Grünes Gift

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Harry

Eine Woche ist es her, dass wir uns gesehen haben. Eine Woche ist es her, dass ich mich wie der letzte Arsch benommen habe. Ich war zweimal bei Lia. Und bis jetzt habe ich mich nicht getraut, mich bei June zu melden. Ich habe es einfach versaut und jetzt habe ich nicht den Arsch in der Hose, den ich haben sollte. Die Gespräche mit Lia haben mir geholfen, etwas klarer zu werden. Wir versuchen einen neuen Therapieansatz. Ich soll mir bewusste Grübelzeit nehmen, einen Timer auf 30 Minuten stellen und meine Sorgen sowie Lösungsansätze aufschreiben. Das habe ich bisher jeden Tag gemacht und es geht mir wirklich gut damit. Bisher hatte ich aber auch keinen Kontakt zu anderen Menschen, bisher war ich auch nur in meiner eigenen Blase. Jedes Mal, wenn es an meiner Tür klingelt, hoffe ich, dass es June ist. Aber warum sollte sie wieder her kommen? Ich habe ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie gehen soll. 

Eine weitere Woche mit vielen Gesprächen bei Lia vergeht. Noch immer habe ich mich nicht getraut June anzurufen. Oder zu schreiben. Ich schreibe Katharina. Weil Katharina eine gute Freundin ist, steht sie natürlich sofort auf meiner Matte. Wir sitzen auf meinem Sofa und ich erzähle ihr von meinen letzten Wochen. Ich lass nichts aus, auch nicht meinen Absturz nachdem ich June so schlecht behandelt habe. "Wie gehts jetzt weiter?" fragt sie. "Ich dachte damit kannst du mir helfen. Ich weiß es nicht." gebe ich zu. "Ich soll dir jetzt sagen was du zu tun hast? Vergiss es. Das kannst du alleine. Ich werde dir das nicht abnehmen." Sie guckt mich ernst an. "Dachte ich mir. Ich glaube eine Nachricht oder ein Anruf reichen nicht, um das wieder gut zu machen." Es würde ihr nicht gerecht werden. Ich habe scheiße gebaut und möchte das persönlich klären und nicht am Telefon. "Sie steht doch so gerne vor deiner Tür. Hast du es mal bei ihr versucht?"  Ich schüttel den Kopf. "Ich weiß nicht wo sie wohnt. Ich habe überlegt ins Cafe zu gehen, aber irgendwie finde ich das auch nicht richtig. Ich will sie nicht auf Arbeit stören. Das wäre unangebracht." Mein Kopf ist gesenkt und ich schaue auf meiner Finger. "Jesus, Harry. Wie britisch kann man sein? Das wäre unangebracht." äfft sie mich mit einem übertriebenen britischen Akzent nach. "Wie alt bist du? 100? Es ist ja nicht so als hättest du ihre beste Freundin umgebracht oder sie mit ihr betrogen. Du warst unsicher und in Panik. So wie du von June erzählst, scheint sie nicht dumm zu sein und du warst von Anfang an ehrlich zu ihr. Sie weiß also auf wen und auf was sie sich eingelassen hat. Zieh endlich den Stock aus deinem Arsch und hol sie dir. Wann hast du das letzte Mal dein Schneckenhaus verlassen und etwas getan was unangenehm ist? Das Leben ist nicht immer leicht und man muss sich auch mal seinen Fehlern stellen und sie nicht immer mit Alkohol wegspülen. Harry es tut mir leid, nein eigentlich tut es mir nicht leid das zu sagen. Aber werd endlich erwachsen." Ehrlich und ohne Rücksicht wie immer. Sie prostet mir mit ihrem Weinglas zu und ich stoße mit meinem Glas Wasser an. Keine Ahnung was ich dazu sagen soll. "So und jetzt zieh dir was hübsches an Styles, wir gehen aus." Partynächte mit Katharina sind anstrengend. Sie kennt kein Ende und tingelt von Club zu Club. Ich glaube, in meinem Zustand schaffe ich das nicht. Finster gucke ich sie an. "Muss das sein? Können wir nicht hier bleiben? Du darfst auch den Film aussuchen." Ich setzte meinen -bitte ich tue alles für dich- Blick auf. "Wie alt bist du? 5?" Warum bin ich nochmal mit ihr befreundet? 

Nachdem wir auch noch bei Katharina angehalten haben, bin ich natürlich in einem Club. Wenn Katharina eins nicht duldet, dann ist es Widerrede. Es ist laut, es ist stickig und es ist voll. Und das alles muss ich nüchtern ertragen. Eigentlich hatte ich mir versprochen nicht mehr zu trinken. Warte, eigentlich habe ich mir versprochen nicht mehr zu trinken, um meine Probleme los zu werden. Also wenn man es nicht so genau nimmt, ist es ja jetzt eine andere Situation. Wahrscheinlich reden sich Abhängige sowas auch ein aber ein Drink wäre jetzt wirklich eine Alternative. Als hätte Katharina meine Gedanken gelesen stand sie mit einem grünen Getränk vor mir. "Was ist das?" schreie ich ihr ins Ohr. "Keine Ahnung. Ich konnte es nicht aussprechen und ich glaube der Barkeeper hat mich nicht verstanden, weil die Musik so laut ist." Ich habe keine Ahnung, ob ich alles verstanden habe, was sie mir ins Ohr gebrüllt hat. Aber ich denke so etwas in die Richtung hat sie gesagt. Ich kann mich auch nach den nächsten zwei Drinks nicht wirklich entspannen und Katharina beschließt, dass es Zeit ist, in den nächsten Club zu ziehen. Ich weiß, auch da wird es viel zu laut, viel zu voll und viel zu heiß sein. Aber wenn ich noch ein mal von diesem widerlich schmeckenden grünen Zeug trinken muss, werde ich wohl widerlich schmeckendes grünes Zeug in eine Toilette speien. Stell dich nicht so an Styles, du bist schlimmer als ein kleines bockiges Kind, das keinen Lolli bekommt. "Also? Können wir los? Es gibt da einen neuen Club. Ganz in der Nähe." Mit einem Kopfnicken signalisiere ich ihr, dass wir los können. Ich nehme den letzten Schluck grünes Gift, schüttel mich kurz, weil es wirklich ekelhaft ist und folge ihr durch die Massen. 

Der Club ist wirklich anders. Etwas alternativer und entspannter als der davor. Es ist auch nicht so voll und die Luft ist definitiv angenehmer. Ich fühle mich direkt viel wohler. Katharina ist mit den Worten "Das ist mein Song" sofort auf die Tanzfläche gestürmt und war verschwunden. Ich habe keine Lust zu tanzen und bin auch echt froh, dass sie mich nicht überredet mit ihr zu gehen. Stattdessen beschließe ich uns an der Bar etwas zu trinken zu holen. Ich hoffe hier gibt es anständige Getränke. Meine Gebete wurden erhört. Die Bar ist voll, denn anders als Katharina die auf der Tanzfläche alles gibt, stehen die meisten Leute gerade an der Bar. Was solls. Ich scrolle durch meine Nachrichten und bleibe am Chat mit June hängen. Ich ermahne mich selbst. Ich bin angetrunken. Es wäre dumm ihr jetzt zu schreiben. Es wäre wirklich richtig dumm. Schnell stecke ich mein Telefon wieder in meine Hosentasche. "Einen Rotwein und ein Bier bitte." rufe ich dem Barkeeper zu. Ich krame mein Geld aus der Tasche und bezahle die viel zu teuren Getränke. Nach der Plörre aus dem anderen Club ist ein kühles Bier eine willkommene Abwechslung. Mein Blick schweift auf der Suche nach Katharina durch den Club. Ich kann sie nicht ausmachen, da die Tanzfläche doch etwas voller geworden ist. Vielleicht sollte ich rüber gehen und nach ihr suchen. Ich könnte aber auch hier stehen bleiben und das ganze von hier beobachten. Sie wird mich schon finden und ich möchte ihr auch nicht den Spaß verderben, in dem ich an der Tanzfläche stehe und sie finster angucke. Ich bin ein wirklich toller Freund und eine echte Partykanone. Noch einmal scanne ich den Raum und dann sehe ich sie. June ist hier. Und sie ist nicht alleine. Sie ist mit einem Typen hier und sie wirken wirklich vertraut. Er neigt sich zu ihr rüber und kommt ihr für meinen Geschmack etwas zu dicht. Er legt seine Hand auf ihre Hüfte und redet irgendwas in ihr Ohr und verdammt sie lacht. Und sie sieht gut aus. Und ich hasse es. Ich will der Typ sein, der seine Hand auf ihre Hüfte legt und ich will der Typ sein, der sie zum Lachen bringt. Fuck, ich habe kein Recht eifersüchtig zu sein und doch bin ich es. Grünes Gift kommt mir hoch und ich spüle es mit einem Schluck Bier wieder runter. Junes Körperhaltung verändert sich und sie dreht sich in meine Richtung. Was mach ich denn jetzt? Gucke ich weg und tue so als hätte ich sie nicht gesehen? Das wäre nicht wirklich erwachsen? Winke ich ihr zu? Wäre auch irgendwie falsch. Streng dich an. Ihr Blick trifft meinen und sie erstarrt. Wahrscheinlich ist sie genauso überrascht mich hier zu sehen. Ich versuche es mit einem Grinsen und erinnere mich an unser erstes Treffen. Ich bekomme nur mein Schlaganfall- Lächeln hin. Richtig gut. Nicht. Der -ich lege meine Hand auf deine Hüfte und bringe dich zum Lachen- Typ folgt ihrem Blick und sieht mich. Seine Miene wird sofort Ernst. Mist er weiß Bescheid. Mein Blick geht wieder zu June. 

Sie grinst.

Touchless \\Harry StylesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt