Harry
Ich falle. Ich will schreien, aber ich kann nicht. Kein Ton kommt aus meiner Kehle. Immer schneller rausche ich ohne Halt in die Tiefe. Meine Arme sind zur Seite ausgestreckt. Es ist dunkel und Schmerz zuckt dort, wo meine Nägel über die Steine kratzen, durch meine Finger direkt in mein Inneres. Noch immer schaffe ich es nicht einen Ton heraus zu bringen. Ich habe Angst. Die fliegenden Gesichter, verzogen zu Fratzen kommen immer dichter. Ich höre ihr Lachen. Es klingt verzerrt. Es trieft vor Hohn und Spott. Meine Nägel reißen und ich merke wie etwas warmes, klebriges durch meine Finger rinnt. Wieder versuche ich zu schreien, aber es gelingt nicht. Meine Augen brennen und stumme Tränen Rollen über meine Wangen. Das Atmen fällt mir immer schwerer und mein Herz hämmert in harten, wilden Schlägen gegen meine Brust. Die Fratzen sind jetzt so dicht, dass sie mich berühren können. Lange knochige Finger streichen über mein Gesicht. Ich drehe es zur Seite, aber es gibt kein entkommen. Die Hände sind überall. In meinen Haaren, auf meinen Schultern, Rücken, Beine. Überall. Noch immer Falle ich. Weiter und weiter. Ich flehe stumm um einen harten Aufprall, damit die Qual endlich ein Ende hat. Doch es ist mir nicht gegönnt. Ich falle immer weiter. Nicht aufgeben. Hallt eine süße Stimme durch meinen Kopf. Gib nicht auf. Da ist sie wieder. Doch was kann ich tun? Ich kann nicht schreien und ich finde keinen Halt. Die Wände sind zu rutschig und mir geht die Kraft aus. Wild schlage ich mit meinen Armen in alle Richtungen. Ich muss die Fratzen und die Hände los werden. Ich strampel mit den Füßen. Du schaffst das. Da war sie wieder. Mein Licht. Meine Hilfe. Die süße Stimme, die sich wie eine wärmende Schutzhülle um meine Seele wickelt. Ich schaffe es.
Ich liege nackt in meinem Bett. Meine Decke hat sich wie eine Schlange um meine Beine gewickelt. Meine Haare kleben an meiner Stirn und meine Brust hebt und senkt sich im unregelmäßigen Takt. Ich bin im hier und jetzt. Okay. Ich bin entspannter als sonst nach so einem Traum. Ich horche kurz in mich. Keine Panik. Das ist neu und ein großer Fortschritt. Doch irgendwie liegt trotzdem eine Last, schwer wie Beton, auf meiner Brust. Mein Blick geht nach rechts, doch die Bettseite ist leer. Das Laken ist zerknittert und die Bilder letzter Nacht tauchen in meinem Kopf auf. June in meinen Armen. Ihr Duft liegt noch in der Luft. Wahrscheinlich ist sie nur kurz im Bad. Ich bin noch immer etwas verwirrt von meinem Traum und checke die Uhrzeit auf meinem Telefon. Gestern Abend hatte ich keine Lust mehr es nach unten zu bringen und daher habe ich es auf den Nachttisch gelegt. Es blendet und ich kneife die Augen zu kleinen Schlitzen zusammen. 4:35 Uhr. Zu früh zum aufstehen. Stöhnend lass ich mich wieder ins Kissen fallen und schließe die Augen. Es vergeht eine Weile, wie lange kann ich nicht sagen, ohne eine Bewegung im Haus. Wo ist sie? Unruhe macht sich in mir breit. Ich beschließe sie suchen zu gehen, schwinge meine Beine aus dem Bett und auf dem Weg nach draußen, hebe ich meine Hose vom Boden auf um sie anzuziehen. Junes Sachen müssten doch auch hier verstreut liegen. Ich habe sie hier in meinem Schlafzimmer ausgezogen. Ist sie duschen? Aber dann würde ich doch das Wasser hören? Das Bad ist dunkel. Hier ist sie nicht. "June?" rufe ich einmal laut durchs Haus. Die Zimmer in der oberen Etage sind alle dunkel.
Offensichtlich brennt im Erdgeschoss auch kein Licht. Küche, Wohnzimmer und Gästebad sind auch dunkel. Auch auf der Terasse ist sie nicht. Meine Schritte, meine Atmung und mein Herz werden immer schneller. "June??" rufe ich noch einmal. Meine Stimme klingt verzweifelt und getrieben. Voller Hast reiße ich die große Terrassentür auf. Auch draußen ist sie nicht. Warum sollte sie auch? Die Nächte sind kalt. "June?" versuche ich es noch einmal auf dem Weg runter ins Studio. Auch hier niemand. Mein Herz schlägt schmerzhaft gegen meine Brust, als mir klar wird, dass sie weg ist. Sie ist einfach weg und es ist endgültig. Für immer. Die letzte Nacht konnte sie nicht überzeugen. Ich konnte sie nicht überzeugen. Nicht gut genug. Geistert es durch meinen Kopf. Ich muss mich setzten. Der Boden wird weich und alles um mich herum fängt an sich zu drehen. Ich setze mich auf die unterste Stufe der Kellertreppe. Ich bekomme keine Luft. Die Panik die vorhin ausgeblieben ist, sucht sich gerade einen Weg. Ich will das nicht. Ich stütze meine Ellenbogen auf meine Knie und vergrabe mein Gesicht in den Händen. Atmen. Ruhig atmen. Ein und aus. Ein und aus. Und wieder von vorne. Sie ist ohne ein Wort zu sagen gegangen. Ich hatte wirklich Hoffnung, dass sie sich noch anders entscheidet. Ich hatte geglaubt sie bleibt. Es trifft mich hart. Sie hatte recht, als sie sagte, dass uns diese letzte Nacht zerstören wird. Aber ich habe mich an das kleine Fünkchen Hoffnung geklammert. Ich habe gehofft, wenn ich ihr zeige, dass ich es ernst meine und ihr zeige, dass ich für sie da bin, sie es sich anders überlegt. Aber es hat einfach nicht gereicht. Ich habe einfach nicht gereicht. Diese Erkenntnis trifft mich noch härter als Junes verschwinden. Es ist wohl einfach nicht für mich vorgesehen, glücklich zu sein. Ich werde wohl nie jemanden finden, der bei mir bleibt. Den ich glücklich machen kann.
Ich konnte meine Panik wegatmen und trotte niedergeschlagen die Stufen hoch bis in die obere Etage. Ich fühle mich schlapp und krank, lass mich vor über ins Bett fallen. Das Bett riecht noch nach June. Nach Frühling. Mit dem Duft in der Nase falle ich in einen unruhigen, aber wenigstens traumlosen Schlaf.
Die Tage vergehen wie im Flug. Ich sitze auf der Wiese im Park und schreibe ein paar Zeilen in mein Notizbuch. -Baby, you're the end of June- kritzel ich immer wieder in das Buch. Der Song dazu ist lange fertig. Doch das Sommerfeeling bleibt irgendwie aus. Es tut nicht mehr so sehr weh, wenn ich an June denke. Jedenfalls nicht immer. Die ersten Tage war es schlimm. Doch meine Freunde und meine Familie haben mich aufgefangen. Dachte ich doch immer ich wäre alleine. Ich bin nicht alleine. Und auch wenn mir gerade ein Partner an meiner Seite fehlt, habe ich genug Personen um mich herum, die ich glücklich machen kann. Die letzten Tage bis zur Tour genieße ich in vollen Zügen. Ich stehe wieder mitten im Leben. Bin angekommen. Nicht perfekt, doch da. Noch immer gehe ich zu meiner Therapeutin, telefoniere oft mit meiner Mum und treffe mich mit Gemma und Katharina. Kath hat noch Kontakt zu Flo, Junes Freund und ich weiß, dass sie klar kommt. Das Cafe in dem sie arbeitet meide ich. Es ist, als hätte es uns nie gegeben und doch bin ich dankbar. Dankbar für die Zeit die sie mir geschenkt hat. June hat mich an den dunkelsten Tagen getroffen und mich zurück ins Licht geholt. Ich will gar nicht darüber nachdenken wie es gekommen wäre, hätte ich sie nicht getroffen. Sie wird immer mein Frühling bleiben und irgendwann wird es gar nicht mehr schmerzen, an sie zu denken.
Jetzt startet das nächste große Abenteuer auf das ich mich voll und ganz konzentrieren will. Love on Tour mit einem nicht ganz heilem Herzen.

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Touchless \\Harry Styles
Fanfiction*** Hände, überall sind Hände die nach mir greifen. Ich bekomme keine Luft, mein Herz rast, Schweiß steht mir auf der Stirn. Mir wird schwindelig und ich falle. Es stürzen dunkle Gestalten ohne Gesicht auf mich. Hände berühren mich und ich schreie...