Kapitel 90

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Aris klopft fest an der massiven Holztüre.
„Herein.", ertönt eine mir nur zu gut bekannte Stimme. Ruhig bleiben; die Fassung zu verlieren bringt keinem von uns was, wobei: mir zumindest Genugtuung.
„Aris, da bist du ja endlich. Was hast du herausgefunden?"
„Eure Hoheit, ich.."
„Klopf, klopf, darf ich eintreten?"
Meine Stimme ist zuckersüß. Schon zu süß, um ehrlich zu sein. Doch allein an meinem Gesichtsausdruck sollte man erkennen, dass ich innerlich vor Wut brodle.
Ein Augenpaar beäugt mich kurz, bevor es sich Aris zuwendet.
Die beiden starren sich kurz intensiv an und Luzifers Stirn legt sich ungläubig in Falten.
Diese blöde Gedankenübertragung. Wüsste ich nur, was die zwei sich sagen. Wobei, eigentlich weiß ich auch so, dass Aris der Verräter gerade sicherlich von Jonathan und mir im Café berichtet.
Da hab ich ja einiges zu erklären, wobei mir Luzifer mit seiner Abhör-Aktion nicht unbedingt nachsteht.
„Aris, du kannst gehen, wir reden später.
Alice, komm doch rein, mit dir habe ich nicht gerechnet. Aber es trifft sich ganz gut, dass du da bist."
Geh nur, Aris, aber wenn ich dich noch einmal in meiner Nähe herumlungern sehe, drehe ich dir eigenhändig deinen gefiederten Hals um. Aris verlässt mit schnellen Schritten den Raum, schlau genug, meinem Blick auszuweichen.

Ich trete in Luzifers Büro ein, während er sich, elegant wie immer, von seinem Stuhl erhebt und um den Tisch auf mich zu läuft.
Er streckt seine Hand sachte nach mir aus und murmelt ein besänftigendes 'Alice'.
Ich hingegen schlage seine Hand beiseite und blicke ihn böse an.
„Du schuldest mir eine Erklärung und deine Ausreden kannst du dir sparen, dafür ist es offensichtlich zu spät."
Er zieht seine Hand abwehrend zurück, wobei er kurz zu überlegen scheint, was er sagen soll.
„Was soll ich sagen? Ich wollte mich nur über dein Wohlergehen vergewissern."
„Lüg mich nicht an! Vertraust du mir nicht? Ist das der Grund? DU vertraust mir nicht und lässt mich deswegen überwachen. Das ist wohl ein schlechter Witz? Mit wem, glaubst du, verbünde ich mich? Marc?" Pha, das er MIR nicht vertraut, obwohl ich es doch bin, die begründete Zweifel an seiner Loyalität haben sollte.
„Alice, bitte, beruhige dich."
Ich schnaube genervt aus. Er schafft es doch wirklich, mich noch wütender zu machen.
„Hast du jemals ‚Beruhig dich' während einer Diskussion gesagt und es hatte die gewünschte Wirkung?! Jemals!?"

„Gut, dann beruhig dich eben nicht! Aber lass mich wenigstens erklären, was es mit Aris auf sich hat."
Ich gestikuliere ihm, vorzufahren.
„Ich wollte einfach nur sichergehen, dass du in Sicherheit bist! Meine Brüder können Arschlöcher sein."
Können?! Mir würde auf Anhieb ein Name einfallen, der es nicht nur sein könnte, sondern der ein Arschloch ist.
„Uns steht ein Krieg bevor und auf der Erde treiben sich irgendwo unsere Feinde herum. Wie könnte ich dich da alleine herumlaufen lassen?"
Schön, das klingt plausibel.
„Das gibt dir aber noch lange kein Recht, mich heimlich ausspionieren zu lassen!"
„Ach, und wenn ich dich also gefragt hätte, ob du einem Personenschutz zustimmst, hättest du ‚Ja' gesagt?"
Er zieht provokant eine Augenbraue nach oben, da er weiß, dass ich ‚nein' gesagt hätte.
Zähneknirschend bringe ich ein „Touché." raus.

„Setzen wir uns doch. Ich bin anscheinend nicht der Einzige, der ein Geständnis machen muss."
Ich blicke ihn böse an, obwohl zumindest ein Teil meiner Wut besänftigt wurde.
„Das Thema ist noch nicht geklärt. Ziehe Aris und wen du auch sonst noch auf mich angesetzt hast ab, sofort!
Ich mag zwar noch im Training sein, aber ich komme gut alleine zurecht und meine Privatsphäre soll auch meine bleiben."

Er scheint kurz mit sich selbst zu ringen, aber sieht zum Glück ein, dass es nicht seine Entscheidung ist, oder zumindest, dass heute nicht der richtige Zeitpunkt ist, weiter darüber zu sprechen.
„Wenn wir aber gerade beim Thema Vertrauen sind, wer ist Jonathan?"
„Niemand, der dich auch nur im geringsten etwas angeht. Vielleicht braucht du erst Aris, um dir noch mehr Informationen zu übermitteln."
„Du weißt genau, worauf ich anspiele, oder soll ich Jonathan einfach mal auf einen Besuch in die Hölle einladen?"
Das Wort einladen betont er besonders sarkastisch, sodass klar wird, dass er wohl kaum von einer Einladung, als mehr von einer Entführung spricht. Als er jedoch Jonathans Namen ausspricht, läuft mir ein kalter Schauer den Rücken herunter. Das hier läuft nicht nach Plan.
Ich wollte Jonathan weitestgehend aus allem raushalten und ihn beschützen, vor allem da er ohne Kräfte ein leichtes Ziel ist. Je weniger überhaupt über ihn Bescheid wissen, umso besser! Nicht einmal Luzifer.
„Du hältst dich besser von ihm fern, er hat keine Verwendung für dich, also lass ihn in Frieden."
Es langt, wenn einer von uns mehr Zeit hier unten verbringt als nötig.
„Was willst du damit sagen?"
„Nichts. Ich habe für heute eh genug gesagt. Ich hatte dank deiner Brüder eine grauenvolle Nacht und du verdirbst mir gerade den Tag. Ich hab ehrlich gesagt genug von Himmel und Hölle."
Luzifers Augen blitzen kurz rot auf.
Wie schön es doch ist, dass er nicht einmal versucht, seine Gefühle zu unterdrücken.
„Alice, nach Jahren taucht plötzlich dein Zwillingsbruder auf, von dem noch nie jemand etwas gehört hat. Zufällig hat er ganz nebenbei ein äußerst außergewöhnliches Blut, wodurch er dem Universum womöglich den Arsch retten kann und du hältst es nicht für nötig, mit mir darüber zu reden?"
Ich lächle leicht zufrieden, jetzt ist wenigstens nicht nur mein Tag gelaufen.
„Genau."

„Wir reden jetzt darüber, oder ich muss deinem Bruder wohl doch einen Besuch abstatten."
„Ist das eine Drohung?"
„Nur, wenn du mich als Bedrohung ansiehst." Er ist verdammt nochmal der Teufel, natürlich ist er eine Bedrohung.
„Ich wiederhole es gerne nochmal nur für dich.
Er hat keine Verwendung für dich, also lass ihn in Ruhe.
Ich würde gerne nach Hause, wenn du also so nett wärst."
„Nicht, bevor wir nicht geklärt haben, was du damit meinst, dass er keine Verwendung für mich habe."
„Gut, ich werde auch jemand anderen finden, der mich zurück bringt."
Ich drehe mich der Tür zu und laufe los. Vielleicht treffe ich auf Eligor oder Satan, wobei ich gerade am liebsten einfach zu Hause wäre.
„Du bleibst hier."
Luzifers Stimme ist hörbar angespannt.
„Dafür musst du mich schon aufhalten."

Keine Sekunde später schließen sich seine Arme fest um meinem Körper und ich spüre seinen schnellen Atem an meinem Hals.
"Lass mich los."
"Alice, ich will wirklich nicht mit dir streiten, aber das hier ist von oberster Priorität. Bitte rede mit mir."
"Ich werde dir nix sagen."
"Oh doch."
Ich spüre seine Lippen sachte an meinem Hals und sofort ist ein Teil meiner Wut wie weggeblasen. Verdammt, konzentriere dich Alice und lass dich nicht von sowas ablenken.
Erst jetzt wird mir bewusst, dass die Stellen, an denen seine Hände meinen Bauch und Hüfte berühren förmlich glühen und mein Körper im Gegensatz zu mir, keineswegs Luzifer widerstehen kann, geschweige denn, es überhaupt versucht.
„Alice."
Versucht er gerade mich zu verführen, um Antworten von mir zu bekommen?!
Wenn ja, dann klappt das nämlich erstaunlich gut.
Ich winde mich aus seinen Armen, um Abstand zwischen uns zu bekommen.
„Luzifer was soll das?"
„Wenn er deine Kräfte hat, muss ich das wissen, das könnte unsere Lage erheblich verbessern."
Ich drehe mich ohne ein weiteres Wort von ihm weg und laufe zielstrebig los.
„Hat er deine Kräfte?"
Ich spüre einen Windzug und dann steht Luzifer Millimeter vor mir.
Eine Hand liegt fest, jedoch nicht schmerzhaft auf meiner Schulter.
Ich weiche seinem Blick aus.
Er macht einen weiteren bedrohlichen Schritt auf mich zu und knurrt ein leises
„Alice."
Ich weiche von ihm zurück, spüre jedoch eine Hand an meinem Rücken.
„Verdammt, Alice, rück endlich raus mit der Sprache."
Sein ganzer Körper ist angespannt und seine Wut über mein Schweigen ist förmlich spürbar.
Seine Hand hebt leicht mein Kinn an, sodass ich ihm in die glühend roten Augen starre.
„Entweder du sagt es mir oder er wird es mir persönlich sagen. Bis jetzt hast noch du die Wahl."
Entschuldige, Jonathan, schon jetzt hab ich als Schwester versagt.
„Er hat keine Kräfte und jetzt lass mich verdammt nochmal los!"

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