Bedingungslose Liebe

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Harry

Keiner von uns traut sich etwas zu sagen. Mein Blick ruht auf dem kleinen Teich vor dem Fenster und meine Gedanken schweifen ab. Die Wut in meinem Bauch verebbt langsam und ich hab das Gefühl wieder besser atmen zu können. Menschen sind grausam und ich kann mich nicht davon freisprechen immer ehrlich gewesen zu sein, aber ich habe aus meinen Fehlern gelernt und mir selbst geschworen, nie wieder jemanden so zu verletzen. Meine Gedanken behalte ich bei mir, ich möchte June nicht noch mehr wehtun. Es ist Vergangenheit und da soll es auch bleiben. "Ich muss wieder an die Arbeit." Junes Stimme klingt noch immer zittrig. "Ist gut." Noch immer bin ich aufgewühlt. Gott Styles, du benimmst dich wie ein Arschloch. Doch ich weiß nicht, was ich sagen soll. Sie steht auf, streicht sich ihre Schürze glatt und dreht sich um. Ich greife nach ihrem Arm. "June." Meine Gedanken überschlagen sich, doch ich kann sie nicht sortieren. Ich möchte ihr gerade so viel sagen, doch ich kann nicht. Sie nickt nur und geht.

Ich trinke meinen Kaffee aus und kritzel in meinem Notizbuch herum. Klare Gedanken kann ich nicht fassen und so bringe ich nichts sinnvolles zu Papier. June bekomme ich während der Zeit nicht mehr zu Gesicht und so beschließe ich meinen Kram zu packen und zu gehen. Vielleicht braucht sie einfach Zeit für sich. Ich gehe nach vorne zu Maze und bezahle meinen Kaffee. "Magst du June sagen, dass ich los bin? Sie kann sich gerne bei mir melden." Ich bin enttäuscht. Nicht das wir endlich geredet haben, sondern darüber wie es gerade endet. Es fühlt sich falsch an, aber ich will ihr den Raum geben. Ich nehme einen Umweg durch den Park. Die Sonne hat es noch immer nicht durch den dichten Nebel geschafft. Im Park ist es still. Ich bin es satt. Diese Ruhe macht mich fertig. Meine Gedanken werden immer lauter. Ich krame meine Kopfhörer aus meiner Tasche und fange an die Knoten im Kabel zu lösen. Egal wie ordentlich ich sie in meine Tasche lege, ich schaffe es nie sie ohne Knoten raus zuholen.

Zu Hause angekommen, gehe ich direkt in mein Ankleidezimmer und hole meine Tasche aus dem Schrank. Abhauen ist nicht die beste Lösung aber ich muss weg. Ich schmeiße ein paar Klamotten in die Tasche und hole alles weitere aus meinem Badezimmer. Im Packen bin ich Profi. Nach 10 Minuten habe ich alles was ich brauche. Die Tür fällt ins Schloss und ich schmeiße meine Tasche auf den Beifahrersitz, öffne das Tor und starte den Motor.

Bäume fliegen an mir vorbei. Ich fahre zu schnell und es ist mir egal. Ich versuche die lauten Gedanken los zu werden. Es funktioniert nicht. Ich versuche Lia anzurufen. Ich muss mit jemanden sprechen, aber sie geht nicht ran. Wahrscheinlich ist sie mitten in einer Sitzung. Auf halber Strecke halte ich an einer Tankstelle, um mir einen Kaffee und etwas zu essen zu holen. Der Kaffee schmeckt bitter. Er schmeckt wirklich nicht gut, aber das Koffein wird mir helfen auch den Rest der Strecke zu schaffen. Ich will einfach nur ankommen.

Nach einer weiteren Stunde auf der Straße bin ich endlich da. Ich fahre die kleine Auffahrt hoch und schalte den Motor aus. Was mach ich hier eigentlich? Eine Herausforderung und ich haue ab. Wie immer schaffe ich es nicht mich meinen Ängsten und Problemen zu stellen. Es klopft an meiner Scheibe und ich fahre vor Schreck zusammen. "Willst du nicht aussteigen?" Nein. Eigentlich sollte ich sofort umdrehen und zurück nach London, aber ich kann nicht. Ich brauche sie jetzt. Ich brauche genau das jetzt. Holmes Chapel erdet mich und sie? Sie liebt mich genau so wie ich bin. Mit jeder Ecke, mit jeder Kante und mit jedem Fehler. Ich öffne meine Tür und rutsche vom Sitz. Meine Beine fühlen sich steif an und ich schüttel sie aus. "Hi Mum." Ich fühle mich wie ein kleine Junge der seiner Mutter etwas beichten muss. "Hi mein Schatz. Was für eine Überraschung." Sie schließt mich fest in eine Umarmung und ich genieße das Gefühl und ihren Duft. Ich vergrabe meine Nase in ihren langen dunklen Haaren und atme. Es tut so gut. Zu Hause. Sie legt ihre Hände auf meine Schultern und schiebt mich von sich weg. "Was hast du angestellt. Ich möchte alles wissen und du lässt nichts aus." Ihr prüfender Blick wandert über mein Gesicht. Natürlich merkt sie sofort, dass etwas nicht stimmt. Ein Blick von ihr und sie weiß was mit ihren Kindern ist. Ob das eine Superkraft von Müttern ist? Ich weiß es nicht.

Nachdem ich meine Tasche ins Gästezimmer, welches früher mal mein Kinderzimmer war, gebracht habe, sitze ich mit meiner Mum im Wohnzimmer auf der Couch. Sie hat bereits Tee und Gebäck auf den Tisch gestellt und wartet darauf, dass ich endlich anfange zu erzählen. Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. "Mum ich glaube ich habe einen Fehler gemacht. Ich bin feige und einfach abgehauen." Ich erzähle ihr von Junes Vergangenheit und ich lass nichts aus. "Ich war nicht ehrlich zu June und ich weiß nicht, ob es ein Fehler war. Ich war genau wie ihr Ex, ich bin nicht besser als er. Ich hab auch schon mal jemandem so weh getan und betrogen. Ich hatte nicht den Mut es June zu sagen. Obwohl sie so ehrlich zu mir war und ich ihren Schmerz gesehen habe. Aber als ich vor ihr saß, konnte ich nicht. Ich habe zu mir gesagt, dass es meine Vergangenheit ist und keine Rolle spielt. Ich denke es tut es doch. Warum renne ich immer davon? Warum bin ich so feige?" Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Das hat June nicht verdient. Ich habe sie nicht verdient. Meine Mum streicht mir beruhigend über den Rücken. Ich fühle mich so schlecht. Ich bin ein verdammter Betrüger.

"Ach mein lieber Harry. Erwachsen werden ist nicht leicht. Man macht Fehler. Ständig, und es wird auch nicht der letzte gewesen sein. Wichtig ist, dass man dazu steht und das beste daraus macht. Du machst gerade eine schwere Zeit durch, aber du wirst es schaffen. June scheint eine intelligente, starke junge Frau zu sein. Nein, es war nicht richtig zu gehen und nein, es war auch nicht richtig ihr das zu verschweigen, aber du hast deinen Fehler erkannt. Was möchtest du jetzt von mir hören? Das was du schon weißt?" Ich löse mich aus meiner Starre und schaue sie an. Ihr mitfühlender, ehrlicher Blick versetzt mir einen Stich und ich merke wie es in meinen Augen anfängt zu brennen. "Wenn sie dir so wichtig ist, dann rede mit ihr. Sie wird es verstehen. Sie wird merken, dass du dich geändert hast und das du es bereust, wie du dich gegenüber dem anderen Mädchen damals verhalten hast. Abhauen und den Kopf in den Sand stecken ist nicht unser Stil und so habe ich dich nicht erzogen. Du weißt, du bist hier immer willkommen, aber deine überstürzte Flucht hier her wird es nicht richten." Ich weiß, dass sie Recht hat und ich weiß auch, dass diese Couch gerade der letzte Ort ist an dem ich sein sollte. Doch brauche ich sie gerade so sehr. Ich brauche ihre unkomplizierte, bedingungslose Liebe. 

Touchless \\Harry StylesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt