Lights up

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Harry

Die nächsten Tage ziehen wie im Flug an mir vorbei. Ich fange langsam wieder an zu arbeiten. Zu erst nur in meinem Studio. Ich schreibe neue Texte, die aber noch lange keinen Sinn und auch kein Lied ergeben. Es ist als hätte ich eine Wand in meinem Kopf. Zu oft denke ich an June und zu oft frage ich mich, warum sie sich nicht meldet. Ich vermisse sie. Oder vermisse ich das Gefühl jemanden bei mir zu haben? Ich weiß es nicht und ich werde es auch nicht herausfinden, wenn ich hier alleine sitze und mich verkrieche. Außer beim Sport und bei meiner Therapeutin habe ich nach meinem Besuch bei Gemma keine Leute gesehen oder gesprochen. Ich fange schon wieder an mich einzuigeln. Dabei hatte ich mir doch vorgenommen, wieder offener zu sein und am Leben teilzunehmen.

<<Step into the light>>

Fällt mir meine eigene Textzeile wieder ein. Es ist einfach Ratschläge zu geben, aber schwer sie selbst auch zu befolgen. Ich will mich und mein Glück nicht von einer anderen Person abhängig machen. Ja, June hat mir geholfen. Sie hat mir aus einem tiefen Loch geholfen. Doch nur ich alleine schaffe den Schritt ins Licht. Ich bin bereit und ich will es jetzt. Unabhängig davon ob June sich meldet oder nicht. Wenn sie sich nie wieder melden wird, wäre es wirklich schade, weil ich nicht die Chance hatte zu zeigen, wer ich bin. Aber wie kann mich jemand lieben und akzeptieren, wenn ich es selbst nicht schaffe? Wenn ich immer wieder an mir zweifle, immer wieder Schritte zurück mache und nicht nach vorne? Schluss.
Meine Uhr verrät mir, dass wir späten Nachmittag haben und mein Magen zeigt mir, dass es Zeit für Essen ist.

"Hi Harry, alles okay? Geht es dir gut?" Warum fragen mich das immer alle, wenn ich sie anrufe? "Äh, ja. Hast du heute Abend schon was vor?" Frage ich Jeff ohne auf seine blöden Fragen zu reagieren. "Ich bin überrascht, dass du anrufst. Und ich freue mich, dass du anrufst." Fügt er noch schnell hinzu. "Also?" frage ich ungeduldig und muss schmunzeln, weil ich an Sternzeichen denken muss. Nein, ich bin kein Schütze, kann aber genauso ungeduldig sein wie meine Schwester. 

"Für dich nehme ich mir Zeit. An was hast du gedacht?" Höre ich ihn am anderen Ende der Leitung fragen. "Treffen wir uns bei Toni?" Ich habe wirklich Lust auf eine gute Gemüselasagne, oder eine Pizza. Mein Magen stimmt laut knurrend zu. "Oh ja. Gute Idee. Treffen wir uns um 6 Uhr da oder soll ich dich abholen?" Das Angebot, nicht selbst fahren zu müssen, ist verlockend, aber der Wein bei Toni schmeckt immer viel zu gut. "Ich fahre alleine. Wir sehen uns später." Ich drücke auf den roten Knopf und beende damit das Gespräch. Ich habe noch über eine Stunde Zeit bis ich los muss und beschließe daher noch eine Runde laufen zu gehen, um den Kopf weiter frei zu bekommen.

Im Park ist es ruhig und nur wenig Leute unterwegs. Das Wetter ist mies. Nebel und die Dämmerung legen den Park in eine mystische Stimmung. Ich mag das irgendwie. Leider habe ich meine Kopfhörer vergessen und so höre ich mein Schnaufen viel zu laut. Irgendwie bringt mir das Laufen heute nicht den gewünschten Effekt und da ich eh nicht viel Zeit habe, wird es nur eine kurze Runde. Zu Hause verbringe ich viel zu lange unter der Dusche. Immer wieder wandert mein Blick zu der Scheibe, an die ich Junes nackten Körper gedrückt habe. Sofort ist dieses warme Gefühl in meinem Bauch zurück. Ich darf daran nicht mehr denken. Ja, die kurze Zeit die wir miteinander verbracht haben, war toll. Aber ich schaffe das auch alleine.

Kurz vor 6 Uhr stehe ich am Hintereingang von Toni's Restaurant und warte auf Jeff. Unaufmerksam scrolle ich durch Twitter und überbrücke so die letzten Minuten, bis er endlich da ist. Nach einer stürmischen und herzlichen Begrüßung von Toni sitzen wir in der kleinen geschützten Nische  gegenüber der Küche. Ohne zu fragen bringt Toni uns eine Flasche trockenen Rotwein und ein paar Häppchen, um die Zeit bis zum Hauptgang zu überbrücken. "Wisst ihr schon, was ihr essen wollt?" fragt er mit einem starken italienischem Akzent. "Ich würde mich gerne überraschen lassen." meint Jeff. "Ich schließe mich an. Aber ohne Fleisch für mich." nicke ich Toni zu. "Si certo. Ich gebe in der Küche bescheid." gibt Toni zurück und zwinkert mir zu. "Grazie, Toni." Leider ist mein Italienisch nicht besonders gut und ich sollte unbedingt daran arbeiten. In Gedanken mache ich mir eine Notiz auf meiner langen Bucket-List.

"Also? Wie komme ich zu dem Treffen?" fragt Jeff direkt ohne Umwege. "Ich möchte gerne wieder arbeiten. Erstmal nur ein paar Termine zum Wohlfühlen. Kein Stress und gerne in London. Ich will langsam zurück, daher sollten es erstmal nur Termine sein, die Spaß machen." Ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen. Es fühlt sich gut an. Ich denke es ist die richtige Entscheidung. "Wie kommt es?" Ich bin froh, dass er nicht fragt, ob ich mir sicher bin, denn ich bin es nicht. "Ich habe in den letzten Wochen viel an mir gearbeitet und viele Gespräche geführt. Lia, Katharina, Gemma und June haben mir geholfen, mich wieder zu finden. Und ich denke es ist Zeit. Step in to the light." flüstere ich fast. "Okay. Ich gucke was sich arrangieren lässt. Ich hab da schon zwei, drei Ideen. Es kamen in den letzten Wochen ein paar Anfragen, die interessant klingen und sicher etwas für dich sind. Und magst du vielleicht über June reden?" Die letzte Frage lässt er so beiläufig klingen, dass ich fast darauf reingefallen wäre und sofort losgeplappert hätte. Jeff ist mein Freund und ich weiß, dass ich immer ehrlich zu ihm sein kann. Aber ich habe einfach schon so viel über June geredet und ständig ist sie in meinem Kopf, dass ich jetzt einfach gerne einen Abend mit meinem Freund und leichteren Themen verbringen möchte. "Gerne ein anderes Mal." Gebe ich ehrlich zu. Jeff versteht natürlich sofort. "Du weißt, ich bin immer für dich da." Ich nicke und schiebe verträumt mein Glas hin und her. "Also Harry, wann warst du das letzte Mal auf dem Golfplatz?" Ich bin ihm dankbar für diesen plumpen Themenwechsel. "Puhh, keine Ahnung. Wahrscheinlich das letzte Mal mit dir und das ist gefühlt ewig her." Wir verabreden einen Termin in den nächsten Wochen auf dem Platz. "Ich werde Niall fragen, ob er mit will. Der wird sich sicher freuen uns zu demütigen." grinse ich.

"I miei cuori! Macht Platz." ruft Toni und kommt mit zwei riesen Tellern aus der Küche. "Pizza und Lasagne für euch. Momento ich hole noch zwei Teller und etwas Brot. Giulia hat frisch gebacken und Antipasti gemacht." Schon ist er wieder verschwunden. Kurze Zeit später ist unser Tisch mit so vielen Köstlichkeiten beladen, dass ich mich nicht entscheiden kann, mit was ich anfange.

Wir lassen uns Zeit beim Essen und reden über Gott und die Welt und es ist, als hätten wir uns erst gestern gesehen. Nichts hat sich geändert und ich bin einfach dankbar.

Touchless \\Harry StylesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt