht das Blut alleine, es war einfach die Wunde an sich, die wahnsinnig ekelhaft aussah.
Fachmännisch gab Jon ihr ein Tuch und sagte, dass sie es nicht zu stark darauf halten sollte.
Camryn nickte nur, sah aber auch schon ziemlich bleich aus.
Wenn sie wüsste, wie sie gerade aussah…
„Auf, auf“, drängte Jon und Dan lief zu einem Wagen, zerrte mich hinter sich her.
Schnell sprang ich auf den Beifahrersitz, Dan setzte sich hinter das Steuer und Jon ließ sich neben Camryn auf die Rückbank fallen.
Anschnallen?
Überbewertet.
Das hier war ein Notfall.
Bei einer Zombieapokalypse schnallte sich ja auch niemand an.
****
„Wie lange ist sie da jetzt schon drin? Was wenn sie hirntot ist oder so?“, ich lief auf und ab, vergrub mein Gesicht in meinen zitternden Händen und war kurz vor einem Kollaps.
„Hey“, Dan schloss seine Arme um mich, zwang mich somit stehen zu bleiben.
„Bleib ruhig, das wird schon. Klar, für uns sah das schlimm aus, aber für die Ärzte hier ist das bestimmt noch harmlos. Atme tief durch“, sagte er mit einer ruhigen Stimme und lächelte mich aufmunternd an.
„Und das nur wegen einer dämlichen Jeans“, schluchzte ich auf und Dan zog mich an seine Brust: „Shh.“
Shh.
Immer diese extrem hilfreichen Leute, die einen versuchten durch ein „Shh“ zu trösten.
Verdammt, ich hätte sie töten können!
Ich fühlte mich so verdammt schuldig und da nur eine Person mit hatte in das Zimmer gehen dürfen, musste ich mit Dan draußen auf dem Gang warten.
Hier liefen allerlei Leute vorbei, mache wurden in einem Rollstuhl gefahren oder wurden von rennenden Notärzten auf Liegen an uns vorbei geschoben.
Einer hatte sogar ein Messer in der Hand stecken, doch das sah nur halb so ekelhaft aus wie Camryns Stirn.
Was, wenn man das noch sehen würde?
Oh Gott, sie war doch erst dreizehn!
Für den Rest ihres Lebens würde sie eine Narbe haben, nur wegen mir!
„Hey, wein nicht, bitte“, flehte Dan mich an, „Ich kann das nicht aushalten, wenn ich hübschen Mädchen beim Weinen zu sehen muss.“
Mal davon abgesehen, dass er gerade die hässlichen diskriminiert hatte, fand ich das ja schon süß.
Trotzdem hörte ich nicht auf.
„Da-an“, schluchzte ich.
Wir lösten uns nicht von einander, sondern verharrten in dieser Umarmung.
„Liza? Liza? Dan? DAN!“, jemand kam auf uns zu gelaufen und Dan löste sich von mir, zeigte dem Besitzer der Stimme mein verheultes Gesicht.
„Oh, hey, alles in Ordnung?“
Preston sah mich fragend an.
Nein, ich heulte immer, wenn ich gut gelaunt war.
„Ja“, nickte ich trotzdem und meine Stimme zitterte so stark, dass es offensichtlich war, dass ich log.
„Aw“, machte er, zog mich an seinen breiten Hulk-Körper und zerquetschte mich fast.
Preston war vielleicht  gut, wenn er einen vor wildgewordenen Fanmassen retten sollte, aber nicht, wenn er jemanden umarmte.
Ich fühlte mich so, als wäre ich grade der nächste Patient hier im Krankenhaus geworden, nur nicht mit einer Platzwunde, sondern mit ein paar Knochenbrüchen.
„Hey, ich weiß nicht was passiert ist, aber Camryn wird schon nicht dran sterben“, versuchte P mich aufzumuntern.
Klappte nicht so.
„Ich hab sie erschreckt und“, hektisches Luftholen, „dann ist sie mit dem Kopf“, Schniefen, „auf die Tischplatte und dann war da überall Blut und-“
Ich vergrub meinen Kopf in Prestons viel zu großem Shirt, während ich es mit meinen Tränen durchnässte.
Es vergingen Sekunden, Minuten und vermutlich auch Stunden, zumindest fühlte es sich an.
Nun ja, ein Blick auf die Uhr verriet mir dann aber doch, dass wir nur knapp fünf Minuten so zusammenstanden.
***
„Peace Leutchen.“
Eine breit grinsende Camryn mit weißem Verband um die Stirn trat aus dem Behandlungsraum und grinste uns an.
Ich war kurz davor ihr eine runterzuhauen.
Ich heulte mir hier meine Augen aus und stellte mir vor, wie sie gerade wegen mir im Sterben lag, während sie hier mit einem „Peace Leutchen“ und einem Grinsen zurück kam.
„Ich hasse dich“, heulend schlang ich meine Arme um sie und unterdrückte den Drang ihr wirklich eine Ohrfeige zu geben, denn das wäre dann wirklich Körperverletzung und allgemein war sie ja eh schon verletzt.
„Alles okay bei dir?“, hakte Camryn nach und schob mich von ihr weg, um mich prüfend anzusehen.
Ich nickte schwach, auch wenn ich kaum etwas sehen konnte durch den Tränenfilter, der auf meinen Augen lag.
„Es tut mir so leid“, wimmerte ich und Camryn umarmte mich: „Hey, hör auf zu weinen, es ist doch nichts passiert.“
Genau, sie trug wegen nichts diesen Verband.
Und sie hatte auch nicht geblutet oder sonst was.
Nein, gar nicht.
Ich hatte mich dann irgendwann doch beruhigt und festgestellt, dass ich etwas überreagiert hatte, jedoch tat es mir immer noch wahnsinnig leid.
Dies änderte sich dann aber im Verlauf des Tages, denn Camryn hörte nicht auf Witze darüber zu machen und so sehr konnte es dann doch nicht wehgetan haben.
Das einzige, was Camryn etwas störte, war, dass sie so auf die Bühne musste.
Auch der Auftritt von One Direction ging relativ schnell vorbei, desto mehr ich diese Konzerte gewohnt war, desto kürzer kamen sie mir vor.
Allerdings hatte ich während dem Konzert leichte Kopfschmerzen bekommen, dabei waren natürlich die Schreie der Fans nicht gerade hilfreich.
So fiel ich in ein x-beliebiges „Bett“ im Tourbus direkt nach dem Konzert, zog den Vorhang zu und schlief noch in meiner Jeans und meinen anderen, normalen Alltagsklamotten ein.
***
„Iza!“
Blinzelnd öffnete ich die Augen, während zwei kleine Hände meine Backen bearbeiteten.
„Iza! Afwaen! Rühsück!“
Ich sah Lux an, die mich mit einem begeisterten Gesichtsausdruck anblickte und weiterhin mit ihren winzigen Händen mein Gesicht zerdrückte.
„Morgen Luxy“, lächelte ich sie an und setzte mich auf.
„Moren Uxy“, wiederholte Lux begeistert.
Sie hatte heute wohl einen guten Tag, zum Glück.
An ihren schlechten Tagen war sie kaum auszustehen, heulte nur und wehrte sich gegen alles, was man zu ihr sagte.
Bisher hatte sie während der Tour erst ein paar schlechte Tage gehabt, an einer Hand abzählbar.
„Guten Morgen Elizabeth“, grinste nun auch eine zweite gut gelaunte Stimme, die zu Tom gehörte.
Mittlerweile war ich mir nie sicher, ob Tom nun grade da war oder nicht, er kam und ging scheinbar willkürlich.
Vermutlich gab es schon eine Logik dahinter, schließlich arbeitete Tom ja auch, aber ich konnte mir nie merken, ob er gerade da war oder zuhause.
„Hi Tommy“, erwiderte ich in der Hoffnung, dass ihn dieser Spitzname genauso aufregen würde wie mein echter Name es bei mir tat.
Allerdings reagierte Tom nicht so wie gewünscht, sondern zuckte nur kurz mit dem Mundwinkel, ehe er seine Tochter von meinem Bauch hob.
„Wie lange bleibst du?“, fragte ich ihn, da er ja wie gesagt kam und ging.
Er zuckte nur mit den Schultern: „Vermutlich bis zur kurzen Pause, also noch bis zum 23. Dann nehm ich mir meine zwei Frauen und fahre mit ihnen nachhause.“
Für einen kurzen Moment schien er in seinen Gedanken zu versinken, dann fing er sich wieder und sah mich neugierig an.
„Und du? Was machst du in deiner freien Zeit?“
Damit hatte ich mich eigentlich noch gar nicht richtig beschäftigt.
Vom 23. März bis zum 31. März war eine kurze Pause, ich konnte sie verbringen wie, wo und mit wem ich wollte.
„Ich hab noch nichts geplant, außer die Hochzeit von Greg und Denise.“
Kurz schien Tom zu stutzen: „Wie, du gehst da hin?“
„Niall braucht eine Begleitung, die ihm nicht gleich wieder Beziehungsgerüchte einbringt. Deshalb hat er mich gefragt, weil ich ja in festen Händen bin und das jeder weiß“, erklärte ich es ihm.
Tom fing an breit zu grinsen, lachte sogar kurz auf.
„Was denn?“, fragte ich ihn etwas verwirrt.
So früh am Morgen war Denken nicht mein Ding.
Nun ja, es war allgemein nicht mein Ding, egal zu welcher Tageszeit.
„Du denkst doch nicht ernsthaft, dass Niall dich als Begleitung ausgewählt hat, weil die ganze Welt weiß, dass du einen Freund hast, oder?“, lachte der Mann und sah mich belustigt an.
„…Eigentlich schon?“, erwiderte ich etwas unsicher.
Was meinte er denn damit?
„Ich hab ja schon gehört, dass Niall und du ziemlich gut miteinander seid“, meinte Tom, „Aber dass das so eindeutig ist, hätte ich nicht gedacht.“
„Ich hab keine Ahnung, was du meinst. Darf man jetzt nicht mehr befreundet sein?“, fragte ich mit einem leicht scharfen Unterton.
Mein Gehirn fügte noch still die Worte „und miteinander schlafen“ hinzu, doch das sagte ich nicht.
„Schätzchen, das geht mich ja nichts an, aber darf ich dir einen Ratschlag geben? So von erwachsener Mann zu junger Frau“, fragte er und gab mir erst gar keine Chance ihm zu antworten: „Auch Männer haben Angst zu sagen, was sie empfinden. Also nur weil dir jemand nicht von alleine sagt, dass er nichts für dich empfindet, heißt das nicht, dass er es nicht doch tut. Du musst mit ihm über eure Gefühle reden.“
„Reden wir noch von Niall oder von deiner Angst die Hochzeit anzusprechen?“, erkundigte ich mich mit zusammengekniffenen Augen.
Tom verzog kurz sein Gesicht: „Von Niall.“
Ich zog beide Augenbrauen hoch: „Sicher? Das hört sich nämlich nicht so an. Mein Gott, was ist denn so schwer daran, Lou zu sagen, dass du sie heiraten willst? Eigentlich hat sie doch sowieso schon gesagt, dass sie dich heiraten will, denn ihr seid ja schon verlobt!“
„Na und? Es gibt Frauen, die heiraten nie. Die Braut, die sich nicht traut.“
Tom strich Lux über den Kopf: „Wenn sie heiraten wollte, würde sie es doch ansprechen, oder?“
„Vielleicht denkt sie aber auch genauso? Ihr seid verlobt und habt seitdem wahrscheinlich kein bisschen von einer Hochzeit gesprochen. Und jetzt traut sich keiner von euch beiden das Thema anzusprechen. Ich versteh aber ehrlich gesagt nicht, was daran das Problem ist.“
Tom schüttelte nur den Kopf: „Das wundert mich nicht.“
Danke?
Sah ich echt so dumm aus?
„Du bist noch jung, hast nicht mal einen Freund. Nun ja, keinen richtigen, ich zähle William einfach mal nicht. Du verstehst das nicht“, meinte Tom, „Außerdem hab ich keine Angst, dass Lou einfach nur verlobt sein will, ich denke nur eben vorher nach, bevor ich das passende Timing auswähle um mit ihr darüber zu sprechen.“
Ich verdrehte die Augen, dann bemerkte ich sarkastisch: „Ach ja, richtig, ein Mann hat keine Angst.“
Tom stimmte mir nickend zu: „Du hast es erfasst. Ein Geschlecht muss ja das starke sein.“
„Manchmal frag ich mich echt, was Lou eigentlich an dir findet.“
Tom lehnte sich vor, behauptete grinsend „Ich weiß, du liebst mich, Baby“ und drückte mir einen Kuss auf die Wange, ehe er mit Lux auf dem Arm aus dem Schlafabteil verschwand.
Wir hatten inzwischen sowas wie eine Männerfreundschaft, nur mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass ich kein Mann war.
Ich fand es ja süß, dass Tom sich so Gedanken machte und vielleicht begriff ich es ja wirklich nicht, warum er jetzt Angst hatte, dass Lou nur verlobt sein wollte.
Vielleicht sollte ich mir Rat bei einer Frau holen…
Nun ja, nicht meine Mutter, das stand fest.
Camryn lief momentan rum wie eine Mumie und allgemein zählte ich sie nicht so als Frau, die Freundinnen der Jungs waren gerade nicht da und die meisten Arbeiter hier waren Männer.
Blieben nur noch Lou, Sarah aus der Küche und Helene Horlyck.
Helene Horlyck war eine dänische Sängerin, in Indien geboren, allerdings war sie nicht deswegen mit bei der Tour dabei, nein, Helene Horlyck war der Vocal Coach der Jungs.
Sie hatte blonde Haare, die wellig über ihre Schultern fielen.
Das freundliche Lächeln auf ihren Lippen schien dort vierundzwanzig Stunden täglich zu sitzen und ihre motivierende Aura umgab sie wie ein ständiger Begleiter.
Ihr Alter konnte ich nicht schätzen, irgendwas zwischen dreißig und fünfundvierzig, würde ich sagen, doch ich wollte mich nicht darauf festlegen.
Schnell machte ich mich fertig, zog mich um und schminkte mich grob, dann verließ ich den Bus.
***
„Herein, herein“, ertönte es sofort, nachdem ich geklopft hatte.
Ich öffnete die Tür, die zu dem Schlafbereich in ihrem Bus führte.
Miss Horlyck saß auf dem Boden, ein Laptop auf ihrem Schoß und ihr Blick war auf mich gerichtet.
„Miss Devine, wie schön Sie zu sehen“, freute sie sich.
Helene hatte diese Angewohnheit, alle Menschen mit „Miss“ oder „Mister“ anzusprechen.
Auch wenn ich es jedes Mal, wenn ich mit ihr sprach, aufs Neue merkwürdig fand, tat ich es ihr gleich: „Miss Horlyck, könnten Sie mir vielleicht bei etwas helfen?“
Helene, in ihren grauen Yogahosen, nickte sofort bereitwillig, ich überlegte kurz, ob sie überhaupt darüber nachgedacht hatte.
„Setzen Sie sich doch, setzen Sie sich doch“, sie klopfte mit ihrer Hand neben sich auf den Boden.
Ähm ja, ich saß immer auf dem Boden rum.
„Danke.“
Ich setzte mich ihr gegenüber, sie legte den Laptop weg, setzte sich in einen Schneidersitz oder wie genau man diese Yogaposition nannte.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“, erkundigte sie sich.
Ich atmete tief durch, bemerkte den Blick, den sie mir dabei gab, so als würde sie meine Atmung kritisieren.
Auch wenn das abwegig klang, so war es vermutlich die Wahrheit, denn schon oft hatte Miss Horlyck meine Haltung, meine Atmung oder meine Ernährung kritisiert.
Gesunder Körper, gesunder Geist.
Alles klar.
„Welche Gründe könnte es geben, dass eine Frau nicht heiraten will, sondern nur verlobt sein will?“, stellte ich ihr meine Frage.
Für einen Moment war es leise im Bus, dann legte die Blonde los.
„Nun, vielleicht will diese Frau ja eine engere Bindung als man sie bei einer normalen Beziehung hat, aber sie will sich auch noch nicht für immer binden, wie es ja eigentlich die Idee der Heirat ist. Vielleicht will sie aber auch einfach nicht den Mann fragen, ob sie heiraten oder nicht, denn das ist ja bei der Verlobung eigentlich schon beantwortet, jedoch entscheiden sich viele auch noch um. Natürlich kann es genauso gut sein, dass sie selbst sich umentschieden hat. Es gibt viele Gründe, Miss Devine. Wenn Ihre Verlobte Sie noch nicht auf die Hochzeit angesprochen hat, dann nehmen Sie es doch selbst in die Hand oder gedulden sich.“
Sie lächelte mich an und ich brauchte eine Weile, bis ich verstand, was sie meinte.
„Oh, nein, nein, ich bin nicht- Ich steh auf Männer, männliche Männer, sehr männlich“, stammelte ich und könnte schwören, dass ich rot anlief.
Helene nickte nur: „Es muss Ihnen nicht peinlich sein, Miss. Homosexualität ist völlig normal und es kommt nicht auf Ihre Sexualität an, sondern auf Ihren Charakter, Ihr Verhalten.“
„Nein, nein, glauben Sie mir, ich bin nicht lesbisch“, versicherte ich ihr schnell, anscheinend zu schnell.
Helene lächelte nur: „Keine Sorge, Ihr Geheimnis ist bei mir sicher. Ich weiß auch, dass Ihr Freund vom Management bezahlt wird.“
„Da gibt es kein Geheimnis, wirklich“, beteuerte ich, doch ehe ich es ihr noch erklären konnte, riss jemand die Tür zum Schlafbereich auf und schlug sie mir an den Kopf.
„ACH VERDAMMTE SCH-“
„Na, na, na! Wir wollen doch nicht unfreundlich werden“, lächelte Helene wie immer friedlich.
Ugh.
Wie ich doch gut gelaunte Menschen manchmal hasste.
Mark Jarvis, Personaltrainer von One Direction, 5 Seconds Of Summer und auch One Directions Band stand an der Tür und sah mich entschuldigend an.
„Kann ich helfen?“, fragte ich ihn, „Oder wolltest du nur mal jemandem eine Tür gegen den Kopf schlagen?“
„Jetzt wo du es sagst“, scherzte Mark, doch niemand lachte.
Ha.
Ha.
Ha.
„Nein, ernsthaft, wir trainieren. Sporttasche packen und auf geht’s“, er klatschte in die Hände.
Okay, jetzt lachte ich doch.
„Das war mein Ernst:“
Und noch mehr lachen.
„Beweg deinen Arsch, Devine. Wenn du willst, kannst du den auch nachher trainieren“, bot Mike an und ich zog eine Augenbraue hoch.
Sport?
Ich?
Jetzt?
Nah.
***
Flüche murmelnd stand ich vor meinem Koffer und suchte Sportsachen hinaus.
„Schätzchen, hast du es jetzt auch mal?“, erkundigte sich Mark leicht genervt.
„Tut mir leid, dass ich nicht innerhalb von zehn Sekunden alles zusammen gepackt hab. Du hättest auch früher Bescheid sagen können.“
„Du hättest auch einfach schon deine Sportsachen zusammengepackt haben können. Du wusstest doch, dass du auch in den Sportplan eingeteilt bist“, warf Mark mir vor, worauf ich nur mit den Kopf schütteln konnte, denn ich hatte nicht davon gewusst.
Klar, dass Higgins es nicht für nötig gehalten hatte, mir zu sagen, dass ich mich hier auch zum Sport verpflichtete.
Von wegen Gesundheit und so.
Dann wollte ich mal sehen, wie Paul Sport machte.
Als ich schnell ein Band-Shirt in meine Tasche gepackt hatte, lief Mark zum Wagen.
„Auf, auf, wir haben nicht ewig Zeit“, drängte er und ich lief ihm Augen verdrehend nach.
Die Erinnerungen an das letzte Mal, als ich Sport gemacht hatte, kamen für einen Augenblick in mir hoch und ich hoffte fast schon, dass Niall mit mir Training haben würde, doch es saß ein mehr oder weniger begeisterter Dan im Wagen.
„Mein Beileid“, begrüßte er mich und grinste schwach.
Man konnte ihm ansehen, wie müde er noch war.
Ich fühlte mich ja auch nicht gerade besser.
„Können wir das Training nicht später machen? Ich finde es etwas zu früh“, schlug ich vor, doch ich bekam nur einen leicht genervten Blick von Mark ab.
„Was ist denn bitte so schlimm daran?“, erkundigte er sich, „Jetzt mal ehrlich, wenn ihr mich nervt, werde ich euch nerven. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass meine Definition von „nerven“ Situps und Liegestützen sind.
Na toll.
„Hab ich dir schon mal gesagt, wie sehr ich dich liebe? Und deine Muskeln…Top!“, versuchte ich es schwach, erreichte allerdings nur ein lautes Lachen von Mark und Dan.
Dann halt nicht.
Einen Versuch war es wert.
„Danke, danke, lieb von dir“, grinste Mark, „In ein paar Monaten kann ich das auch über dich sagen.“
„WOAH, WOAH, WOAH!“, unterbrach ich ihn, „Haaaaaaalt, Stopp! Ich will nicht so ein Muskelpaket werden, so ein halber Mann, wenn du verstehst, was ich meine?“
Darauf hielt mir Mark einen Vortrag darüber, wie wichtig Muskeln ja waren und dass ich nicht in so kurzer Zeit solche Muskeln bekommen würde und so weiter und sofort, auf jeden Fall meinte er, dass wir einen persönlichen Trainingsplan für mich zusammenstellen würden und ich dann eben mehr laufen würde als Muskeltraining zu machen.
Yeay.
Wir fuhren zu einem Fitnessstudio, bei dem wir einen eigenen Raum hatten mit vielen Geräten.
Während Dan und ich zum Aufwärmen Seil sprangen und dabei halb draufgingen, stellte Mark uns Fragen und half uns somit unseren Trainingsplan zusammen zu stellen, während wir wie zwei verdurstenden Hunde keuchten.
„So, dann seid ihr ja eigentlich schon warm, oder?“, klatschte Mark grinsend in die Hände und auch wenn ich ihn eigentlich mochte, bekam ich ein schlechtes Gefühl.
Das schlechte Gefühl wurde bestätigt durch ein Laufband, das mir wahnsinnig Angst hatte, da ich nicht wusste, welchen von den vielen Knöpfen ich drücken musste, damit es anhielt, und außerdem hatte ich Angst zu stolpern.
Also lief ich eifrig, während vor mir Dan sein Bestes gab.
Mark versuchte ihn noch mehr zu motivieren, indem er ihn daran erinnerte, dass ich zusah.
Anscheinend klappte es auch relativ, wobei ich allerdings glaubte, dass das nicht an meiner Anwesenheit lag, sondern an der Anwesenheit von einer Frau.
Männer waren immer so, sobald eine Frau da war, mussten sie Hulk und Superman spielen.
„Ach, da geht noch eine Stufe, findest du nicht?“
Würde ich noch genug Luft bekommen um ihm antworten zu können, hätte ich sofort „Nein“ gesagt, doch er nutzte meine Unfähigkeit zu reden aus, um einfach auf die Taste zu drücken, die die Geschwindigkeit regelte.
„Nur ein Witz, mach ne Pause“, zwinkerte Mark mir zu und ich merkte, wie das Band langsamer wurde.
Thank god.
„Danke“, japste ich und ließ mich auf die Bank fallen, wischte mir meinen Schweiß mit einem Handtuch von der Stirn.
Wer hätte gedacht, dass ich so unsportlich war?
Ich zumindest nicht.
Nachdem ich meine Wasserflasche halb leer getrunken hatte, musste ich natürlich ganz dringend mal für kleine, unsportliche Drummerinen.
So langsam fühlte ich mich wieder wie in der Schule, denn ich fragte Mark um Erlaubnis, ob ich kurz auf Toilette gehen durfte.
Er lachte mich zwar dafür aus, betitelte mich als „süß“ und lachte dann weiter, aber er nickte und deutete zu der Tür, durch die wir am Anfang gegangen waren.
Anscheinend waren die Toiletten irgendwo da.
Liza Devine und die Suche nach der geheimnisvollen Damentoilette Teil 1.
Mir begegnete niemand und ich fragte mich, ob wir alleine im Gebäude waren.
Mein Zeitgefühl war vollkommen ruiniert, also wusste ich nicht, wie lange wir hier waren.
Aber eigentlich waren doch Fitnessstudios immer besucht, oder etwa nicht?
Nach einigen Abzweigungen an Gängen hatte ich das Schild endlich gefunden.
Als ich dann gefühlte zehn Liter an Flüssigkeit verloren hatte, ging ich zurück in unseren Trainingsraum- oder zumindest wollte ich das.
Da es wirklich viele Gänge und Türen gab, versuchte ich mich an Beschilderungen wie „Sauna gemischt“, „Saune Damen“, „Sauna Männer“, „Pool“ oder „Aerobic-Raum“ zu orientieren, aber das klappte nicht so gut.
Noch immer hatte ich keinen einzigen Menschen getroffen, was sich allerdings schon in der nächsten Sekunde ändern sollte, denn da traf ich tatsächlich jemanden, und zwar am Arm mit meiner Hand.
Wie es dazu kam?
Jemand legte mir von hinten eine Hand auf die Schulter und ich erschreckte so darüber, dass ich ihn aus reiner Notwehr schlagen wollte, da ich gleich an irgendwelche Zombies, Serienmörder und böse Monster dachte.
Ich starrte den Mann an, der vor mir stand.
Blonde Haare, braune Augen, etwa zwei Köpfe größer als ich, Grübchen und Oberarme, die doppelt so breit waren wie meine Oberschenkel.
Sein schweißnasses Oberteil lag eng an seinem Körper, sodass man das darunter liegende Sixpack klar erkennen konnte.
Mamma mia!
Dieser Typ gehörte nicht in irgendeinen Gang in irgendeinem Fitnessstudio, sondern in mein Bett ein Magazin für Fitnessmodels.
Dass diese menschliche Version von Adonis, dem griechischen Gott der Schönheit, gerade etwas zu mir gesagt hatte, merkte ich auch nur, weil seine rosa Lippen sich schlossen.
Ich kam wieder zur mir aus meiner kleinen Starre, im wahrsten Sinne des Wortes, denn wahrscheinlich hatte ich gerade mehr als nur auffällig gestarrt.
„Ähm sorry?“, sagte ich kleinlaut und könnte mich gleich darauf dafür ohrfeigen.
Selbstbewusst sein, Liza!
Er lächelte mich an und in diesem Augenblick starb ich beinahe tausend Tode.
„Du bist Kamilla, richtig?“, erkundigte er sich.
Ich schüttelte den Kopf: „Nein, ich heiße Liza.“
„Oh“, kam es nur von ihm, „Ich dachte schon, du wärst die neue Schülerin in meinem Kurs. Nun ja, dann wohl nicht. Schade  eigentlich. Schönen Tag noch.“
Er lief an mir vorbei und mein Gehirn schrie mich beinahe an, dass ich jetzt etwas sagen sollte, bevor er ganz verschwand.
„Und wie heißt du?“, rief ich ihm hinterher.
Es lagen bereits einige Meter zwischen uns, er war beinahe um die Ecke gegangen, da drehte er sich um.
„Ryan.“
Ryan.
Ein irischer Name, also war er vermutlich von dort.
Was hatten meine Gefühle denn bitte nur mit Iren?
Genau die Gruppe von Menschen, die meine Mutter nicht mochte.
Okay, sie mochte eigentlich nur Briten, aber Amerikaner, Australier und Iren waren schlimmer als die meisten anderen Länder.
In dieser Hinsicht war sie etwas nationalsozialistisch.
HEY, HEY!
KOPF AN LIZA: ER SIEHT DICH AN.
ANTWORTE IHM!
„Okay.“
OKAY?!
OKAY?!
BEI DIR IST SICHERLICH NICHTS MEHR „OKAY“!
„Wie kommt’s, dass ich dich noch nie hier gesehen habe?“, fragte er und legte seine Stirn in Falten.
Na bitte, wenigstens einer von euch beiden kann Konversationen führen.
Sei froh, dass nicht alle so dämlich sind wie du.
„Bin noch nie hier gewesen und außerdem bin ich quasi auf der Durchreise“, erklärte ich es ihm.
Er kam wieder zurück.
Oh mein Gott.
Vergiss nicht zu atmen.
„Auf der Durchreise also, hm?“, er stand nun wieder so dicht  vor mir, wie er es am Anfang getan hatte.
„Mhm“, antwortete ich ihm nur schwach, während ich zu ihm hinauf sah.
Wieso war der denn auch so groß?
Er entfernte den Kugelschreiber von seiner Brusttasche und deutete auf meine Hand: „Darf ich?“
Nicht so ganz sicher, was genau er dürfen wollte, nickte ich einfach mal.
Viel schief gehen konnte ja nicht dabei.
Er kritzelte mir etwas auf meinen Handrücken und lächelte mich dann an: „Falls du mal wieder in der Nähe bist, meld dich bei mir. Oder du verrätst mir, wo du so bist, und wenn ich mal in der Gegend bin, melde ich mich bei dir.“
Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ mich mit einer Nummer auf meinem Handgelenk alleine zurück.

@LizaDevineDrumsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt