Kapitel 108

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Keuchend versuche ich mit Jonathan Schritt zu halten. Dieser schlängelt sich gekonnt und leise durch die dunklen Gänge. Ab und zu hält er mich abwartend zurück oder wir verstecken uns in einer Nische, um von den Wachen nicht gesehen zu werden. Bis jetzt hat noch niemand Alarm geschlagen, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis mein verschwinden bemerkt wird. Ich bleibe schnaufend stehen und stütze mich mit meinen Händen auf den Oberschenkeln ab.
„Wenn sind wir endlich draußen?" Jonathan blickt über die Schulter zu mir.
„Nicht mehr lange, komm weiter. Sobald wir in den Wäldern sind kannst du eine Pause machen."
Ich nicke und laufe weiter. Jeder Schritt ist anstrengend und mein Körper ist bereits erschöpft.
Doch im Gegensatz zu meiner anfänglichen Befürchtung werde ich nicht zunehmend Schwächer, sonder das Gegenteil ist der Fall.
Mit jeden Schritt werde ich stärker. Meine Kräfte pulsieren im Gleichklang mit meinem Herzen und mein Körper heilt langsam seine Wunden.

Gerade will ich mit voller Geschwindigkeit um einer Ecke rennen als Jonathan vor mir abrupt stoppt. Er drückt mich zurück und wir schieben uns in einen Türrahmen. Erst jetzt bemerke auch ich die Schritte die auf uns zukommen. Mein Atem schlägt unsagbar laut in meinem Kopf. Zwar sind wir ansonsten mucksmäuschenstill, aber dennoch habe ich das Gefühl jeder auf die Distanz von drei Meilen hört mein Herz schlagen. Die Schritte kommen Nähe und die Wachen unterhalten sich laut. Die genauen Worte kann ich jedoch nicht versehen, aber das scheint in diesem Moment auch nicht wichtig zu sein. Wenn sie in diesen Gang abbiegen ist es unmöglich, dass sie uns übersehen. Dann bleibt uns nur ein Ausweg, wir müssen sie überwältigen. Jonathan denkt wohl das selbe, denn er reicht mir ein Messer, das davor noch in seinem Pulli verborgen war, auch er hat eines in der Hand.

Die Schritte werden lauter und ich schließe kurz die Augen. Ich werde hier nicht bleiben und erst recht nicht sterben. Aufgeben ist keine Option. Ich hab trainiert und gelernt mich zu verteidigen, dann ist heute wohl der Tag gekommen meine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Mit festem Griff umklammere ich meine Waffe. Meine Knöchel treten bereits weiß und schmerzhaft hervor. Die Stimmen sind so laut, als würden die Wachen bereits neben mir stehen.
Doch zu unserem Glück werden die Stimmen zwar lauter, aber entfernen sich genauso schnell wieder von uns. Jonathan und ich atmen erleichtert aus. Wir verweilen noch einen kurzen Moment und horchen in die Stille, dann winkt mich Jonathan weiter. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, für Pausen haben wir keine Zeit.
Wir gehen durch unzählige lange Gänge bis wir endlich eine massive Tür erreichen. Ohne Fragen zu müssen weiß ich, dass das der Weg nach draußen ist. Jonathan stemmt die Tür auf und helles Licht erhält sofort den Gang. Ich muss bei dem Anblick meine Augen leicht zu pressen, da meine Augen nicht mehr an die Helligkeit gewöhnt sind.
Ich trete vor ihm ins Freie. Die Sonne kitzelt auf meiner Nase und ein frischer Wind verwuschelt mein plattes Haar. Eine Last so groß wie ein Fels fällt von meinen Schultern ab. Endlich frei.
Jonathan zieht mich sachte zurück an die Hauswand an der wir uns dicht gepresst entlang schlängeln. So richtig frei sind wir nicht, das Gebäude ist von einem massiven Zaun mit Stacheldraht umrundet. Wir haben keine Chance über ihn zu klettern. Dennoch unsere Freiheit ist zum Greifen nahe.

Alles geht so schnell. Noch vor wenigen Minuten hatte ich die Hoffnung fast aufgegeben und jetzt stehe ich nach Wochen wieder in der Freiheit. Nachdem sich meine Augen schleppend an die Helligkeit gewöhnen schaue ich mich um. Wo zur Hölle sind wir? Das Gebäude sieht aus wie eine Mischung aus einer Klinik und einem Gefängnis. Um uns herum ist Wald und in der Ferne meine ich Wellen zu hören. „Wo sind wir?"
„An der Küste. Das war vor Jahrzehnten mal eine Klinik für Straftäter mit psychischen Krankheiten. Aber wegen zweifelhafter Methoden wurde sie schon lange geschlossen. Die Nähe zur Natur und dem Meer sollten bei der Therapie helfen. Wir müssen in den anliegenden Wald kommen. Dann wird man uns hoffentlich nicht mehr finden. Bis zur nächsten Stadt ist ein eine gute Stunde, mit dem Auto." Ich stöhne.
„Wenn wir Glück haben finden uns Luzifers Lakaien vor Marc." erwidere ich schnell.
„Das ist der Plan. Wir müssen das Gebäude umrunden, der Ausgang befindet sich direkt an den Klippen. Danach folgt der schwierige Teil. 50 Meter frei Ebene bis wir im Wald ankommen.
Das könnte unser Todesurteil werden. Auch wenn wir bis jetzt unentdeckt sind, da bleiben wir es sicherlich nicht."
Aufmerksam höre ich ihn zu und versuche alle Informationen zu verarbeiten. Eines ist sicher, ich werde es in diesen Wald schaffen, koste es was es wolle. Mit diesem Gedanken umgreife ich mein Messer fester und fokussier mich auf den Weg vor uns.

Hello Devil, nice to meet you!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt