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"Darf ich dir Isa vorstellen?" fragt Jeff mit einem breiten Grinsen. Hinter ihm steht eine große blonde Frau. Gerade Nase, grüne Augen und für meinen Geschmack viel zu stark geschminkt. Am liebsten hätte ich laut nein geschrien und wäre schnell gegangen. "Hallo Isa, schön dich kennen zu lernen." Ich stehe auf, ziehe den Stuhl zurück und biete ihr den leeren Platz neben mir an. Jeff werfe ich, von Isa ungesehen, einen vernichtenden Blick zu. Ich bin seine Kuppelversuche leid. Er ist der Meinung, mir fehlt jemand an meiner Seite. Sicher hat er recht, aber ich habe keine Lust auf so etwas. Da ich genug Anstand besitze, weise ich die junge Frau natürlich nicht ab. Das wird ein langer Abend. Ich nehme neben ihr Platz, klappe mein Notizbuch zusammen und verstaue es zusammen mit meinem Stift in der Tasche. Gerade befinden wir uns im Restaurant des Hotels, in dem vor gut einem Jahr meine Reise zu mir selbst begonnen hat. Paris die Stadt der Liebe. Bei dem Gedanken, kann ich es nicht verhindern und verdrehe genervt die Augen. Neben den Museen und Künstlervierteln ist Paris vor allem dreckig, teuer und voll.
Ich schaffe es nicht eine vernünftige Unterhaltung mit Isa zu führen. Intellektuell sind wir nicht auf einer Welle. Wir haben einfach unterschiedliche Interessen. Gerade stützt sie ihre Ellenbogen auf den Tisch und wird wahrscheinlich gleich ihr Kinn drauf legen und die Augen kurz schließen, um danach einen Augenaufschlag hinzulegen wie er im Buche steht. 3,2,1 Aktion. Ich atme hörbar aus. Meine Laune könnte nicht schlechter sein. Ich hatte mich auf einen ruhigen Abend eingestellt. Mit meinen Ideen und meinem Notizbuch. Eventuell hätte ich mich dann später noch mit Mitch getroffen, um ein paar Sachen davon zu besprechen. Aber nun sitz ich hier und muss das über mich ergehen lassen. Ich frage mich wo Jeff immer diese Frauen auftreibt. Manchmal zweifle ich an unserer Freundschaft. Ich weiß, er meint es nur gut mit mir, aber das geht einfach zu weit. Meine Partner werde ich mir wohl alleine aussuchen können. Auch wenn schon lange Flaute ist. Ich bin nicht wirklich unglücklich mit dieses Situation. Ich bin nicht auf schnelle Nummern aus. Die Phase liegt lange hinter mir. Ich bin auf der Suche nach etwas echtem. Bin ich wirklich auf der Suche? Sucht man die Liebe seines Lebens? Und wenn sie da ist, woher will man wissen, dass es die Liebe des Lebens ist? Findet man sie, wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht? Oder ist sie auf einmal da? Keine Ahnung. Es gibt Fragen die keiner beantworten kann. Eine Frage auf die ich aber wirklich dringend eine Antwort benötige: Wie komm ich höflich aus dieser Situation? Ich will meine Zeit nicht so sinnlos verschwenden. Später werde ich dringend ein Gespräch mit Jeff führen müssen.
Isa versucht mich wieder in ein Gespräch zu verwickeln. Wie lange bist du in Paris. Wie findest du die Stadt. Was sind die nächsten Städte in die du reist? Ich antworte knapp und stelle keine Frage. Die Unterhaltung ist sehr einseitig. Sicher denkt sie, ich wäre ein eingebildetes Arschloch und ich gebe mir auch wirklich keine Mühe, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Wahrscheinlich bin ich wirklich ein eingebildetes Arschloch. Mein Telefon klingelt. Wer auch immer es ist. Danke. Unauffällig greife ich nach meiner Tasche unterm Tisch, murmle ein "Sorry, ich muss da ran" und verschwinde. Auf dem Weg nach draußen, greife ich nach meiner Jacke, die in der Garderobe hängt und schmeiße sie mir im Gehen über. Ich trete in die kalte Nacht hinaus. Wie in allen großen Städten, gibt es auch in Paris keine Sterne am Himmel. Ein Blick auf mein Telefon, zeigt mir einen verpassten Anruf von Gemma. Perfekt. Eine intelligente Unterhaltung ist genau das, was ich jetzt brauche. Schnell stecke ich mir meine Kopfhörer in die Ohren, ziehe meine Kapuze über den Kopf und biege nach links ab und laufe in eine unbestimmte Richtung. "Gem, ich bin ein schlechter Mensch." lege ich sofort los, nachdem Gemma nach dem zweiten Klingeln abgenommen hat. "Erzähl mir was neues." antwortet sie zu schnell, aber ich höre das Lächeln in ihrer Stimme. "Was hast du verbrochen kleiner? Wie heißt sie diesmal?" Der Vorteil an großen Schwestern. Sie wissen immer gleich was los ist. "Isa. Mehr weiß ich nicht. Jeff hat wieder eine angeschleppt. Ich glaube wir beide sind auf ewig dazu verdammt alleine zu sein." Auch bei ihr läuft es beim Thema Beziehungen null. "Ich denke nicht. Irgendwann findet uns die Liebe." Da haben wir es. Gemma hat wohl doch eine Antwort auf meine unausgesprochene Frage. "Meinst du sie findet uns? Es ist verrückt. Kurz bevor du angerufen hast, habe ich mich im Stillen gefragt, ob man die Liebe suchen sollte." Oder ob vielleicht doch ein Fluch auf mir liegt, da ich es einfach nicht hinbekomme. "Ich denke es ist so. Die Liebe wird dich finden und du wirst es sofort wissen. Es wird dich treffen wie der Blitz. Du wirst dir ein Leben ohne diesen Menschen nicht mehr vorstellen können. Er ist das erste, an das du denkst, wenn du die Augen aufmachst und das letzte an das du denkst, wenn du sie Abends wieder schließt. Wenn dieser Mensch den Raum betritt, spürst du es ohne ihn zu sehen. Du spürst die Aura, du wirst von ihm angezogen wie ein Magnet. Du bist von Blicken so erregt, dass sich ohne eine Berührung Gänsehaut auf deiner Haut bildet. Du musst nicht reden. Dieser besondere Mensch weiß sofort was du sagen möchtest. Er blickt dir in deine Seele und erkennt dich."
"Genau das will ich. Ich bin bereit Gemma. Ich bin bereit für so einen Menschen. Ich will keine schnellen, einfachen Sachen mehr. Ich will ankommen. Weißt du wie ich das meine? Ich fühle mich irgendwie rastlos. Als würde etwas fehlen. Als würde jemand fehlen um mich komplett zu machen." Es ist Ende April und ich merke wie kühl die Abende noch sind. Ein Schaudern durchfährt meinen Körper. Ich mache kehrt und gehe in die Richtung aus der ich gekommen bin. "Ich weiß genau was du meinst. Aber wir können das nicht beeinflussen. Es wird irgendwann passieren. Sei einfach offen. Wir haben das verdient. Wir beide." An Gemmas Tür klingelt es. "Erwartest du Besuch?" frage ich noch schnell. "Es ist Freitag Harry. Was denkst du?" Ich höre wie sie auf dem Weg zu Tür ist. "Du hast Pizza bestellt und gehst gleich auf deine Couch zum Bingen" grinse ich ins Telefon. "Du kennst mich:" Natürlich kenne ich sie. Wenn sie sich weiter so abschottet, findet sie nur der Pizzadienst und nicht die Liebe. Das behalte ich für mich und beschließe das an einem anderen Tag mit ihr zu klären. "Genieß es und lass es dir schmecken. Ich liebe dich."
"Ich dich auch. Pass auf dich auf und sag Jeff, er soll es einfach lassen, sonst hau ich ihm paar auf die Nase." Sie lacht laut. Wir wissen beide, dass sie das nie tun würde. "Mach ich. Bis bald." Ich drücke den roten Knopf und das Gespräch verstummt. Nachdenklich scrolle ich durch meine Playlists und kann mich für nichts entscheiden. Beschließe dann eine willkürliche zu nehmen. Falling slowly von Glen Hansard startet. Es hätte nicht passender sein können. Die ersten Zeilen fühle ich sofort.
I don't know you but I want you
All the more for that
Words fall through me and always fool me
So könnte man das gut beschreiben. Ich kenne dich nicht, aber ich will dich.
Man, ich muss aufhören darüber nachzudenken. Ich stehe vorm Hotel und überlege, was ich jetzt tue. Verschwende ich weiter meine Zeit und lass mich in uninteressante Gespräche verwickeln, heuchle Interesse oder bin ich das abgehobene Künstlerarschloch für das mich eh alle halten und gehe direkt auf mein Zimmer? Ich entscheide mich für letzteres, krame meine Schlüsselkarte heraus und fahre direkt mit dem Fahrstuhl auf meine Etage. Jeff texte ich kurz, dass mir etwas dazwischen gekommen ist und sie nicht warten sollen. Den Abend verbringe ich mit einem guten Film und guten Gedanken auf dem kleinen Sofa. Übermorgen startet das erste von zwei Konzerten in Paris. Danach geht es weiter nach Deutschland.Ich bin bereit.
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Touchless \\Harry Styles
Fanfic*** Hände, überall sind Hände die nach mir greifen. Ich bekomme keine Luft, mein Herz rast, Schweiß steht mir auf der Stirn. Mir wird schwindelig und ich falle. Es stürzen dunkle Gestalten ohne Gesicht auf mich. Hände berühren mich und ich schreie...