Kapitel 103

17.7K 768 243
                                    

Am Auto angekommen, sind meine Füße total kalt und meine Wangen leicht gerötet.
„Setz dich schnell ins Auto, ich schalte die Heizung an."
Im Auto wärme ich mich auf, während uns Jonathan zielstrebig durch den dunklen Wald heraus lotst.
„Wir sind gleich da.", sagt er, als wir die Hauptstraße erreichen.
Nach weiteren fünf Minuten biegen wir auf eine gepflegte Einfahrt ab.
„So, da sind wir."
Vor uns liegt ein kleines Häuschen umgeben von hohen Bäumen.
„Es sieht schön aus."
„Nach dem Brand sind wir umgezogen und das wurde zu meinem neuen Zuhause. Mir gefällt es auch gut. Lass uns rein gehen."

Der Eingangsbereich ist sehr einladend und es riecht köstlich nach Suppe. Ich stelle mein Gepäck im Gang ab und wir ziehen die Schuhe aus.
„Mein Dad ist anscheinend noch unterwegs. Soll ich dich erstmal herumführen?"
„Gerne, das wäre lieb."
„Wir fangen am Besten oben an.", sagt er und greift nach meinem Gepäck. Ich folge ihm einen schmalen Treppenaufgang nach oben.
Im Obergeschoss erstreckt sich eine lange Diele. „Das hier vorne ist das Gästezimmer, da schläfst du.", sagt Jonathan und öffnet die Türe zu einem Raum auf der linken Seite.
Neugierig werfe ich einen Blick in den kleinen Raum.
„Sieht gemütlich aus.", erwidere ich nach meinem kurzen Qualitätscheck.
„Dort hinten schließt direkt ein kleines Bad an. Willst du dich kurz frisch machen?"
Ich schüttle kurz den Kopf.
„Nein danke, viel lieber würde ich dein Zimmer sehen."
„Na, dann will ich dich nicht länger warten lassen. Komm, es ist gleich hier vorne."
Wir gehen zur nächsten Tür, die Jonathan schnell öffnet.
„Nix besonderes, aber mir gefällt es gut.", sagt er verlegen und kratzt sich am Hinterkopf.
Mein Blick schweift über das Zimmer.
In der einer Ecke steht ein großes Bett, dann gibt es noch ein gemütliches Sofa, ein paar Gewichte zum Trainieren und ein Schreibtisch mit einem PC.
Ohne auch nur einen Fuß in den Raum gesetzt zu haben, fühle ich mich hier wohl.
„Es ist perfekt.", nuschle ich leise und trete langsam ein. Rechts von mir steht ein großes Regal und ich mustere einige verstaubte Gegenstände darin.
Fragend hebe ich ein Abzeichen hoch: „Du warst Pfadfinder?"
Er nickt grinsend: „Der beste Wölfling, den mein Jahrgang zu bieten hatte."
„Ich kann mir gut vorstellen, wie du den ganzen Tag im Wald rumgerannt bist und Ärger gemacht hast."
Er hebt nur unschuldig die Schultern, wobei sein spitzbübisches Grinsen ihn verrät.
Neben den Abzeichen steht ein Bild von einigen Jungs in Pfadfinderuniform und jeder mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Jonathans Haare sind auf dem Bild verstrubbelt und viel länger als jetzt.
„Welch ein süßer Racker du doch warst!", sage ich lächelnd.
„Zum anbeißen, ich weiß."
Als nächstes entdecke ich einen Pokal, ein weiteres eingerahmtes Bild und einige Medaillen.
„Das ist von meiner Zeit im Schwimmteam. Verdammt, ich hatte es echt drauf."
Beim Anblick des Regals wird mir klar, wie wenig ich über ihn weiß.
„Hast du das alles für mich aufgegeben? Also, um mich zu suchen?", frage ich unsicher.
Er kommt näher und zieht mich in eine feste Umarmung.
„Keiner dieser Momente war so schön, wie der Moment, als ich dich das erste mal gesehen hab, Alice."
Auch ich drücke ihn fest.
„Danke, dass du nach mir gesucht hast."
„Jederzeit wieder."
Ich löse mich von ihm und wende mich wieder dem Regal zu.
„Warum steht hier eine leere Tequila Flasche?"
„Die ist von meinem ersten Absturz, nur eine Erinnerung."
Mein Blick schweift weiter und mir fällt ein Poster an der Wand auf.
„Bevor du was falsches sagst: R.E.M. ist die beste Band überhaupt und wehe du sagst etwas gegen meinen Lieblingssong „Everybody Hurts"."
Ich wollte gerade grinsend etwas erwidern, als er warnend den Finger hebt.
„Wehe."
Ich hebe unschuldig die Hände.
„Keine Sorge, ich sage ja nix.. aber unter diesen Umständen muss ich mich wirklich fragen, ob wir verwandt sind."
Er schüttelt enttäuscht den Kopf. „Langsam fang ich auch an, daran zu zweifeln."
Wir fangen beide an zu lachen und ich stoße ihn spielerisch in die Seite.
„Willst du was trinken? Lass uns runter gehen, mein Dad kommt bestimmt eh gleich."
„Gerne.", erwidere ich und begleite ihn nach unten.
„Ich muss kurz auf die Toilette, entschuldige mich." Jonathan zeigt mir die richtige Tür und ich verschwinde kurz im Bad.

Nachdem ich fertig bin, komme ich in die Küche nach, aus der ich Geräusche höre.
„Willst du einen Schluck warmen Tee? Er ist ganz frisch. "
„Gerne, genau das brauche ich jetzt." Jonathan schenkt mir eine Tasse ein und für sich ein Glas Wasser.
„Willst du keinen Tee?"
„Nein Danke, ich mag Tee nicht sonderlich. Da fehlt mir irgendwie der Geschmack.", erwidert er mit einem übertrieben angeekelten Gesichtsausdruck.
Wir setzen uns zusammen in das geräumige Wohnzimmer und warten.
Die große Flügeltür macht den Raum einladend und das Feuer im Kamin macht alles schön warm und taucht den Raum in ein angenehmes Licht.
Ich setze mich in einen großen Sessel und trinke einen Schluck des Tees.
Schmeckt gut. Ich weiß nicht, wo Jonathans Problem ist.
Nachdem ich die Tasse gerade ausgetrunken habe, höre ich einen Schlüssel im Schloss.
„Da kommt er ja endlich, ich sterbe vor Hunger.", sagt Jonathan und steht aus dem Sessel auf.
Im Gang ertönen Schritte und ich drehe mich zur großen Tür herum und stehe ebenfalls etwas wacklig auf. Aufgeregt streiche ich mein Kleid glatt. Mein Herz schlägt auf 180. Warum bin ich nur so nervös?
„Dad, da bist du ja endlich."
Meinen Kopf durchzieht plötzlich ein stechender Schmerz, gerade als Jonathans Dad in der großen Tür erscheint.
Noch bevor ich realisiere, was ich tue, schubse ich Jonathan schützend hinter mich. In einer Geschwindigkeit, auf die Eligor sicherlich stolz wäre, nehme ich meine Kampfhaltung ein.
Ein weiterer unerträglicher Schmerz durchfährt meinen Kopf.
„Alice, geht es dir gut? Du siehst blass aus?!"
„Jonathan, bleib hinter mir."
Der Mann gegenüber von mir lächelt selbstgefällig und in mir kocht eine unbeschreibliche Wut auf.
Doch bevor ich etwas sagen kann, durchfährt ein weiterer Schmerz meinen Kopf und ich schreie auf.
Verdammt, was ist das?!
„Alice!"
Obwohl ich am liebsten einfach auf dem Boden zusammengefallen wäre, drehe ich mich zu Jonathan herum.
„Renn, das ist Marc.
Renn und hole Hilfe, bitte." Bitte!
Er muss hier weg, ich kann ihn so nicht beschützen.
Jonathans besorgter Blick liegt auf mir und er greift sachte nach meinem Arm.
„Alice, ich versteh nicht, wovon du redest? Was meinst du?"
Das letzte, was ich sehe, sind seine blauen Augen, die mich besorgt mustern, bevor ich langsam zu Boden gehe und mich eine weitere Schmerzenswelle erfasst. F*ck, woher kommt dieser verdammte Schmerz!
Ich liege in Jonathans Armen, der mich mittlerweile heftig schüttelt und laut meinen Namen ruft. Seine Stimme verschwimmt zunehmend und es hört sich an, als wäre er meilenweit entfernt von mir. Meine Augen fallen langsam zu und egal, wie sehr ich mich dagegen sträube, ich kann sie einfach nicht offenhalten.
Jonathan fängt meinen Kopf auf, der langsam zur Seite rollt und tätschelt mir hilflos auf die Wange.
„Verdammt Dad, hilf mir doch endlich. Irgendwas stimmt nicht mit ihr.", höre ich Jonathans leise Worte in weiter Ferne.
Dad... Hat er gerade Dad gesagt?
Über mir bricht eine Welt zusammen, doch bevor ich darüber nachdenken kann, drifte ich in die schmerzhafte Dunkelheit ab.

~~~~~~~
Was soll ich sagen, es wird endlich wieder spannend! Ich hoffe euch gefällt das Kapitel.
Ach und her mit euren Spekulationen wie es weiter geht, ich bin gespannt was ihr euch so vorstellt. ☺️
Liebe Grüße Katharano

Hello Devil, nice to meet you!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt