Schlaflos

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Harry

Mühsam öffne ich meine Augen, ich muss mich kurz sortieren. Grelles Sonnenlicht fällt durch die dicken Vorhänge. Es ist Tag. Ich weiß nicht welcher und ich weiß nicht, wo ich bin. Vorsichtig setze ich mich auf, reibe meine Augen und fahre mit meinen Händen durch mein zu lang gewordenes Haar. Meine Augen brennen und mein Hals ist trocken. Ich bin in einem Hotelzimmer. So wie mein Körper sich anfühlt, ist es gestern spät geworden. Wahrscheinlich gab es den einen oder anderen Drink. Diese Risse in meinen Erinnerungen werden immer häufiger. Der Alkohol lässt mich kurz vergessen, kurz Ruhen. Ich bin fertig. Schleppe mich von Tag zu Tag und meine Probleme und Sorgen werden immer größer. Ich muss Anfangen etwas zu ändern, sonst nimmst es kein gutes Ende mit mir. Ich möchte nicht in die Reihe der Künstler die ihren 28. Geburtstag nicht erreichen. Es ist so schwer. Es ist so schwer nein zu sagen und es ist so einfach, sich zu betäuben und alles zu vergessen. Der Tag nach einem Absturz wird immer unangenehmer. Noch immer weiß ich nicht, welcher Wochentag ist. Die Tage, Wochen und Monate fliegen an mir vorbei. Ich habe keinen Halt, keinen Anker. Ich bin schwerelos und einsam. 

Harry Styles, nach außen immer gut gelaunt, strahlendes Lächeln, höflich. Ich bin müde, einfach nur müde. Mein zweites Album ist so gut wie fertig. Im Dezember wird es veröffentlicht und danach geht es auf Tour. Ich liebe das Leben auf Tour, aber ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll. Niemand hat gesagt, dass Erfolg leicht ist. Niemand hat gesagt, dass es einfach ist. Mein Perfektionismus macht es nicht leichter. Ich möchte erfolgreich sein. Ich will dieses Leben. Ich würde alles dafür geben, aber gerade bin ich einfach nicht glücklich. Ich raffe mich auf und steige gequält aus dem großen Bett. Mein Körper schmerzt. Ich gehe rüber zu dem Fenster durch das mich die Sonne verhöhnt. Normalerweise stehe ich gerne früh auf und genieße die Ruhe am Morgen. In letzter Zeit schaffe ich es nicht vor dem Mittag aus dem Bett. Zu lang sind die Abende und zu unruhig die Nächte. Ich weiß nicht, wann ich das letzte mal mehr als 4 Stunden am Stück geschlafen habe. Vorsichtig schiebe ich die schweren Vorhänge zur Seite und wage einen Blick nach draußen. 

Paris, ich bin in Paris. In der Ferne erkenne ich den Eiffelturm. Langsam kommen meine Erinnerungen zurück. Mein Team und ich haben uns gestern mit ein paar Designern getroffen, um Outfitideen für die nächste Tour zu besprechen. So kann es nicht weiter gehen. Ich muss mit Jeff sprechen. Vor der Tour brauche ich unbedingt eine Pause. Ich muss mich mit meiner Therapeutin treffen. Ich muss aus diesem Loch kommen. Aber nicht jetzt, nicht heute. Ich lege mich einfach wieder ins Bett und versuche noch etwas Schlaf nachzuholen. Mein Telefon liegt auf dem Nachtschrank. Auf dem Weg ins Bett greife ich danach. Es ist aus. Wahrscheinlich ist der Akku leer. Zum Suchen meines Kabels fehlt mir die Kraft. Ich versuche es einzuschalten. Glück gehabt, es geht noch an. Sofort ploppen Termine und Nachrichten auf. Ich wische sie alle zur Seite. Es ist kurz nach 13.00 Uhr. Wieder habe ich den halben Tag verschlafen. Wieder kam ich einfach nicht zur Ruhe und wieder haben mich Träume geweckt und nicht schlafen lassen. Es ist immer das Gleiche. 

Hände, überall sind Hände die nach mir greifen. Ich bekomme keine Luft, mein Herz rast, Schweiß steht mir auf der Stirn. Mir wird schwindelig und ich falle. Es stürzen dunkle Gestalten ohne Gesicht auf mich. Hände berühren mich und ich schreie, aber es kommt kein Ton. Ich will laut schreien, aber finde meine Stimme nicht. Die fremden Hände sind kalt und berühren mich. Sie berühren mich überall und ich kann nichts dagegen tun. Ich falle immer weiter. Hände folgen mir überall hin... Mein Atem geht schnell, zu schnell. Ich öffne meine Augen. Wieder einer dieser Träume. Schlaf werde ich wohl wieder nicht finden. Frustriert balle ich meine Hände zu Fäusten und lass sie auf die Matratze schnellen. Meine Haut ist mit einem nassen Film benetzt. Mit gesenktem Kopf mache ich mich auf den Weg ins Badezimmer. Eine kalte Dusche wird mich aus diesem Dämmerzustand holen. Danach werde ich mir Musik anmachen, mir meine Laufschuhe schnappen und eine Runde durch den Park drehen. 

Das kalte Wasser läuft mir über den Rücken. Meine Stirn ruht auf den kalten Fliesen. Ich versuche meine Gedanken abzuschütteln. Einmal ohne die Stimmen in dem Kopf. Einmal Ruhe. Keine Gedanken, keine Angst. Ich schlinge meine Arme um meinen Körper. Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen. Ich konzentriere mich auf meine Atmung. Mit jedem Atemzug werde ich ruhiger. Mein Herz hämmert nicht mehr so stark gegen meine Brust. Eine leichte Gänsehaut bildet sich an meinen Unterarmen. Ich drehe den Wasserhahn Richtung rot. Sofort wird das Wasser warm und meine Muskeln entspannen sich. Es fühlt sich an, als würde dieser schwere Stein endlich meine Brust verlassen. Eine Träne vermischt sich mit den Wassertropfen, die unaufhörlich meine Wange hinunter laufen. Mein Kopf ist endlich leer. Nichts mehr übrig von den dunklen Gedanken die mich umtreiben. 

***

Meine Lunge brennt, einen Fuß vor den anderen. Seit 20 Minuten laufe ich durch den fast leeren Park. Musik dröhnt durch meine Kopfhörer. Ich laufe schneller als gewohnt. Mein Atem geht schnell und kleine Nebelwolken stoßen unregelmäßig aus meinem Mund. Meine Muskeln sind spürbar angespannt und das wohlige Brennen setzt ein. Lange werde ich das Tempo nicht mehr durchhalten, aber ich gebe alles. Ich bringe meinen Körper bis an seine Grenzen, in der Hoffnung später in einen tiefen Schlaf zu fallen. Meine Termine für die nächsten Tage habe ich alle abgesagt. Jeff meinte, er kann sie alle alleine erledigen und braucht mich dafür nicht. Ich werde mir einen Plan machen müssen. Zuletzt hatte ich so ein Tief zum Ende der Tour mit der Band. So weit darf es nicht wieder kommen. Ich muss auf mich aufpassen. Ich habe es mir und meiner Mum versprochen. Ich renne immer weiter, bis ich einfach nicht mehr kann. Ich bleibe stehen und stütze meine Hände auf meine Knie. Meine Lungen füllen sich mit der kühlen klaren Luft. Erst jetzt fällt mir auf, dass es langsam dunkel wird und die Lampen im Park angehen. Der Park ist wirklich schön. Die Bäume tragen noch keine Blätter, aber ich denke im Frühling ist es hier wunderschön. Ich drehe um und gehe langsam in die Richtung aus der ich gekommen bin. Ich ziehe meine Kapuze tief ins Gesicht. Ich habe wirklich keine Lust heute jemanden zu treffen. 

Ich bin kurz vorm Hotel als sich eine Begegnung nicht verhindern lässt. Zwei Mädchen, ich denke nicht älter als 16 Jahre, kreuzen meinen Weg. Sie erkennen mich natürlich sofort. Eine bekommt kein Ton raus und die andere ist aufgedreht. Sie fällt mir sofort um den Hals. Meine Muskeln verspannen sich fast schmerzhaft. Atmen Harry, ein und aus. Es ist nur kurz. Du schaffst das. Ein und aus. Wie ein Mantra hallt es durch meinen Kopf. Ich löse mich vorsichtig aus der Umarmung, entschuldige mich höflich und gehe weiter. Im Hotel verziehe ich mich sofort wieder in mein Zimmer. Ich ordere über den Zimmerservice etwas zum Abendessen. Im Fahrstuhl hat mich mein knurrender Magen daran erinnert, dass ich den ganzen Tag noch nichts zu mir genommen habe. So viel zu dem Thema, dass ich auf mich aufpasse. Laut Rezeption dauert die Zubereitung etwa 45 Minuten. Genug Zeit, um nach dem Laufen ein Bad zu nehmen. Mein Zimmer liegt in den oberen Stockwerken des Hotels. Der Blick aus der Wanne ist unglaublich. Die bodentiefen Fenster erlauben einen Blick auf den beleuchteten Eiffelturm. Super Harry, du sitzt völlig erledigt in der Stadt der Liebe alleine in einer Badewanne und wartest auf ein Essen aus der Hotelküche. Besser könnte es nicht laufen. Ich habe einfach keine Lust mehr auf flüchtige Bekanntschaften. Ich suche was echtes, aber vorher muss ich meine Probleme in den Griff bekommen. 


Touchless \\Harry StylesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt